Infobrief für Unternehmer und Freiberufler des Monats November 2012
Liebe Leserinnen und Leser,
ich habe für Sie aus meinem Kanzleiinfoservice (Quelle: Haufe Steueroffice, Kanzleiedition) heraus direkt für YourXpert einen Ratgeberartikel zur Verfügung gestellt, den Sie gerne lesen können. Im Wesentlichen geht es hierbei um vollzogene und/oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate, vornehmlich Freiberufler und Unternehmer betreffend.
Bitte lesen Sie im Einzelnen:
Inhalt
1. Grunderwerbsteuer bei Nachlassaufteilung unter Miterben
2. Gewinnermittlung bei Einbringung einer freiberuflichen Praxis
3. Forderungsverzicht als Gestaltung zur Rettung steuerlicher Verlustvorträge
4. Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers neben weiteren Geschäftsführern
5. BMF beschränkt Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen
6. Kapitalgesellschaften haben Erstattungszinsen zu versteuern
7. Zuschätzungen auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs zulässig
8. Voraussetzungen für zinslose Stundung der Erbschaftsteuer
9 Gaststättenrechnung und Angabe des Bewirtenden immer erforderlich
10. Neue Erbschaftsteuer wieder verfassungswidrig!
11. Suche nach Mitarbeitern zwischen "25 und 35" ist diskriminierend
12. Verdeckte Sacheinlage bei doppelter Zahlung des Einlagebetrags
13. Kündigung trotz Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland?
14. Zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausapotheken
15. Voranmeldungen: Verspätungszuschläge bei fehlender Authentifizierung
16. Photovoltaikanlagen: Umsatzsteuerliche Folgen eines Betreiberwechsels
17. Rechtsstellung des atypisch stillen Gesellschafters einer insolventen GmbH & Co. KG
18. Verböserungsverbot heißt nicht "Änderungsverbot"
19. Übertragung einer Direktversicherung in der Insolvenz
20. EuGH zur Umsatzsteuer bei Grundstücksverkäufen
21. Abgrenzung: Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb
22. In gemischten Sozietäten haften alle Gesellschafter
23. Voraussetzungen der Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids
24. Neues zum Vorsteuerabzug aus Photovoltaikanlagen
25. Unrichtigkeit des Grundbuchs bei Gesamtrechtsnachfolge
1. Grunderwerbsteuer bei Nachlassaufteilung unter Miterben
Kernaussage
Das Grunderwerbsteuergesetz stellt Übertragungsvorgänge an Grundbesitz, die zum Zwecke der Auseinandersetzung eines Nachlasses erfolgen, von der Grunderwerbsteuer frei. Dadurch sollen insbesondere Miterben, die Grundbesitz in Erbengemeinschaft von Todes wegen erwerben, den Nachlass untereinander grunderwerbsteuerfrei auseinandersetzen können. Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat in einer Entscheidung, die zwischenzeitlich rechtskräftig ist, zu der Frage Stellung genommen, ob diese Grunderwerbsteuerbefreiung auch für Grundbesitzauseinandersetzungen gelten kann, denen eine vorweggenommene Erbfolgeübertragung vorangegangen war.
Sachverhalt
Der Kläger hatte gemeinsam mit einem Geschwisterteil in Miteigentumsgemeinschaft von der Mutter im Wege einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung Grundstücke erhalten, wobei die Mutter sich Nießbrauchs und Rückübertragungsrechte vorbehalten hatte. Kurze Zeit später verstarb die Mutter und die Geschwister wurden zu gleichen Teilen Miterben. Im Zuge der Auseinandersetzung setzten sich die Geschwister auch über den Grundbesitz der vorweggenommenen Erbfolgeregelung auseinander. Dabei erhielt der Kläger den vorab übertragenen Grundbesitz. Für diese Übertragung setzte das Finanzamt Grunderwerbsteuer fest, woraufhin Klage erhoben wurde.
Entscheidung
In seiner Entscheidung kommt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, dass ausschließlich solcher Grundbesitz im Rahmen der Grunderwerbsteuer privilegiert sei, der sich im Nachlass befinde, also bei Tod des Erblassers übergehe. Dies ergebe sich insbesondere deshalb, weil das Grunderwerbsteuergesetz an die zivilrechtlichen Vorgaben anknüpfe. Der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragene Grundbesitz befinde sich schlicht nicht im Nachlass. Daran ändere auch nicht, dass sich die Mutter die wirtschaftliche Verfügungsberechtigung vorbehalten habe, die erst mit dem Tode wegfalle. Eine entsprechende Anwendung des Grunderwerbsteuerprivilegs auf vorweggenommene Erbfolgemaßnahme, die im Rahmen der Erbauseinandersetzung erfolgten, komme nicht in Betracht.
Konsequenz
Der Entscheidung ist dem Grunde nach zuzustimmen. Zwar haben sich die Beteiligten im Fall anlässlich der Erbauseinandersetzung auseinandergesetzt. Die Auseinandersetzung ist aber mit Rücksicht auf Vermögen erfolgt, das die Beteiligten vor dem Erbfall bereits in Miteigentümergemeinschaft gehalten hatten, so dass für die Anwendung der Grunderwerbsteuerprivilegien kein Raum war.
2. Gewinnermittlung bei Einbringung einer freiberuflichen Praxis
Kernproblem
Die Ermittlung des steuerlichen Gewinns erfolgt regelmäßig durch Betriebsvermögensvergleich. Besteht indes keine Buchführungspflicht, kann der Gewinn auch durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (im Folgenden: EÜR) ermittelt werden. Dies gilt insbesondere für Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielen (z. B. Ärzte, Architekten, Steuerberater, etc.). Von Ausnahmen abgesehen, handelt es sich dabei um eine Istrechnung nach dem Zu- und Abflussprinzip. Erbrachte Leistungen des Steuerpflichtigen erhöhen den Gewinn somit nicht bereits im Zeitpunkt der Forderungsentstehung, sondern erst bei Geldzufluss. Fraglich ist dabei der Zeitpunkt der Besteuerung eines Forderungsbestands, wenn der Freiberufler seinen Betrieb in eine Personengesellschaft einbringt.
Sachverhalt
Kläger ist ein Steuerberater, der den Gewinn seiner Einzelpraxis durch EÜR ermittelte. Am 2.1. des Streitjahres 1997 erfolgte die Einbringung der Praxis in eine neugegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Bis dahin entstandene Forderungen waren ausdrücklich von der Einbringungsverpflichtung ausgenommen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass der auf den 2.1.1997 ermittelten Aufgabegewinn des Steuerberaters um den offenen Forderungsbestands zu erhöhen sei. Der Kläger begehrte indes eine Besteuerung erst bei Zufluss. Nach zunächst erfolgreicher Klage des Steuerberaters vor dem Finanzgericht (FG) Münster, hatte nunmehr der Bundesfinanzhof (BFH) zu entscheiden.
Entscheidung
Der BFH hat die Entscheidung vertagt und das Bundesfinanzministerium (BMF) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. In seinen Entscheidungsgründe verweist der zuständige Senat des BFH zwar auf die Entscheidung eines anderen Senats aus dem Jahr 2007. Demnach sind Forderungen, die im Rahmen einer Praxiseinbringung zurückbehalten werden, nicht als Übergangsgewinn zu erfassen, sondern erst bei Zufluss zu versteuern. Der jetzt zuständige Senat lässt aber offen, ob er sich dieser Auffassung anschließen wird.
Konsequenz
Das Urteil des BFH aus dem Jahr 2007 wurde nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht und wird deshalb von der Finanzverwaltung nicht angewendet. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit für die Beratungspraxis ist erheblich. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF dem Verfahren zügig beitritt und eine endgültige Klärung der Rechtsfrage alsbald erfolgt.
3. Forderungsverzicht als Gestaltung zur Rettung steuerlicher Verlustvorträge
Rechtslage
Die Übertragung von mehr als 25 % (50 %) der Anteile an einer Kapitalgesellschaft, führt - vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen - zu einem anteiligen (vollständigen) Wegfall von Verlustvorträgen auf Ebene der übertragenen Gesellschaft (sog. Mantelkaufsregelung). Zur Vermeidung des Verlustuntergangs wird zuweilen folgende Gestaltung vorgeschlagen: Im Vorfeld einer grundsätzlich schädlichen Anteilsübertragung wird der Gesellschaft ein Gesellschafterdarlehen gewährt, auf das sodann gegen Gewährung eines Besserungsscheins verzichtet wird. Die Gesellschaft hat die Verbindlichkeit ertragswirksam aufzulösen, wodurch sich zwar in Höhe des wertlosen Teils der Forderung auch steuerlich ihr Einkommen erhöht. Hierdurch kann indes der Verlustvortrag - zumindest in den Grenzen der sog. Mindestbesteuerung - aufgetrocknet werden. Anschließend werden die Anteile an der Gesellschaft zusammen mit der Besserungsanwartschaft an den Käufer veräußert. Dieser zwar grundsätzlich schädliche Beteiligungserwerb ist indes ohne Auswirkung, da der Verlustvortrag bereits vor der Anteilsübertragung durch die Ausbuchung der Verbindlichkeit aufgebraucht wurde. Lebt die Darlehensverbindlichkeit nach der Anteilsveräußerung wieder auf, entsteht insoweit ein ausgleichsfähiger Aufwand auf Ebene der Gesellschaft.
Beurteilung durch Finanzverwaltung und Finanzgericht
Die vorstehende Gestaltung will die Finanzverwaltung - zumindest im Hinblick auf die alte Mantelkaufsregelung - nicht anerkennen: Der durch das Wiederaufleben der Verbindlichkeit entstehende Aufwand falle ebenfalls unter die Mantelkaufsregelung. Nunmehr hatten sich erstmals die Finanzgerichte mit einer entsprechenden Gestaltung zu beschäftigen. Hatte sich erstinstanzlich das Finanzgericht (FG) München - wenngleich mit abweichender Begründung - im Ergebnis noch der Auffassung der Verwaltung angeschlossen, obsiegte der Steuerpflichtige schließlich vor dem Bundesfinanzhof (BFH).
Entscheidung
Die BFH-Richter sehen - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - in der Gestaltung weder einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch, noch teilen sie die Auffassung, wonach das Wiederaufleben der Verbindlichkeit auf Ebene der Kapitalgesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren sei. Dies gelte zumindest dann, wenn die ursprüngliche Forderung betrieblich veranlasst war.
Konsequenz
Die im Schrifttum lange Zeit diskutierte Zulässigkeit der vorstehenden Gestaltung hat der BFH nunmehr zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Wenngleich das Verfahren noch die Vorgängerregelung der heutigen Mantelkaufsregelung betraf, sprechen gute Gründe dafür, dass auch nach neuem Recht entsprechende Vorgehensweisen zum gewünschten Ergebnis führen können. Abzuwarten bleibt indes, ob und inwieweit der Gesetzgeber nunmehr tätig wird.
4. Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers neben weiteren Geschäftsführern
Kernaussage
Es gehört grundsätzlich zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, sich mit den handelsrechtlichen und steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung seiner Tätigkeit gestellt werden, vertraut zu machen und gegebenenfalls fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Der alleinige Geschäftsführer einer GmbH kann sich deshalb auch nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich schon aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden konnte.
Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer GmbH war seit Juli 2005 bestellt und für die Gesellschaft tätig. Bis September 2006 war auch die alleinige Gesellschafterin als weitere Geschäftsführerin im Amt. Im November 2007 schied der Geschäftsführer aus. Das Finanzamt nahm ihn daraufhin persönlich für ausstehende Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006 sowie für Januar bis August 2007 in Haftung, weil die entsprechenden Steuererklärungen von der GmbH nicht abgegeben worden waren. Der Geschäftsführer wehrte sich mit dem Argument, er sei aufgrund der internen Aufgabenverteilung zwischen den beiden Geschäftsführern nicht für die Einhaltung der steuerlichen Verpflichtungen zuständig gewesen. Die weitere Geschäftsführerin sei auch nach ihrer Abberufung weiterhin für die GmbH tätig gewesen; wegen ihrer beherrschenden Gesellschaftereigenschaft komme ihr der Status "faktische Geschäftsführerin" zu.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab größtenteils dem Finanzamt Recht. Lediglich für die wegen Fristverlängerung verspätet abgegebene Umsatzsteuererklärung 2006 könne der Geschäftsführer nicht haftbar gemacht werden, denn diese musste erst nach seinem Ausscheiden eingereicht werden. Haften muss der Geschäftsführer aber für die Umsatzsteuern 2005 und Januar bis August 2007. Ein GmbH-Geschäftsführer hat dafür zu sorgen, dass die Steuern fristgerecht erklärt und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Demnach kann es auf die Frage, ob der Geschäftsführer bis zum September 2006 neben der bis dahin ebenfalls als Geschäftsführer bestellten Gesellschafterin im Rahmen einer Aufgabenverteilung nicht für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zuständig gewesen ist, nicht an. Denn die haftungsbegründenden Pflichtverletzungen, also die nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 und die nicht fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar bis August 2007, haben sich erst ereignet, nachdem die Gesellschafterin Geschäftsführerin abberufen worden war.
Konsequenz
Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, die ihm die Erfüllung seiner Pflichten ermöglichen, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte. Bis zu seinem Rücktritt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich. Im Übrigen kommt eine Haftungsbegrenzung aufgrund einer internen Aufgabenverteilung nur dann in Betracht, wenn die Aufgabenzuweisung klar und eindeutig, d. h. in schriftlicher Form, festgelegt worden ist.
5. BMF beschränkt Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen
Rechtslage
Umsatzsteuervoranmeldungen sind in der Regel monatlich oder quartalsweise abzugeben. Allerdings kann das Finanzamt Unternehmer auch von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen befreien, deren Umsatzsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 EUR betragen hat, sofern es sich nicht um neu gegründete Unternehmen handelt. Die Befreiung ist von Amts wegen zu erteilen und darf nur in begründeten Einzelfällen versagt werden.
Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun den Katalog möglicher Gründe erweitert, die zum Versagen der Befreiung führen, dies sind aktuell: Veränderung der betrieblichen Struktur, mögliche Gefährdung des Steueranspruchs und Erwartung einer wesentlich höheren Steuer im laufenden Jahr.
Konsequenz
Die aufgeführten Fälle sind nicht abschließend, so dass auch aus anderen Gründen eine Versagung der Befreiung erfolgen kann. Allerdings muss das Finanzamt hierzu eine vernünftige Begründung liefern. Pauschale Behauptungen und insbesondere Schreiben, die erkennbar lediglich aus Textbausteinen bestehen, dürften zu wenig sein. Für Unternehmer, die im Vorjahr einen Überschuss der Umsatzsteuer zu ihren Gunsten hatten (Vorsteuerüberhang), verbleibt es von Amts wegen bei der quartalsweisen Abgabe. Sie können die Befreiung allerdings beantragen. Dies erspart ihnen zwar die Deklaration, wirkt sich jedoch nachteilig auf die Liquidität aus.
6. Kapitalgesellschaften haben Erstattungszinsen zu versteuern
Kernaussage
Erhalten Kapitalgesellschaften Zinsen auf Steuererstattungen, sind diese als steuerpflichtige Einnahmen zu qualifizieren.
Sachverhalt
Nachdem lange unbestritten war, dass Zinsen auf Steuererstattungen auch bei natürlichen Personen steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen, änderte der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2010 seine Meinung. Er befand, Erstattungszinsen seien der privaten Sphäre zuzuordnen, da die Hingabe des Geldes zur Tilgung der Steuerzahlung und nicht zur Erzielung von Einkünften erfolge. Erstattungszinsen durften also nicht länger zur Besteuerung herangezogen werden. Auf dieses Urteil reagierte der Gesetzgeber prompt und wies die Erstattungszinsen explizit den Kapitaleinkünften zu, um eine Besteuerung wieder möglich zu machen. Die mit der Zuweisung zu den Kapitaleinkünften verbundene Rückwirkungsregelung trifft allerdings auf Bedenken. So wird erwartet, dass der BFH in einem derzeit anhängigen Revisionsverfahren diese Rückwirkung dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorlegen wird.
Entscheidung
Der Streit hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Rheinland veranlasst, jedenfalls für den Bereich der Körperschaft- und Gewerbesteuer klarzustellen, dass es sich auch bei Erstattungszinsen um steuerpflichtige Einkünfte handelt. Seit jeher gilt im Steuerrecht, dass Körperschaften keine Privatsphäre haben. Anders als bei natürlichen Personen ist es damit den Körperschaften verwehrt, privat veranlasste Vermögensmehrungen steuerfrei zu vereinnahmen. Die Steuerpflicht setzt bei natürlichen Personen immer voraus, dass sie eine Tätigkeit zum Zwecke der Einkunftserzielung unternehmen. Ist das nicht der Fall, kommt es nicht zur Belastung mit Einkommensteuer (z. B. in Fällen der Schenkung). Demgegenüber müsse bei einer Körperschaft zielgerichtetes Handeln nicht vorliegen. Vielmehr ist jede Vermögensmehrung grundsätzlich steuerpflichtig. Es komme gerade nicht darauf an, dass die Körperschaft die Steuerschuld beglichen habe, um nach erfolgreichem Rechtsstreit Zinsen zu kassieren. Vielmehr komme es allein auf die erfolgte Vermögensmehrung an.
Konsequenz
Die Finanzämter werden - vorbehaltlich einer anderslautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - auch künftig Zinsen, die der Fiskus auf Steuererstattungen zahlt, als Kapitaleinkünfte versteuern.
7. Zuschätzungen auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs zulässig
Kernaussage
Bei einem so genannten Zeitreihenvergleich werden Umsatz und Wareneinsatz in verschiedenen Perioden, z. B. Kalenderwochen, gegenübergestellt und Schwankungen beim Rohgewinnaufschlagsatz festgestellt. Wenn die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, darf das Finanzamt auf Grundlage eines solchen Zeitreihenvergleichs Zuschätzungen vornehmen.
Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Speisegaststätte. Ein Teil seiner Einnahmen erfasste er in einer Registrierkasse. Daneben führte er eine weitere Barkasse, deren Einnahmen nicht über die Registrierkasse abgerechnet wurden. Zudem wurden bei einer Betriebsprüfung die Tagesendsummenbons der elektronischen Kasse nicht vollständig oder ohne Datum vorgelegt. Das Finanzamt sah die Buchführung nicht als ordnungsgemäß an und schätzte Umsätze und Gewinne auf Grundlage des Zeitreihenvergleichs hinzu. Dabei ermittelte es wöchentliche Rohgewinnaufschlagsätze und bildete für 10 Wochen Mittelwerte. Den jeweils höchsten Mittelwert wendete es auf den erklärten Wareneinkauf an. Dieses führte zu erhöhten Werten im Gewinn und der Umsatzsteuer. Hiergegen wehrte sich der Kläger.
Entscheidung
Das Finanzgericht folgte indes der Ansicht des Finanzamts. Eine Schätzungsbefugnis der Behörde bestand dem Grunde nach, weil die Buchführung des Klägers für die streitgegenständlichen Jahre nicht ordnungsgemäß war, da nicht alle Bareinnahmen in der Registrierkasse erfasst wurden. Zwar dürften Kasseneinnahmen täglich auch nur in einer Summe in ein Kassenbuch eingetragen werden, dann müsse aber das Zustandekommen dieser Summe nachgewiesen werden. Wegen des hohen Anteils des Bargeschäfts im Betrieb des Klägers kam der Kassenführung eine erhebliche Bedeutung zu. Der Zeitreihenvergleich stelle eine geeignete Schätzungsmethode für eine Speisegaststätte dar, so die Richter. Es handelte sich um einen inneren Betriebsvergleich. Dies gelte zumindest dann, wenn sich innerhalb des Schätzungszeitraums keine wesentlichen Änderungen in der Betriebsstruktur ergeben hätten.
Konsequenz
Die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung sind in ausreichender Sorgfalt zu beachten, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass das Finanzamt Schätzmethoden anwendet, die zu Ergebnissen weit oberhalb der realen Einkünfte führen.
8. Voraussetzungen für zinslose Stundung der Erbschaftsteuer
Kernfrage
Geht Betriebsvermögen oder gehen bestimmte Immobilien unter Entstehung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer über, sieht das Erbschaftsteuergesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit vor, dass die entstehende Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer für bis zu 10 Jahre gestundet werden kann. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Stundung zur Erhaltung des Betriebs erforderlich ist oder ansonsten Teile des Erwerbs veräußert werden müssten. Das Finanzgericht Köln hatte nunmehr zu den weiteren Voraussetzungen dieser Stundungsmöglichkeiten zu entscheiden; insbesondere dazu, welches sonstige Vermögen der Erwerber verpflichtet ist einzusetzen, um die Steuer zu begleichen.
Sachverhalt
Der Kläger erbte mehrere Immobilien, wodurch nicht unerhebliche Erbschaftsteuer entstand. Aus dem sonstigen geerbten Vermögen musste er Vermächtnisse bedienen. Darüber hinaus musste er nach eigenem Vortrag Darlehen aufnehmen, um die geerbten Immobilien in einen vermietungsbereiten Zustand zu versetzen. Im Hinblick auf die entstandene Erbschaftsteuer stellte er einen Stundungsantrag, den das Finanzamt mit der Begründung zurückwies, dass nur die auf die nach dem Gesetz definierten Immobilien entfallende Erbschaftsteuer gestundet werden könne; die Stundung der auf nicht begünstigtes Vermögen entfallenden Erbschaftsteuer scheide grundsätzlich aus. Im Übrigen sei eine Stundung dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber die Steuer aus dem sonstigen erworbenen Vermögen oder dem eigenen Vermögen bedienen könne.
Entscheidung
Das Finanzgericht Köln gab dem Finanzamt Recht. Eine Stundung sei dann ausgeschlossen, wenn der Ausgleich der Erbschaftsteuer aus dem sonstigen eigenen oder geerbten Vermögen möglich sei. Dabei sei es dem Erbwerber auch zuzumuten, Kredite auf das erworbene Vermögen aufzunehmen. Im vorliegenden Falle sei die Kreditlinie nicht voll ausgeschöpft worden. Der Kläger hätte über die getätigten Investitionen hinaus den Kreditrahmen weiter ausschöpfen können, was es ihm ermöglicht hätte, die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Eine zinslose Stundung komme nur dann in Betracht, wenn die Erbschaftsteuer als solche den Steuerpflichtigen zur Veräußerung des erworbenen Vermögens nötigt.
Konsequenz
Die Entscheidung zeigt den begrenzten Anwendungsbereich und den Ausnahmecharakter der gesetzlichen Stundungsregelungen. Sie erteilt aber auch einer Literaturmeinung eine Abfuhr, die der Ansicht ist, eine Kreditaufnahme sei dem Erwerber zum Ausgleich der Erbschaftsteuer nicht zuzumuten.
9. Gaststättenrechnung und Angabe des Bewirtenden immer erforderlich
Kernproblem
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass sind zu 70 % als Betriebsausgaben abziehbar. Das gilt, soweit die Bewirtungskosten nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen sind und die Höhe sowie eine betriebliche Veranlassung nachgewiesen werden. Dafür verlangt das Gesetz schriftliche Angaben zu Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie die Höhe der Aufwendungen. Wenn die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden hat, genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung. Zudem ist die Rechnung über die Bewirtung beizufügen. Die materiell-rechtliche Abhängigkeit von einem Beleg ist ertragsteuerlich (anders als bei der Umsatzsteuer) eher selten, denn der Betriebsausgabenabzug setzt lediglich eine betriebliche Veranlassung voraus. Ob daher das Fehlen einer Gaststättenrechnung durch Eigenbeleg geheilt werden kann oder welche weiteren formellen Voraussetzungen zu beachten sind, war Anlass eines Rechtsstreits beim Bundesfinanzhof (BFH).
Sachverhalt
Einem Einzelunternehmer wurden im Rahmen einer Betriebsprüfung des Finanzamts Bewirtungsaufwendungen von über 15.000 EUR gestrichen. Das Finanzamt hatte beanstandet, dass die über der umsatzsteuerlichen Grenze für Kleinbetragsrechnungen (derzeit 150 EUR) liegenden Rechnungen nicht den Namen des bewirtenden Unternehmers enthielten. Das Finanzgericht (FG) gab dagegen der Klage des Unternehmers statt und hielt die von ihm erstellten Eigenbelege mit Angaben zu Ort, Tag, Teilnehmern und Anlass der Bewirtung für ausreichend. Das Fehlen des Rechnungsadressaten sahen die Richter durch Vorlage der Kreditkartenabrechnungen als geheilt an. Die Finanzverwaltung zog daraufhin vor den BFH.
Entscheidung
Der BFH ist der Auffassung des FG nicht gefolgt. So sei der Eigenbeleg im Fall einer Gaststättenbewirtung nicht ausreichend, denn das Gesetz verlange zwingend das Beifügen der Rechnung. Zudem müsse die Rechnung einer Gaststätte, sofern es sich nicht um eine Kleinbetragsrechnung des Umsatzsteuerrechts handele, den Namen des bewirteten Steuerpflichtigen enthalten. Weder der Eigenbeleg noch eine Kreditkartenabrechnung könne die erforderliche Angabe auf der Rechnung entbehrlich machen.
Konsequenz
Auch wenn das Geschäftsessen noch so angenehm verläuft, sollte der Unternehmer bis zur Bezahlung seine 7 Sinne beisammen halten, wenn die Bewirtungskosten steuerliche Anerkennung finden sollen. So erfordert bereits der Vorsteuerabzug bei Rechnungen von über 150 EUR die notwendige Angabe der bewirteten Person als Leistungsempfänger. Zur Sicherung des Betriebsausgabenabzugs gilt das auch für Selbstständige, die ansonsten mit Umsatzsteuer nichts zu tun haben (wie z. B. Ärzte).
10. Neue Erbschaftsteuer wieder verfassungswidrig!
Rechtslage
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die ehemalige Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt hatte, hat der Gesetzgeber zum 1.1.2009 ein - in Teilen schon wieder überarbeitetes - Erbschaftsteuergesetz in Kraft gesetzt. Allerdings war die Verfassungsmäßigkeit dieser Erbschaftsteuerreform von Anfang an umstritten. Denn auch nach neuem Recht wurden gleiche Vermögensgegenstände unterschiedlich steuerlich behandelt, nämlich einmal privilegiert (insbesondere als Betriebsvermögen) und einmal nicht (insbesondere im Privatvermögen). Außerdem wurden Verwandte erbschaftsteuerlich gleich behandelt mit fremden Dritten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nunmehr im ersten an ihn herangetragenen Fall zur Erbschaftsteuerreform das Bundesverfassungsgericht angerufen und in seinem Vorlagebeschluss deutlich gemacht, dass er auch die Erbschaftsteuerreform (zumindest in Teilen) für verfassungswidrig hält.
Sachverhalt
Dem Verfahren zugrunde lag der Fall eines Neffen, der anteilig Bargeld und einen Steuererstattungsanspruch geerbt hatte. Er wurde dem Nennwert seines Erwerbs mit dem Steuersatz eines fremden Dritten zur Erbschaftsteuer herangezogen. Hiergegen klagte er mit der Begründung, es sei verfassungswidrig, dass Verwandte mit dem gleichen Steuersatz und Freibetrag zur Erbschaftsteuer herangezogen würden wie fremde Dritte. Darüber hinaus sei es verfassungswidrig, dass sein Erwerb mit dem Nennwert bewertet werde, wenn es im Betriebsvermögensbereich Privilegierungsvorschriften für gleiche Vermögensarten gebe.
Entscheidung
Der BFH ist der Argumentation des Klägers in Teilen gefolgt. Die Gleichbehandlung von Verwandten und fremden Dritten in Bezug auf Steuersatz und Steuerfreibetrag hält der BFH für verfassungskonform. Dies liege insbesondere daran, dass Verwandte, die nicht der unmittelbaren Familie des Erblassers angehören, auch nicht in den Bereich des verfassungsmäßigen Schutzes der Familie fallen. Sehr wohl aber sei die Ungleichbehandlung von dem Grunde nach gleichen Vermögensarten verfassungswidrig. Diese werde dann erreicht, wenn Betriebsvermögen vorliege. Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Betriebsvermögens stelle eine verfassungsmäßig nicht zu rechtfertigende Überprivilegierung dar. Zudem seien die Betriebsvermögensprivilegierungen der Erbschaftsteuerreform geeignet, dem Grunde nach nicht privilegiertes Vermögen durch Gestaltungen erbschaftsteuerfrei zu übertragen.
Konsequenz
Mit seiner Entscheidung erklärt der BFH den Kern der Erbschaftsteuerreform für verfassungswidrig. In der seinerzeitigen Diskussion um die Reform waren es insbesondere die Betriebsvermögensprivilegierungen, die es auf jeden Fall zu erhalten galt, um den Unternehmensstandort Deutschland zu sichern. Es ist nun am Bundesverfassungsgericht, über das endgültige Schicksal der Erbschaftsteuer zu entscheiden. Aus Beratersicht wird man bei lebzeitigen Übertragungen mehr denn je auf Widerrufsklauseln setzen und Übertragungsvorgänge laufend überwachen müssen.
11. Suche nach Mitarbeitern zwischen "25 und 35" ist diskriminierend
Kernfrage
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen unter anderem wegen des Alters. Folge einer Diskriminierung ist die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs. Dieser Schutz beginnt im Arbeitsrecht bereits bei der Stellenausschreibung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob eine diskriminierende Stellenbeschreibung auch dann zu einem Entschädigungsanspruch führen kann, wenn der Arbeitgeber gar keinen Bewerber eingestellt hat.
Sachverhalt
Der beklagte Arbeitgeber hatte in einer Stellenausschreibung Arbeitnehmer "im Alter zwischen 25 und 35 Jahren" gesucht. Der 53jährige Kläger hatte sich daraufhin beworben, war aber nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden, obwohl er nach seiner Auffassung geeignet gewesen wäre. Der Kläger verlangte daraufhin Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung. Tatsächlich hatte der Arbeitgeber gar keinen Arbeitnehmer auf die Stellenausschreibung eingestellt und sogar einen älteren Arbeitnehmer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Der Kläger sei auch insbesondere deshalb nicht eingeladen worden, hieß es, weil er über 500 Kilometer weit weg wohne.
Entscheidung
Nachdem die Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, hob das BAG dieses Urteil auf und verwies zur erneuten Entscheidung zurück. Die Vorinstanz habe unzulässiger Weise angenommen, dass der Schadensersatzanspruch schon deshalb ausgeschlossen sei, weil kein anderer Bewerber eingestellt worden war. Diese Tatsache sei kein Ausschlussgrund einer Entschädigung. In der neuerlichen Verhandlung muss die Vorinstanz klären, ob der Bewerber objektiv geeignet gewesen wäre und tatsächlich eine Altersdiskriminierung vorgelegen hat.
Konsequenz
Die Entscheidung birgt Risiken für Arbeitgeber, weil nicht einmal wirtschaftliche Gründe für eine Nichteinstellung bei einer diskriminierenden Stellenausschreibung den Schadensersatzanspruch ausschließen. Aus diskriminierungsrechtlicher Sicht ist die Entscheidung konsequent, weil der Arbeitgeber ansonsten durch Nichteinstellung Schadensersatzansprüche unterlaufen könnte.
12. Verdeckte Sacheinlage bei doppelter Zahlung des Einlagebetrags
Kernaussage
Als verdeckte Sacheinlage wird eine Umgehung der Einlagevorschriften des GmbH- und Aktienrechts bezeichnet. Dabei vereinbaren die Parteien formell eine Bareinlagepflicht, erklären diese gegenüber dem Registergericht und zahlen die Barschuld ein. Tatsächlich besteht jedoch die Abrede, das eingezahlte Geld sofort nach Eintragung der Bargründung bzw. Barkapitalerhöhung gegen einen Vermögensgegenstand eines Gesellschafters durch Kaufvertrag auszutauschen. Schließlich hat die Gesellschaft nur Sachwerte, für die aber die gesetzlichen Publizitäts- und Bewertungsvorschriften umgangen wurden. Der Gesellschafter hat hingegen das eingezahlte Bargeld in Form des Kaufpreises zurückerhalten. Ein solches Austauschgeschäft ist nach der GmbH-Gesetzesnovelle nun nicht mehr nichtig, sondern bleibt gültig. Die Einlageschuld konnte zwar durch die erstmalige Zahlung nicht erfüllt werden, doch wird der Wert der verdeckten Sacheinlage auf die offene Einlageschuld angerechnet. Entsprach der Wert des Gegenstand der verdeckten Einlage also tatsächlich der Höhe der Bareinlageschuld, treffen den Gesellschafter keine negativen Konsequenzen. Blieb der Wert der Einlage dahinter zurück, so wird im Ergebnis eine Differenzhaftung angewendet. Hierzu entschied der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt folgendes: Zahlt ein Gesellschafter den Einlagebetrag nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein zweites Mal an die GmbH, verbunden mit der Anweisung, die Zahlung an ihn zur Tilgung aus einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch zurück zu überweisen, liegt darin eine verdeckte Sacheinlage in Form des Hin- und Herzahlens.
Sachverhalt
Die Beklagten sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die wiederum Alleingesellschafterin einer insolventen GmbH, war. Bereits vor Eintragung einer Kapitalerhöhung im Jahr 2000 gingen auf Konten der GmbH 2 Mio. DM mit dem Vermerk "T-Gruppe Stammkapitalerhöhung" ein. Eine von den Beklagten beherrschte KG hatte der GbR insoweit ein Darlehen gegeben. Bei Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses waren die 2 Mio. DM fast vollständig verbraucht. Später nahm die GbR ein Bankdarlehen über 2 Mio. DM auf und überwies die Summe an die GmbH mit Verwendungszweck "Stammeinlage". Am selben Tag überwies die GmbH den Betrag weiter an die KG um deren Darlehensforderung gegen die GbR zu tilgen. Nach Insolvenz der GmbH im Jahr 2007 klagte der Insolvenzverwalter gegen die Beklagten wegen Nichterbringung der Einlage und gewann vor dem Oberlandesgericht. Der BGH hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück.
Entscheidung
Die Voreinzahlung der GbR führte nicht zum Erlöschen der Einlageforderung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wurde aufgrund der Nichttilgung der Einlageverpflichtung trotz Zahlung die Bereicherungsforderung des Gesellschafters eingebracht. Dies stellt einen Fall der verdeckten Sacheinlage dar. Die GbR hat mit der zweiten Einzahlung zu verdecken versucht, dass sie ihre Bereicherungsforderung gegen die GmbH aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung als Sacheinlage eingebracht hat. Die nochmalige Zahlung des Einlagebetrags führte auch nicht zum Erlöschen, da dieser Betrag noch am selben Tag zurückfloss, da die Rückzahlung mittelbar auf Anweisung über die KG an die GbR erfolgte.
Konsequenz
Entscheidend ist vorliegend - und darüber muss nun auch das Oberlandesgericht erneut entscheiden - ob dem Gesellschafter der Nachweis gelingt, dass die eingebrachte Bereicherungsforderung bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung vollwertig war.
13. Kündigung trotz Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland?
Kernfrage
Betriebsbedingte Kündigungen sind in der Regel dann unzulässig, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem auch geringwertigeren Arbeitsplatz beim Arbeitgeber, eventuell auch in einem anderen Betrieb des Arbeitgebers, besteht. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte nun zu klären, ob dieser Grundsatz auch dann zur Anwendung gelangen muss, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem Betrieb des Arbeitgebers im Ausland besteht.
Sachverhalt
Die portugiesische Klägerin war langjährig in Deutschland in der Produktion beschäftigt. Die Vorfertigung erfolgte in einem Betrieb des Arbeitgebers in Tschechien. Nachdem der Arbeitgeber beschlossen hatte, die Produktion insgesamt nach Tschechien zu verlegen und das deutsche Werk stillzulegen, kündigte er den Mitarbeitern in Deutschland. Mit ihrer Kündigungsschutzklage machte die Klägerin geltend, der Arbeitgeber habe ihr zunächst eine Arbeitsstelle in Tschechien anbieten müssen.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Das Angebot zur Weiterbeschäftigung in Tschechien habe nicht erfolgen müssen, da Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes nur wirtschaftlich selbstständige Einheiten im Inland, also dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, seien.
Konsequenz
Mit der Entscheidung liegen nunmehr 2 landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen vor, die eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit alleine im Inland sehen. Eine abweichende Auffassung vertritt das Landesarbeitsgericht Hamburg; jedenfalls in einem Einzelfall. Ob die Entscheidung dazu genutzt wird, die Rechtslage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären zu lassen, ist noch offen.
14. Zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausapotheken
Kernaussage
Krankenhaus- und ärztliche Heilbehandlungen sind regelmäßig von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt ebenso für die hiermit eng verbundenen Umsätze. Häufig ist streitig, ob Leistungen noch als eng verbundene Umsätze zu qualifizieren sind.
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb ein Krankenhaus, in dem Krebspatienten stationär sowie ambulant mittels Chemotherapie behandelt wurden. Ambulante Behandlungen wurden darüber hinaus auch von den angestellten Krankenhausärzten ausgeführt, die hierzu persönlich ermächtigt waren. Die anlässlich der Behandlungen verabreichten Zytostatika, wurden in der von der Klägerin betriebenen Krankenhausapotheke hergestellt. Während die Lieferung der Zytostatika für stationäre Behandlungen unstreitig steuerfrei war, versagte das Finanzamt die Steuerfreiheit, soweit die Verabreichung im Rahmen der ambulanten Behandlungen erfolgte. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegen insoweit keine steuerbefreiten "eng verbundenen Umsätze" vor.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zur Klärung des Falles dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die folgenden Fragen zur Entscheidung vorgelegt: Kommen nur Dienstleistungen als eng verbundene Umsätze in Betracht, so dass die Lieferung von Medikamenten nicht steuerbefreit wäre? Sofern dies nicht zutrifft, steht es der Steuerbefreiung entgegen, wenn der eng verbundene Umsatz nicht durch den Unternehmer erbracht wird, der auch die steuerfreie Krankenhaus- bzw. ärztliche Heilbehandlung durchführt? Im Fall betraf dies die ambulanten Behandlungen durch die angestellten Krankenhausärzte, die insoweit selbst als Unternehmer auftraten. Falls eine Steuerbefreiung nach der vorstehenden Frage zulässig ist, scheitert die Steuerbefreiung daran, dass die maßgebliche Befreiungsvorschrift der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) nicht explizit die Befreiung eng verbundener Umsätze aufführt? Soweit die Krankenhausapotheke im Wettbewerb zu gewerblichen Apotheken steht, sieht der BFH keinen Anlass, die Steuerbefreiung zu versagen, sofern die Krankenhausapotheke nicht auch andere Kliniken beliefert.
Konsequenz
Es ist zu erwarten, dass der EuGH nun grundsätzliche Aussagen zu den Voraussetzungen für die Annahme steuerbefreiter eng verbundener Umsätze treffen muss, die auch in anderen Fällen von Bedeutung sein werden. Betroffene Unternehmen müssen prüfen, ob sie die Veranlagungen unter Verweis auf das Urteil offen halten müssen. Gegebenenfalls wird das Urteil des EuGH den Wettbewerbsnachteil für gewerbliche Apotheken, deren Lieferungen von Zytostatika an Krankenhäuser steuerpflichtig sind, beseitigen.
15. Voranmeldungen: Verspätungszuschläge bei fehlender Authentifizierung
Kernaussage
Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen sind schon seit längerer Zeit elektronisch an das Finanzamt zu übertragen. Ab dem 1.1.2013 muss die Übertragung mit einem Sicherheitszertifikat, d. h. authentifiziert erfolgen. Hierzu ist eine Registrierung im Elster Online-Portal erforderlich. Übertragungen ohne Zertifikat sind dann nicht mehr möglich.
Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Koblenz weist in einer neuen Pressemitteilung darauf hin, dass das authentifizierte Verfahren alle Voranmeldungen betrifft, die ab dem 1.1.2013 übertragen werden. Somit sind z. B. auch schon die Voranmeldungen für Dezember 2012 hiervon betroffen, bei Dauerfristverlängerung auch die Umsatzsteuervoranmeldung für November 2012.
Praxisfolgen
Ist die notwendige Registrierung bis zur Abgabefrist nicht erfolgt, so ist eine rechtzeitige Übermittlung der Voranmeldungen nicht mehr möglich. Die Unternehmer müssen dann mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags rechnen, der bis zu 10 % der festgesetzten Steuer betragen kann. Unternehmen, die ihre Voranmeldungen selbst erstellen, sollten sich daher frühzeitig registrieren lassen, um Verspätungszuschläge zu vermeiden. Die OFD geht davon aus, dass die Registrierung bis zu 14 Tage dauern kann. Hilfen zur Registrierung finden sich unter www.fin-rlp.de/elster.
16. Photovoltaikanlagen: Umsatzsteuerliche Folgen eines Betreiberwechsels
Kernaussage
Es klingt schwer nachvollziehbar, doch nicht jeder Unternehmer freut sich über reichliche Erträge aus Photovoltaikanlagen. Ursächlich hierfür ist, dass aufgrund der Erträge manchen Unternehmern Kürzungen der Rente oder der Sozialleistungen drohen. Um dies zu verhindern, wird häufig versucht, die Anlage auf den Ehepartner oder andere Familienangehörige zu übertragen.
Neue Verwaltungsanweisung
Das Bayerische Landesamt für Steuern weist nun darauf hin, dass eine Übertragung der Unternehmereigenschaft nur für die Zukunft, nicht jedoch rückwirkend möglich ist. Hierzu ist notwendig, dass sich eine andere Person gegenüber dem Netzbetreiber vertraglich zur Lieferung des Stroms verpflichtet. Das Eigentum an der Photovoltaikanlage muss dabei nicht zwingend übertragen werden. Neben einer ent- bzw. unentgeltlichen Übertragung kann die Anlage auch verpachtet oder unentgeltlich überlassen werden.
Konsequenz
Ist ein Wechsel des Betreibers einer Anlage geplant, so sind neben den ertrag- auch die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der dargestellten Alternativen zu betrachten. Wird die Anlage ent- oder unentgeltlich übertragen, so handelt es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. Die Verpachtung ist hingegen steuerpflichtig, da es sich bei der Photovoltaikanlage um eine Betriebsvorrichtung handelt. Wird die Anlage dagegen dauerhaft dem neuen Unternehmer unentgeltlich zur Nutzung überlassen, so behandelt die Finanzverwaltung dies als steuerpflichtige Entnahme der Photovoltaikanlage. Von letzterer Alternative kann aus umsatzsteuerlich Sicht daher nur abgeraten werden.
17. Rechtsstellung des atypisch stillen Gesellschafters einer insolventen GmbH & Co. KG
Kernaussage
Ist der atypisch stille Gesellschafter im Innenverhältnis dem Kommanditisten gleichgestellt, sind seine Ansprüche, insbesondere auf Einlagenrückgewähr bzw. aus dem Auseinandersetzungsguthaben, in der Insolvenz der Inhaberin nachrangig.
Sachverhalt
Die Klägerin beteiligte sich 2007 für die Dauer von 4 Jahren mit einer Einlage von 750.000 EUR als atypisch stille Gesellschafterin an dem Handelsgewerbe einer GmbH & Co. KG. Die Klägerin war sowohl am Gewinn als auch am Verlust beteiligt. Bestimmte Grundlagengeschäfte der GmbH & Co. KG wirkten gegenüber der Klägerin nur mit deren Zustimmung; ihr waren weitgehende Informations- und Kontrollrechte eingeräumt. Im Innenverhältnis sollte das Vermögen der Gesellschaft wie gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden, insbesondere sollte sich die Beteiligung der Klägerin auf die offenen und stillen Reserven der Gesellschaft erstrecken. Zur Sicherung des Auseinandersetzungsguthabens trat die GmbH & Co. KG sämtliche Kundenforderungen an die Klägerin ab. Im März 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser vertrat die Auffassung, dass die Ansprüche der Klägerin nachrangig seien und sie nicht zur abgesonderten Befriedigung gegenüber der Masse berechtig sei. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Die atypisch stille Beteiligung der Klägerin an der GmbH & Co. KG ist gemäß dem Beteiligungsvertrag der Stellung eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert. Dies hat zur Folge, dass der Nachrang der Ansprüche in der Insolvenz der GmbH & Co. KG jedenfalls dann eintreten kann, wenn zum Einen im Innenverhältnis das Vermögen der GmbH & Co. KG und die Einlage des Stillen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden. Zum Anderen, wenn die Gewinnermittlung wie bei einem Kommanditisten stattfindet, die Mitwirkungsrechte des Stillen zumindest schuldrechtlich der Beschlusskompetenz eines Kommanditisten in Grundlagenangelegenheiten gleich kommen und die Informations- und Kontrollrechte des Stillen denen eines Kommanditisten nachgebildet sind. Mit dem Nachrang der Forderung konnte die Klägerin aus der Globalabtretung der Kundenforderungen kein Absonderungsrecht herleiten.
Konsequenz
Das Urteil verdeutlicht die Risiken des atypisch stillen Gesellschafters im Innenverhältnis, wonach seine Einlage wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entspricht. Bei dem Entwurf des Gesellschaftsvertrages sollte daher darauf geachtet werden, inwieweit der atypisch stille Gesellschafter dem Kommanditisten gleichgestellt ist.
18. Verböserungsverbot heißt nicht "Änderungsverbot"
Im finanzgerichtlichen Rechtsstreit gilt das so genannte "Verböserungsverbot". Das bedeutet, dass das Finanzgericht die streitige Steuer nicht heraufsetzen darf. Damit kann sich jedenfalls keine "Verschlechterung" durch das gerichtliche Verfahren ergeben. Dieses finanzgerichtliche Verböserungsverbot hindert das Finanzamt indes nicht an der nachfolgenden Änderung eines Steuerbescheids.
Sachverhalt
Das klagende Ehepaar war gemeinsam in einer GmbH tätig, wobei der Ehemann Geschäftsführer und die Ehefrau Prokuristin war. Aufgrund einer Außenprüfung erhöhten sich die steuerpflichtigen Einkünfte der Ehefrau für die Jahre 1997 - 2003. Diese Erhöhungen wurden den verschiedenen Jahren vom Finanzamt zunächst falsch zugeordnet. Im hierüber geführten Rechtsstreit reduzierte das Finanzgericht die Steuerlast in fast allen Jahren. Nur hinsichtlich des Jahres 2002 wurde die Klage abgewiesen. Zudem wies das Finanzgericht darauf hin, dass im Jahr 2002 weitergehende Einkünfte zu versteuern gewesen wären, die das Finanzamt allerdings anderen Jahren zugeordnet hatte. Wegen des sogenannten Verböserungsverbots sah sich das Gericht allerdings gehindert, den Bescheid zum Nachteil der Steuerpflichtigen zu ändern. Nach Prozessende änderte sodann das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2002 entsprechend ab und erhöhte die Steuerlast im vom Finanzgericht beschriebenen Sinne. Hiergegen richtete sich die neuerliche Klage, mit der die Eheleute schließlich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) unterlagen.
Entscheidung
Die Richter befanden die Änderung durch das Finanzamt nach durchgeführtem Rechtsstreit für zulässig. Stünde dem Finanzamt eine Änderungsnorm als Ermächtigungsgrundlage zu Gebot, sei es durch einen zuvor über dasselbe Jahr geführten Rechtsstreit nicht an der Änderung gehindert. Anders als das Finanzgericht unterliege das Finanzamt keinem Verböserungsverbot. Während das Finanzgericht im Verfahren nur den streitigen Steuerbescheid beurteilen und dessen Belastungswirkung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausweiten dürfe, eröffne eine Änderungsnorm gerade diese Möglichkeit. Die Frage, ob die Änderung zulässig sei, sei allein anhand der Tatbestandsmerkmale der Änderungsnorm zu beantworten.
Konsequenz
Ist ein Finanzgericht wegen des Verböserungsverbots im Rahmen eines Rechtsstreits gehindert, den streitbefangen Bescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen zu ändern, hindert dies das Finanzamt nicht, nach Beendigung des Rechtsstreits aufgrund entsprechender Änderungsnormen aktiv zu werden. Das Finanzamt unterliegt dem Verböserungsverbot grundsätzlich nicht.
19. Übertragung einer Direktversicherung in der Insolvenz
Kernaussage
Das deutsche Insolvenzrecht wird vom Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger beherrscht. Dieses Prinzip wird jedoch häufig durchbrochen; es gibt zum Beispiel so genannte aussonderungsberechtigte Gläubiger. Mit der Aussonderungsberechtigung kann der Gegenstand dem Insolvenzverfahren insgesamt entzogen werden. Zur Aussonderung berechtigen insbesondere Eigentum, Besitz und Erbschaftsansprüche. Im Rahmen des insolvenzrechtlichen Aussonderungsrechts hatte sich das Bundesarbeitsgericht zuletzt mit der Frage nach der Übertragung einer Direktversicherung in der Insolvenz des arbeitgebenden Unternehmens zu befassen: hat der Arbeitgeber zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung abgeschlossen und dem Arbeitnehmer ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, steht dem Arbeitnehmer in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Aussonderungsrecht an der Versicherung zu, wenn der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht wirksam widerrufen hat.
Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer war von 1998 bis 2005 bei dem später insolventen Arbeitgeberunternehmen beschäftigt. Dieses sagte dem Arbeitnehmer im August 1999 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu. Dazu schloss der Arbeitgeber eine Direktversicherung ab und räumte dem Arbeitnehmer ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers widerrief der beklagte Insolvenzverwalter gegenüber der Versicherungsgesellschaft das Bezugsrecht. Der Arbeitnehmer hielt den Widerruf des Bezugsrechts für unwirksam und nahm den Insolvenzverwalter auf Übertragung der Versicherung in Anspruch. Hilfsweise verlangte er im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der an die Versicherung gezahlten Beiträge, zumindest aber Zahlung des Rückkaufswerts der Versicherung.
Entscheidung
Die Klage blieb erfolglos. Der Widerruf des Bezugsrechts durch den Insolvenzverwalter war wirksam, da die Unverfallbarkeitsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs nicht abgelaufen war. Der Insolvenzverwalter war auch nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber im Wege des Schadensersatzes die Beiträge für die Direktversicherung oder den Rückkaufswert der Versicherung zu erstatten. Den Ersatz eines Versorgungsschadens hat der Kläger nicht verlangt. Deshalb musste das Gericht nicht zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Kläger berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen, noch kam es darauf an, ob ein Schadensersatzanspruch wegen eines zu Unrecht erklärten Widerrufs des Bezugsrechts eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist.
Konsequenz
Die Zulässigkeit des Widerrufs richtet sich allein nach der versicherungsrechtlichen Rechtslage im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung, nicht nach den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Verstößt der Insolvenzverwalter mit dem Widerruf des Bezugsrechts gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, so kann dies grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen. Dieser ist jedoch weder auf Erstattung der Beiträge zur Direktversicherung noch auf Zahlung des Rückkaufswerts gerichtet, sondern auf Ausgleich des Versorgungsschadens.
20. EuGH zur Umsatzsteuer bei Grundstücksverkäufen
Kernaussage
Der Verkauf von Grundstücken ist in Deutschland gemäß des geltenden EU-Rechts umsatzsteuerlich zwar grundsätzlich steuerbar, in der Regel aber steuerbefreit. Nicht-landwirtschaftliche Umsätze außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs unterliegen auch bei pauschalierenden Landwirten grundsätzlich der Regelbesteuerung.
Sachverhalt
Ein pauschalierender Landwirt überführte ein Grundstück, das aufgrund des seinerzeit geltenden Flächennutzungsplans als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen war, in sein Privatvermögen. Anschließend wurde - ohne sein aktives Zutun - der Flächennutzungsplan geändert, wodurch das Grundstück zu Bauland wurde. Um es besser verkaufen zu können, parzellierte der Landwirt das Grundstück in mehrere Einzelparzellen und begann, diese zu veräußern. Das zuständige Finanzamt sah in dem Verkauf eine nachhaltige, wirtschaftliche Tätigkeit, die sowohl nach europäischem, als auch nach nationalem Recht ein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang sei. Hiergegen klagte der Landwirt schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Entscheidung
Der EUGH entschied, dass - unabhängig vom Merkmal des pauschalierenden Landwirts -, durch den Verkauf des Grundstücks grundsätzlich kein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang entsteht, solange dieser im Rahmen der Verwaltung des Privatvermögens erfolgt. Denn der Verkauf eines Grundstücks stellt dem Grunde nach keine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Diese Feststellung ist unabhängig von Zahl und Umfang der getätigten Verkäufe, sodass auch eine vorherige Parzellierung zunächst unschädlich ist. In Abgrenzung zu den umsatzsteuerfreien Verkäufen im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung stellte der EUGH allerdings fest, dass eine steuerpflichtige Tätigkeit dann vorliegt, wenn der Verkäufer "aktive Schritte" zum Vertrieb des Grundstücks vornimmt. Indizien für eine solche Aktivität können z. B. die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung oder die Anlage von Straßen und Abwasserkanälen sein. Ferner die Einschaltung eines Bauträgers, eine Veräußerung von Bauparzellen in Verbindung mit Architektenleistungen und Betreuungsbindung oder aber die unentgeltliche Übertragung von Grundstücken an die Gemeinde für die Anlegung von Straßen.
Konsequenz
Während nach geltendem, europäischen Recht der Verkauf von Grundstücken nur dann umsatzsteuerpflichtig ist, wenn dies nicht im Rahmen der Vermögensverwaltung geschieht, ist der Verkauf von Grundstücken in Deutschland gemäß nationalem Recht grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Das Urteil ist somit insbesondere auf EU-Ebene relevant und stärkt dort die Rechte privater Grundstücksverkäufer. In Abgrenzung zur Umsatzsteuer sei allerdings darauf hingewiesen, dass der Verkauf von Grundstücken nach nationalem, deutschen Steuerrecht zwar umsatzsteuerfrei ist, jedoch entweder aufgrund des Umfangs ("3 Objektgrenze") oder aber aufgrund einer "aktiven Verkaufsförderung" wohlmöglich als gewerblicher Grundstückshandel zu bewerten ist. Hierdurch können sich unter Umständen ertrag- und gewerbesteuerliche Konsequenzen für den Verkäufer ergeben. Insbesondere in Hinblick auf die im Vorfeld eines Verkaufs ergriffenen Maßnahmen zeigt die Praxis allerdings, dass es erhebliche Unterschiede bezüglich deren Bewertung gibt. Ob und welche Maßnahme für sich oder im Bündel schädlich ist, hängt maßgeblich vom jeweiligen Einzelfall ab, sodass im Falle entsprechender Verkäufe stets ein erhebliches Steuerrisiko entsteht, welches unbedingt vor Beginn der Verkaufsaktivität zu klären ist.
21. Abgrenzung: Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb
Kernaussage
In der Praxis ist oftmals die Einkünftequalifizierung für Personengesellschaften, die eigene und fremde landwirtschaftliche Flächen bewirtschaften, nicht ganz einfach. Das Finanzgericht Sachsen-Anhalt setze sich nun mit der Abgrenzung zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb und solchen aus Land- und Forstwirtschaft auseinander.
Sachverhalt
Ein Vater und sein Sohn gründeten eine atypische stille Gesellschaft, die neben originär landwirtschaftlichen Einkünften aus der Bewirtschaftung der eignen Flächen auch noch Einkünfte aus der Erbringung von Lohnarbeiten sowie dem Verkauf von Diesel an fremde Dritte erzielte. Die Erlöse aus der Fremdbewirtschaftung und dem Dieselverkauf überstiegen allerdings die zur Abgrenzung von Land- und Forstwirtschaft zu einem Gewerbebetrieb wesentliche absolute Umsatzgrenze von 51.500 EUR. Zwischen den Eigentümern der fremdbewirtschafteten Flächen und der Gesellschaft bestanden zudem Vereinbarungen, aufgrund derer die Eigentümer der fremden Flächen am Gewinn der Gesellschaft beteiligt waren. Daher argumentierten Vater und Sohn gegenüber dem Finanzamt, das wegen der überwiegend gewerblichen Tätigkeit eine Umqualifizierung der landwirtschaftlichen in gewerbliche Einkünfte vorgenommen hatte, dass die Eigentümer der fremdbewirtschafteten Flächen als Mitgesellschafter anzusehen seien und die (Fremd-)arbeiten folglich im Rahmen des eigenen, landwirtschaftlichen Betriebs erbracht würden.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab allerdings dem Finanzamt Recht und verwies in seiner Begründung darauf, dass gewerbliche Tätigkeiten bzw. Dienstleistungen im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes grundsätzlich nur dann begünstigt werden, wenn diese im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht und die entsprechenden Grenzen eingehalten werden. An diesem Grundsatz seien "auch Vereinbarungen zwischen Landwirten [ … ], die Elemente eines Gesellschafts-, Pacht-, Ernteteilungs- oder Bewirtschaftungsvertrages enthielten" zu messen.
Konsequenz
Eine Umqualifizierung vormals landwirtschaftlicher Einkünfte in gewerbliche Einkünfte hat insbesondere für Personengesellschaften gravierende ertrag-, sowie bilanz- und umsatzsteuerliche Konsequenzen (z. B. Aktivierung des Feldinventars/umsatzsteuerliche Regelbesteuerung). Eine Umqualifizierung ist im Regelfall jedoch nicht das Ergebnis einer plötzlichen Änderung des Geschäftsbetriebes, sondern vielmehr die Konsequenz eines längeren Prozesses, in dessen Verlauf der Umfang "schädlicher" Aktivität sukzessive zunimmt - oftmals ohne dass dies bewusst wahrgenommen wird. Daher sollten die ausgeführten Aktivitäten fortlaufend auf ihre mögliche "Schädlichkeit" hin überprüft werden. Falls der Umfang der schädlichen Aktivitäten eine kritische Größe erreicht, sollten frühzeitig Maßnahmen getroffen werden, die eine gewerbliche "Infektion" des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes verhindern. Dabei ist im Sinne einer möglichst hohen Rechtssicherheit darauf zu achten, dass (gesellschafts-)rechtliche Konstruktionen gewählt werden, die aufgrund ihrer Eindeutigkeit und Klarheit einer kritischen Überprüfung - etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung - standhalten.
22. In gemischten Sozietäten haften alle Gesellschafter
Kernaussage
Eine gemischte Sozietät, die aus Rechtsanwälten und Steuerberatern besteht, muss stets über die Erfolgsaussichten eines von einem Mandanten beabsichtigten Rechtsstreits aufklären. Dies gilt auch dann, wenn der Mandant eine Rechtsanwalts GmbH ist, deren Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der beauftragten Sozietät sind. In diesem Zusammenhang stellte der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt erstmals klar, dass für eine Verletzung anwaltlicher Beratungspflichten nicht nur die Rechtsanwälte der Sozietät persönlich und unbeschränkt haften. Die Haftung erstreckt sich auch auf die Gesellschafter, die Steuerberater sind.
Sachverhalt
Im Streitfall wurde eine aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bestehende Sozietät (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) wegen Schadensersatzansprüchen aus anwaltlicher Falschberatung in Anspruch genommen. Das Beratungsmandat war von einer GmbH erteilt worden, deren Gesellschafter und Geschäftsführer selbst Rechtsanwälte und Mitglieder der mandatierten Sozietät waren. Der BGH entschied, dass neben dem Gesellschaftsvermögen der GbR sämtliche Sozien persönlich haften.
Entscheidung
Aus der eigenständigen Rechtspersönlichkeit der GbR folgt, dass eine Sozietät selbst Partei eines Beratungsvertrags sein kann. Dabei kann sich auch eine gemischte Sozietät, bestehend aus Rechtsanwälten sowie Mitgliedern anderer Berufsgruppen, zur Erbringung anwaltlicher Beratungsleistungen verpflichten. Daraus folgt, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter für Regressverbindlichkeiten der GbR für alle Gesellschafter gilt, also auch für diejenigen, die die geschuldete Beratung nicht selbst vornehmen dürfen. Damit hat der BGH seine frühere Rechtsprechung, nach der die Haftung auf diejenigen Sozien beschränkt war, die in eigener Person berufsrechtlich zur Mandatsbearbeitung befugt sind, aufgegeben. Einem Anwaltsvertrag kann nicht die stillschweigende Vereinbarung entnommen werden, dass die Haftung berufsfremder Gesellschafter ausgeschlossen sein soll. Dazu bedarf es einer konkreten Erklärung. Zulässig ist daher eine Haftungsbeschränkung durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf Sozien, die das betreffende Mandat selbst bearbeiten.
Konsequenz
Bei interprofessionellen Sozietäten, die aus Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehen, haften die Steuerberater-Gesellschafter auch für berufliche Fehler, die im Rahmen eines Rechtsberatungsmandats begangen werden. Es haftet also auch der Steuerberater für die Verletzung der anwaltlichen Beratungspflichten seines Mitgesellschafters, der Rechtsanwalt ist. Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Berater erhebliche Haftungsgefahren birgt. Ferner ergeben sich aus der Entscheidung Konsequenzen für den Versicherungsschutz der in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwälte und Steuerberater. Abhilfe könnte hier der Gesetzesentwurf einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung (PartG mbH) schaffen, der eine Haftungsbeschränkung auf das Vermögen der GbR vorsieht. Über den Entwurf berät zurzeit der Bundestag.
23. Voraussetzungen der Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids
Kernaussage
Die Verbindlichkeit eines Gesellschafters wegen der Inanspruchnahme aus einer zugunsten seiner Gesellschaft abgegebenen Bürgschaft stellt nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung dar. Sie ist grundsätzlich mit dem Nennbetrag bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Eine zinslose Stundung bleibt insoweit unberücksichtigt.
Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH. Für deren Verbindlichkeiten verbürgte er sich durch Verträge aus den Jahren 1995 und 1997. Im Jahre 1998 wurde der Gesellschafter i. H. v. 800.000 DM aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Nachdem im Jahr 1999 die Löschung der Gesellschaft vollzogen worden war, erließ der Gläubiger dem Gesellschafter einen Teil seiner Haftungsschuld i. H. v. 600.000 DM. Der Kläger haftete mithin nur noch für einen Betrag i. H. v. 200.000 DM. Diese sollten in 10 gleichen Jahresraten i. H. v. je 20.000 DM an den Gläubiger zu zahlen sein. Für das Jahr der Löschung der Gesellschaft beantragte der Kläger die Feststellung eines Verlustes i. H. v. 154.900 DM, wobei er die Verbindlichkeit i. H. v. 200.000 DM wegen der Stundung abzinste. Der Verlust wurde in der begehrten Höhe festgestellt. Im Jahr 2007 wurde die Stundungsabrede verlängert, so dass sich der Betrag der Abzinsung veränderte. Daraufhin erließ das Finanzamt geänderte Verlustfeststellungsbescheide. Hiergegen richtet sich die Klage.
Entscheidung
Das Finanzgericht Köln entschied, dass das Finanzamt nicht befugt sei, den Verlustfeststellungsbescheid zu ändern. Zwar sei der Veräußerungsgewinn aus einer Beteiligung stichtagsbezogen zu ermitteln, so dass nachträgliche Erhöhungen oder Reduktionen durchaus die Änderung des Steuerbescheides erlauben können; allerdings sei die Verpflichtung aus der Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten mit dem Nennbetrag anzusetzen. Ungeachtet der Frage, ob und über welchen Zeitraum die Verbindlichkeit also gestundet werde, hätte sie mit ihrem Nennbetrag - also 200.000 DM - in die Verlustfeststellung einfließen können. Hieran ändere auch die nachträgliche verlängerte Stundung nichts.
Konsequenz
Bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes auf Grundlage von übernommenen Bürgschaften sind die Verbindlichkeiten aus den Bürgschaften stets mit ihrem Nennbetrag zu berücksichtigen. Die Frage, ob und wie lange diese Verbindlichkeit gestundet wird, spielt hierbei keine Rolle.
24. Neues zum Vorsteuerabzug aus Photovoltaikanlagen
Kernaussage
Der Vorsteuerabzug aus Photovoltaikanlagen war schon immer streitig. In den letzten Jahren drehte sich die Diskussion insbesondere um die Frage, inwieweit Vorsteuer aus Aufwendungen an den Gebäuden, auf die die Photovoltaikanlagen aufgebracht werden, abgezogen werden kann.
Sachverhalt
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in der letzten Zeit in mehreren für die Steuerpflichtigen günstigen Urteilen zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen Stellung bezogen. Die Finanzverwaltung ist der neuen Sichtweise des BFH gefolgt und hat den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) angepasst. Wichtige Details blieben aber unklar. Das Bayerische Landesamt für Steuern hat sich nun mit den Einzelheiten befasst.
Neue Verwaltungsanweisung
Das Bayerische Landesamt für Steuern bestätigt die grundsätzliche Neuausrichtung des BFH, wonach ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Gebäude und der aufgebrachten Photovoltaikanlage besteht. Dieser ist Voraussetzung für einen möglichen Vorsteuerabzug. Vorsteuer aus der Errichtung bzw. Anschaffung des Gebäudes selbst kann (anteilig) dann geltend gemacht werden, wenn das Gebäude zu mindestens 10 % unternehmerisch genutzt wird. Als Maßstab für die Ermittlung der unternehmerischen Nutzung als auch für eine ggf. notwendige Aufteilung der Vorsteuer verlangt das Bayerische Landesamt für Steuern den Ansatz des Verhältnisses der fiktiven Vermietung der Photovoltaikanlage zu der des gesamten Gebäudes. Das Bayerische Landesamt für Steuern gibt hier im Gegensatz zum Umsatzsteueranwendungserlass Hinweise zur Ermittlung der fiktiven Mieten. Wird das Dach eines Gebäudes mit Photovoltaikanlage saniert, so ist die Vorsteuer grundsätzlich in Höhe der unternehmerischen Nutzung der Dachfläche abzugsfähig. Nur wenn die Sanierung aus statischen Gründen zwecks Aufbringung der Photovoltaikanlage nötig ist, berechtigt dies zum vollen Vorsteuerabzug.
Konsequenzen
Das Bayerische Landesamt für Steuern folgt der BFH-Rechtsprechung. Betreiber von Photovoltaikanlagen sollten die dargestellten Grundsätze beachten. Fraglich ist allerdings, ob den Vorgaben des Landesamts hinsichtlich der Aufteilung der Vorsteuer zwingend gefolgt werden muss. Zwar hat der BFH die fiktiven Mieten als Maßstab vorgegeben. Es ist aber nicht ersichtlich, wieso nicht auch die tatsächlichen Erlöse der Photovoltaikanlage in die Berechnung einfließen könnten. Deren Ansatz dürfte i. d. R. zu einem höheren Vorsteuerabzug führen. Wer jedoch Diskussionen mit dem Fiskus vermeiden möchte, sollte die Vorgaben beachten. Sofern eine Sanierung des Daches Voraussetzung für die Aufbringung der Photovoltaikanlage ist, ist dies zu dokumentieren, um den vollen Vorsteuerabzug zu erhalten.
25. Unrichtigkeit des Grundbuchs bei Gesamtrechtsnachfolge
Kernaussage
Die Umschreibung der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerstellung bedarf der Bewilligung des Betroffenen oder aber eines Unrichtigkeitsnachweises. Dieser Nachweis ist durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu erbringen und unterliegt strengen Anforderungen. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge durch Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile an einer Kommanditgesellschaft (KG) auf einen Erwerber kann der Nachweis durch notariell beglaubigte Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft und des Erlöschens der Firma durch alle Gesellschafter geführt werden, da sich hieraus die zugrunde liegende Rechtsänderung ergibt.
Sachverhalt
Durch Übertragungs- und Abtretungsvertrag brachten alle Gesellschafter einer AG & Co. Grundstücksgesellschaft ihre Beteiligungen in eine personengleiche AG & Co. KG ein, in deren Hand sich die Beteiligungen vereinigten. Damit hatte sich die Grundstücksgesellschaft aufgelöst und das Erlöschen der Firma wurde im Handelsregister eingetragen. Mit notariell beglaubigtem Grundbuchberichtigungsantrag beantragte die Erwerberin das Eigentum an den im Grundbuch eingetragen Grundstücken umzuschreiben. Das Amtsgericht wies den Berichtigungsantrag zurück, weil es eine Auflassung für erforderlich hielt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
Entscheidung
Die Beschwerde ist begründet. Die Beteiligten haben die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen. Übertragen Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (oHG) oder KG sämtliche Geschäftsanteile auf einen Erwerber, wird dieser als Gesamtrechtsnachfolger Inhaber des Gesellschaftsvermögens, wobei die Gesellschaft erlischt. Eine Auflassung ist also auch bei einer Übertragung von einer KG auf eine personengleiche KG tatsächlich unmöglich, da die übertragende KG nicht mehr existent ist. Anhand des vorgelegten notariell beglaubigten Handelsregisterantrags, der beglaubigten Abschrift des Übertragungs- und Abtretungsvertrages und des Handelsregisterauszugs hat das Grundbuchamt eine entsprechende rechtliche Würdigung vorzunehmen, so dass der Unrichtigkeitsnachweis erbracht ist.
Konsequenz
An den Unrichtigkeitsnachweis sind zu Recht strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und dieser schutzbedürftig ist. Vorliegend hatte das Grundbuchamt aber den Bogen überspannt und etwas rechtlich Unmögliches gefordert.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Schenk
KANZLEI SCHENK BERLIN
Berlin, den 16.11.2012