Die Urlaubszeit ist nicht immer nur mit Freude, sondern häufig auch mit Stress verbunden. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Stress. Hierbei handelt es sich i.d.R. um einen anderen Stress, als denjenigen, den wir so kennen. Einerseits gibt es den sogenannten Distress. Den negativen Stress, den wir oft durch Arbeit, Schule oder Studium empfinden. Daneben gibt es den Eustress. Den Stress der mit positiven Dingen, wie z. B. mit Urlaub, Ferien, Freizeitaktivitäten, Urlaubsreisen, verbunden ist. Wenn das Stressgefühl, dass mit positiven Dingen verbunden ist, überhandnimmt oder wir nicht gut für uns sorgen, kann das genau wie der Distress  negative Folgen haben. Tätigkeiten wie Kofferpacken für eine langersehnte Reise, Freizeitstress, viele geplante Termine, weil endlich mal Zeit ist, Freunde und Familie zu treffen, können zu negativem Stressempfinden führen und die Freude kann umschlagen. Auch wenn Eustress ähnliche Folgen haben kann, wie Distress. Es ist möglich, sich gut vorzubereiten und gut für sich zu sorgen um stressfrei zu bleiben. Wir sind keine Opfer, die dem Stress oder dem Stressempfinden unterliegen, wir können selbst handeln und zu Tätern werden. Indem wir vorab oder auch noch währenddessen, dafür sorgen, dass es uns gut oder schnell wieder besser geht.

Vor dem Urlaub / Bei der Planung

Delegieren / gute Verteilung der Aufgaben

Viel zu selten nehmen wir die Möglichkeit  in Anspruch, Unterstützung einzufordern. Wenn man Mitreisende hat, ist es hilfreich im Vorfeld bereits die Organisation gut aufzuteilen. Das heißt, zu besprechen, wer welche Aufgaben übernimmt. Eine klare, gerechte Aufteilung, unter den Beteiligten. Scheuen Sie sich nicht, eine solche Verteilung aktiv zu initiieren, wenn Sie sich die Frage stellen, wieso Sie die Person sind, die alleine für alles verantwortlich ist. Auch als allein reisende Person ist es erlaubt, sich Unterstützung zu erfragen. Familienmitglieder oder Freunde können zur Hilfe gebeten werden.

Harte Deadlines auflösen

Häufig setzen wir uns bis zum Urlaub, eine harte Grenze. Wir reden uns ein, dass bis zum Tag X alles fertig sein muss. Es ist ratsam zu reflektieren, inwiefern es sich hier um selbstauferlegte Verpflichtungen handelt. Stellen Sie sich gerne mal folgende Fragen:

  • Muss denn wirklich vorher alles fertig sein? Wer sagt das?
  • Welche Dinge kann ich bewusst auf nach den Urlaub legen?
  • Wieso ist es so wichtig, dass vorher alles fertig ist?
  • Was passiert denn schlimmstenfalls, wenn ich dieses oder jenes noch liegen lasse?

Wir haben es verlernt, dass wir den Urlaub auch wert sind, ohne vorher alles erledigt zu haben. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und die meisten von uns haben leistungsbezogene Glaubenssätze. Jeder Mensch hat seinen Erholungsurlaub verdient, selbst wenn die Sachen, die man sich selbst auferlegt hat, nicht alle bis dahin erledigt sind. Versuchen Sie sich von verpflichtenden Gedanken zu lösen und fragen Sie sich gerne, ob dies die einzig wahre und absolute Realität ist.

Checklisten nutzen (Packlisten, Reiseapotheke)

Sogenannte Checklisten für’s Packen können eine gute Orientierung sein. Diese finden sich ganz einfach im Internet. Checklisten ermöglichen es, Gedanken aus dem Kopf zu bekommen und damit mentale Kapazität freizuschaufeln. Packlisten lassen sich aber auch gut selbst erstellen. Am besten in einem ruhigen Moment. Man könnte dann schon Tage zuvor beginnen, täglich 10 bis 15 Minuten, Punkte von dieser Liste abzuarbeiten (z. B. Sachen einkaufen, die noch für die Reise benötigt werden, Sachen zusammenzustellen, den Koffer bereitlegen, Tüten für Schmutzwäsche einpacken, usw.)

Tag vor der Abreise

Gut vororganisieren

Eine gute Organisation ist das A und O. Etwa die gepackten Koffer bereits am Vorabend ins Auto zu packen (für den Fall, dass die Reise mit dem Auto angetreten wird) oder zumindest die fertigen Koffer an die Haustüre stellen. Wichtig ist hierbei nur, dass alles gebündelt griffbereit ist. Natürlich gibt es auch Utensilien, die bis kurz vor der Abreise noch benötigt werden. Für diese kann es helfen, einen kleinen Notizzettel als Orientierungshilfe zu schreiben. Für alle Dinge, die bis „Last Minute“ noch gebraucht werden. So ein Zettel macht sich am Badezimmerspiegel ganz gut und kann nach und nach abgehakt werden. Falls die Reise mit dem Taxi oder einem Uber beginnen sollte, kann am Vortag schon bestellt werden. Oft ist es hilfreich, sich einige Tage vor einer anstehenden Reise, bereits Urlaub zu nehmen. Wenn dies nicht möglich sein sollte, schaffen Sie sich Raum und im Terminkalender.

Ausreichend Schlaf

Ein weiterer Tipp für den Tag vor der Abreise ist es, zeitig schlafen zu gehen. Ausgeschlafen lässt es sich deutlich entspannter in den Tag starten. Zudem ist ausreichend Schlaf, enorm wichtig für die Stressbeständigkeit. Den Wecker also mit ausreichend Zeitpuffer stellen.

Im Urlaub: Risiko- und Schutzfaktoren

Im Urlaub selbst, gibt Risiken, die dafür sorgen können, dass wir Stress erleben.

Ständige Erreichbarkeit

Je mehr Zeit wir mit dem Handy verbringen, desto kürzer erscheint uns der Urlaub. Die Zeit am Handy reduziert unser Zeitgefühl. Der wohlverdiente Urlaub fliegt quasi an uns vorbei. Dies sollte Grund genug sein um das Handy einmal wegzulegen. Die Menschen fühlen sich heute verpflichtet erreichbar zu sein und wollen nichts verpassen. Ständige Erreichbarkeit hat sich im Laufe der Zeit so als „Pseudonorm“ eingebürgert. Schaffen Sie sich bewusst handy- und laptopfreie Zeiten. Die Meisterdisziplin wäre natürlich Handy und Laptop zu Hause zu lassen. Jedoch könnte sich das heutzutage, wohl kaum mehr jemand mehr vorstellen. Das Handy hat schließlich auch viele hilfreiche Funktionen, die über ein Telefon hinausgehen. Es ist in der heutigen Zeit, häufig auch Tagebuch, Fotokamera, Landkarte, Infopoint, Speisekarte in Restaurants etc. Auch mit Handy an Bord ist es möglich, seinen Bildschirmkonsum zu reduzieren. Beispielsweise festzulegen, dass das Handy beim Essen weggelegt wird. Weiterhin ist es möglich, einige Stunden am Tag, zu verbringen, ohne dass das Handy in Reichweite ist. Es ist erlaubt anzukündigen, dass man während des Urlaubs nicht erreichbar sein wird.  Ich ermutige meine Klient:Innen und Patient:Innen in der Praxis immer wieder dazu, offen zu kommunizieren, dass sie im Urlaub nicht erreichbar sind. Es tut gut, es erleichtert und es wird tatsächlich sehr gut aufgenommen. Oftmals sogar bewundert, denn insgeheim wünscht sich doch jeder mal eine Zeit, in der keiner etwas von einem will.  Nur allzu selten fordern wir diese Zeit für uns ein.

Handylocker / Handysafe

Es gibt Handylockers / Handysafes mit einer integrierten Zeitschaltuhr. So ist das Handy über einen bestimmten Zeitraum weggesperrt. Anrufe können i.d.R. weiterhin entgegengenommen werden. So ein Handylocker ist vor allem für Personen hilfreich, die sich sehr schwer tun, ohne ihr Handy auszukommen. Alternativ können Social Media und E-Mail Apps auf dem Handy temporär deinstalliert werden. Das geht schnell und ist relativ aufwandslos.

Arbeiten und Lernen

Wenn sich Arbeit in den Urlaub mit hinein schleicht, dann hat das nichts mehr mit Erholung zu tun. Empfehlenswert ist es, im Urlaub überhaupt nicht zu arbeiten oder zu lernen. Leichter gesagt, als getan. Die Realität ist komplexer. Wer es bislang noch nicht komplett geschafft hat, sich im Urlaub vom Arbeiten zu befreien, dem empfehle ich zumindest, die Zeit ganz klar festzulegen. Wieviel Zeit im Urlaub darf für Arbeit oder Lernen aufgebracht werden? Natürlich so wenig wie möglich. Überlegen Sie sich, zu welcher Tageszeit es Ihnen am einfachsten fallen würde etwas zu tun. Stellen Sie sich einen Timer. Überschreiten Sie auf keinen Fall die festgelegte Zeit. Auch nicht, wenn Sie im Flow sind. Das birgt das Risiko, dass Sie bis zur Erschöpfung weiter arbeiten und sich die  Motivation umkehrt. Auch Intervalle möglich. Beispielsweise an zwei Tagen zu lernen und an den zwei darauffolgenden nicht. Bei mehreren Wochen Urlaub, kann es helfen die Arbeits- oder Lernphase ausschließlich an den Anfang oder an das Ende des Urlaubs zu heften. Schaffen Sie sich selbst diesen Raum und planen, in welchem Zeitraum Sie wirklich absolut nichts machen möchten. Es geht hierbei nicht um Perfektion, sondern darum, individuell das bestmöglichste für sich selbst herauszuholen.

Ungeplante Zeit einplanen

Unabhängig davon, ob wir im Urlaub verreisen oder nicht, lassen wir häufig gar keine unverplante Zeit übrig. Nicht selten wird alles durchgetaktet. Alles was sonst keine Zeit findet, wird in diese freie Zeit gepackt. Keine Zeit um mit sich in die Stille zu gehen. Keine Zeit fürs Nichtstun. Vorteilhaft ist es, sich im Kalender freie Zeiten wegzublocken. Eine sogenannte Zero-Zone.

Flexibilität

Es ist nicht verpflichtend, sich immer strikt an die eigenen Pläne zu halten. Stellen Sie sich ruhig jeden Tag aufs Neue die Frage, ob alles noch für Sie passt. Ist Ihr Erholungspensum ausreichend? Es ist keine Schande Termine abzusagen, selbst wenn ein finanzieller Aufwand bereits getätigt wurde. Als aller erstes stellt sich die Frage, wie viel Ihnen Ihr Wohlbefinden und Ihre Erholung wert ist. Prüfen Sie also gerne Ihren Kosten-Nutzen-Effekt. Das Wohlbefinden ist ein laufender Prozess. Es lässt sich nur schwer schon alles vor dem Urlaub durchplanen. Oft geschehen unvorhergesehene Dinge, die sich auch mit der besten Planung nicht im Vorfeld beeinflussen lassen. Ist es so, wie Sie sich das vorgestellt haben? Was können Sie tun, um möglichst nahe dran zu kommen?

Raum für sich schaffen

Wenn Sie mit mehreren Personen unterwegs sind, dürfen Sie sich ruhig fragen: „Wo ist meine Zeit?“ „Reichen die Gruppenaktivitäten für mich aus, um mich maximal zu erholen?“, „Sollte ich mich eventuell mal abkoppeln?“ Es ist enorm wichtig, für sich selbst zu sorgen und gezielt auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, sich Ruhe und eine Auszeiten zu gönnen. Die steigende Ausgeglichenheit von Einzelpersonen wirkt sich auch auf die Gruppe aus.

Konstruktive Konfliktkultur

Urlaub und Reisen kann stressig sein. Potenzielle Gefahr für Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten. Lassen Sie sich nicht mitreißen und verschaffen Sie dem Ausatmen Raum. Stellen Sie sich gerne eine Ampel vor dem geistigen Auge vor: Die Stressampel ist rot? Dann ist es absolut erlaubt, sich einmal einige Minuten zurück zu ziehen und das auch so zu kommunizieren. Für die Auflösung von Konflikten bietet sich die VW-Regel an. Äußern Sie Wünsche, statt Vorwürfe.

Krank im Urlaub

Sorgen Sie für eine gute Reiseapotheke. Auch hier gibt es wieder gute Tipps im Internet. Bei Kindern, denken Sie an ein Fieberthermometer. Und generell auch an Kohletabletten, Immodium, etc. Informieren Sie sich über Apotheken und Ärzte in der Nähe Ihrer Unterkunft.

Wetter

Sorgen Sie für adäquater Kleidung.  Informieren Sie sich im Vorfeld über die Witterungsverhältnisse am Urlaubsort. Selbst wenn Sie dies versäumen sollten oder von einem unvorhergesehenen Wetterumschwung überrascht werden, gibt es Lösungen. Sie sind nicht die Opfer des Wetters. Sie haben Möglichkeiten: Aktivieren Sie Ihr lösungsorientiertes Denken und schieben Sie das problemorientierte Denken beiseite. Stellen Sie sich die Frage, was Sie genau jetzt tun können um die Situation zu verbessern. (Kleidung oder Regenschirm kaufen, Pläne ändern, Aktivitäten switchen etc.). Denken Sie in Möglichkeiten.

Zum Thema Spontantrips

Es gibt Menschen, die durch Planung Sicherheit erfahren und Menschen, die gerne eher spontan sind. Diese Vorlieben können grundsätzlich intraindividuell oder saisonal innerhalb einer Person verschieden sein. Möchten Sie spontan in den Urlaub reisen, dann erlauben Sie sich die Einstellung, sich darauf verlassen zu können, dass Sie alle Lösungen, die Sie auf dem Weg benötigen in sich tragen oder herbeischaffen können. Das heißt: Loslassen, vor den Bedenken beispielsweise die Zahnbürste vergessen zu können. Es gibt überall die Möglichkeit, sich eine neue Zahnbürste zu kaufen.

Fazit

Es gibt verschiedene Art und Weisen, sicher und gut aufgehoben in den Urlaub zu fahren. Die Kenntnis über Ihre Risiko- und Schutzfaktoren reduziert den potenziellen Stress und steigert den Erholungsfaktor. Stellen Sie sich jeden Tag im Urlaub die Frage „Was kann ich heute dazu beitragen, damit dieser Tag ein Erfolg wird und die maximale Erholung für mich bringt?“ „Was brauche ich und wie kann ich gut für mich sorgen?“

16. August 2023

Autorin:
Sonya Anders, Psychologin
M.Sc. Angewandte Psychologie (Klinische Psychologie)
https://www.yourxpert.de/xpert/psychologin/sonya.anders