Wenn Sie die goldene American Express im Portemonnaie haben können Sie folgende Hinweise eigentlich überspringen. Für normal bis weniger gut betuchte Autofahrer ist folgendes zu beachten:

Versuchen Sie, zunächst keinerlei Kosten zu verursachen, AUCH wenn Sie den Unfall nicht verursacht haben und die Schuldfrage „eigentlich klar“ ist.

  • Mieten Sie nicht voreilig einen Leihwagen an. Es gibt regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten wenn Unfallgeschädigte mit dem Brustton der Überzeugung „Der steht mir doch zu!“  zum Leihwagen greifen. Bedenken Sie: Sie müssen für die Fahrzeugmiete in Vorleistung gehen. Hier kommen schnell einige 100 Euro zusammen. Es wird eine Kaution in Bar fällig, einige Autovermietungen akzeptieren sogar nur "hochgeprägte" Kreditkarten da es sich hierbei nicht um Prepaid-Kreditkarten handelt. Selbstverständlich können Sie die Kosten bei 100% Haftung von der gegnerischen Versicherung zurückfordern – Sie müssen aber finanziell „stabil“ genug sein, um die Kosten zu verauslagen. Die gegnerische Versicherung muß auch nur die Tagesmiete bis zu einem bestimmten Höchstsatz übernehmen, sie ist NICHT verpflichtet, die Phantasiepreise einer Autovermietung zu bezahlen.
     
  • Lassen Sie das Fahrzeug nur Abschleppen / Abtransportieren, wenn es unabdingbar ist, also Öle bzw. Flüssigkeiten austreten oder das Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher ist. Lassen Sie sich die anfallenden Kosten schriftlich vom Abschleppdienst bestätigen. Das gilt AUCH, wenn Sie über einen Automobilclub (vermeintlich) abgesichert sind. Lassen Sie sich vom Fahrer schriftlich bestätigen, welche Kosten für die Fahrzeugverbringung anfallen bzw. dass Ihnen dafür keine Kosten entstehen. Will er das nicht, soll er das Auto eben stehen lassen. Faustregel: Erst schriftlichen Auftrag, DANN Fahrzeug aufladen. Keinesfalls: "Ich lade erstmal auf, damit die Straße frei wird, den Papierkram machen wir dann!" Regelmäßig stehen Fahrzeuge von Unfallgeschädigten unter Verschluss beim Abschleppdienst, weil –aus welchen Gründen- auch immer, nun doch Kosten entstanden sind die der Automobilclub nicht bezahlt. Es kann sich dabei durchaus nur um Behauptungen eines unseriösen Unternehmens handeln das lieber zum vollen Satz abrechnen möchte und nicht für den wesentlich geringeren Tarif, den der Automobilclub zahlt. Vor Ort ist das aber erst einmal unerheblich, wenn Sie die Mittel nicht aufbringen können, um Ihr Fahrzeug (inkl. Inhalt!) auslösen zu können. Bedenken Sie: Kein Automobilclub unterhält eine eigene Flotte von Abschleppfahrzeugen, es handelt sich dabei in der Regel um freie Abschleppdienste, die einen Partnervertrag mit dem entsprechenden Automobilclub haben. Wenn der Abschleppdienst Ihr Fahrzeug erst einmal auf dem Hof hat und seine Rechnung nicht bezahlt ist, genießt er zunächst das sog. Unternehmerpfandrecht und ist berechtigt, das Fahrzeug einzubehalten, bis seine Rechnung bezahlt ist. Geschieht dies Rechtswidrig, können Sie natürlich alle Rechtsmittel nutzen – das hilft Ihnen vor Ort aber keinen Schritt weiter.
     
  • Erteilen Sie keine Reparaturaufträge an eine Werkstatt bevor von der gegnerischen Versicherung keine schriftliche Bestätigung der Übernahme der Reparaturkosten erfolgt ist.  Lassen Sie keine Veränderungen am Fahrzeug zu, bis ein Sachverständiger anhand von Fotos und Untersuchungen eine Beweissicherung durchgeführt hat.

Wie gesagt: Wenn "Geld bei Ihnen keine Rolle spielt", wie man so schön sagt und es finanziell tragbar ist, in Vorleistung zu gehen was Bergung, Verbringung, Leihwagen usw. angeht steht es Ihnen natürlich frei, entsprechende Leistungen zu nutzen. War der Unfall unverschuldet, werden Sie die Kosten (sofern Sie sich an das Gebot der Schadensbegrenzungspflicht halten)erstattet bekommen, im Ernstfall nach einem Gerichtsprozess.

Ich stelle einmal folgende Beispielrechnung auf, wie sich die –ich nenne sie jetzt einmal „Unfallnebenkosten“- bei einem normalen Auffahrunfall an einem Freitagabend summieren können:

Abschleppen mit Pannendienst:                                                                          297,00 €

Leihwagenkosten / Tag                                                                                         49,00 €

Leihwagen gesamt (3 Tage Reparaturdauer)                                                          147,00 €

Standgebühren                                                                                                     18,00 €

Nun ist es Freitagabend und der Pannendienst wird das Fahrzeug zunächst auf seinem Hof abstellen. Wir haben also mit guten 18,00 € Standgebühren / Tag  zu tun. Haben Sie die 297,00 € für das Abschleppen nicht, wird der Abschleppdienst den Wagen so lange einbehalten, bis Sie bezahlt haben!

Reparaturkosten                                                                                                        2.500,00 €

(Voreilig Reparaturauftrag erteilt ohne Freigabe der Versicherung abzuwarten)

Sie haben also nun Kosten von 2.998,99 € produziert, für die SIE zunächst in VORLEISTUNG gehen müssen. Können Sie das nicht, ist Ihr Auto ersteinmal weg und Sie haben zunächst Schulden. (Auch die Werkstatt wird sich auf das Unternehmerpfandrecht berufen und das Fahrzeug nicht herausgeben, bis die Reparaturrechnung bezahlt ist).

Ist die Schuldfrage unstrittig, wird die Versicherung die Kosten erstatten – bedenken Sie aber, dass sich dies im Schnitt drei bis vier Wochen hinziehen kann! Wenn der Unfallgegner nun aber alle Schuld von sich weist (aus welchen Gründen auch immer) und der Sachbearbeiter der gegnerischen Versicherung auch nur den Hauch einer Chance wittert, nicht leisten zu müssen oder wenigstens eine Quotierung („Teilschuld“) zu erwirken, so wird die Versicherung zunächst NICHT zahlen und ggf. einen Gerichtsprozess anstreben um die Schuldfrage festlegen zu lassen.

Sie können sich dann darauf einstellen, dass der erste Gerichtstermin in etwa sechs bis acht Monaten nach dem Unfall stattfinden wird, an dem Sie in der Regel noch KEIN Urteil erwarten können.

Wie gesagt: Sie stehen bis dahin für alle entstehenden Kosten selber gerade.

Ein Wort zu den Abschleppkosten / Standgebühren: Nehmen wir einmal an, das Fahrzeug wird am 20. Eines Monats abgeschleppt und landet beim Pannendienst auf dem Hof. Der Besitzer des Fahrzeugs hat –wie es so oft geschieht- einen Pauschalauftrag unterschrieben und ist kein Mitglied eines Automobilclubs bzw. hat nur einen unzureichenden Tarif in selbigem. Nun möchte der Abschleppdienst 300 Euro für seine Leistung in Bar, vorher wird er das Fahrzeug nicht herausgeben. Unser fiktiver Fahrzeugbesitzer hat aber keine Möglichkeit, zum Ende des Monats noch 300 Euro aufzutreiben – in Deutschland dieser Tage keine Seltenheit und eher die Regel als die Ausnahme. Auf seine nächste Lohnzahlung, aus der unser Fahrzeugbesitzer die Rechnung bezahlen könnte, erwartet er erst am 10. des Folgemonats. Sein Auto wird also für 20 Tage beim Abschleppdienst auf dem Hof stehen. Beispielsweise in Hannover werden von den dem Verfasser bekannten Unternehmen etwa 18,00 € / Tag Standgebühren berechnet.  Wenn unser armer Fahrzeugbesitzer nun endlich das Geld hat, sein Auto auszulösen sind zu den 300,00 Euro reine Abschleppkosten noch 360,00 € Standgebühren - also insgesamt 660,00 € aufgelaufen, die zu zahlen sind, bei nicht wenigen Menschen macht dies ein halbes Monatseinkommen aus.

Daher ergeht mein unbedingter Hinweis: Passen Sie auf, welche Kosten beim Abschleppen entstehen!

Ein kostenloses, unbegrenztes Abschleppen zu einem Ort Ihrer Wahl ist in den Standardmitgliedschaften der Automobilclubs NICHT enthalten, diese Leistungen gehören, wenn überhaupt, zu den teuren Sondertarifen. (Gilt auch für Schutzbriefe der eigenen Versicherung!)

Prüfen Sie, ob ein Abschleppen überhaupt notwendig ist, bei vielen kleineren Blechschäden ist dies nicht der Fall. So lange keine Flüssigkeiten auslaufen, kein Anprall auf Achsteile erfolgt ist und die Beleuchtungsanlage noch funktioniert, muss das Fahrzeug meist nicht abgeschleppt bzw. geborgen werden. Fragen Sie uns im Zweifelsfall. Möchten Sie das verunfallte Fahrzeug aus Unsicherheit nicht auf eigener Achse zur Werkstatt oder zu Ihnen nach Hause bringen: Stellen Sie es  am Straßenrand bzw. auf einem Parkplatz in unmittelbarer Nähe ab. Wenn keine Flüssigkeiten auslaufen und von dem Fahrzeug keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht (Beispiel: offene Risse im Blech an denen sich spielende Kinder schneiden könnten) dürfen Sie das. Ihr Fahrzeug ist weiterhin zugelassen und versichert und darf damit im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt werden, niemand kann Ihnen das verbieten. Auch die Polizei nicht, die oft gern eigenmächtig einen Abschleppdienst beauftragt.

Im Zweifelsfall: rufen Sie uns direkt an – noch von der Unfallstelle.

Behalten Sie also bitte folgende Faustregel im Kopf:

Verursachen Sie VOR der KOSTENÜBERNAHMEERKLÄRUNG der gegnerischen Versicherung KEINE Kosten, die Sie nicht direkt vorfinanzieren können, ohne in finanzielle Bedrängnis zu geraten.

Sicher ist das auf eine gefühlte Art "unfair" und der Verfasser teilt diese Ansicht persönlich sogar, die Realität sieht also leider so aus. Halten Sie sich immer vor Augen:

  1.  Die gegnerische Versicherung ist in der Tat Ihr GEGNER, man sagt das nicht so daher. Sie wird alles daran setzen, die Kosten so gering wie möglich zu halten.
  2. Der Automobilclub, gleich welcher Coleur, ist ein Wirtschaftsunternehmen und KEIN Sozialverband mit caritativem Background - auch wenn das in der Werbung gern anders vermittelt wird. Was Ihr Mitgliedstarif nicht hergibt, wird der Club nicht zahlen.

Wenn die gegnerische Versicherung großzügig anbietet, die komplette Regulierung zu übernehmen, einen eigenen Gutachter zu schicken, eine Werkstatt zu stellen usw. bedenken Sie bitte folgendes:

Die Versicherung macht das nicht aus sozialem Engagement. Sie hat natürlich Partnerverträge mit Werkstätten, Abschleppdiensten, Autovermietungen etc. Sie kann durch diese "Schadensteuerung" ihre Kosten reduzieren. Unternehmerisch ist dies natürlich durchaus nachvollziehbar, in der Praxis bedeutet das für Sie z.B. aber folgendes:

  • Tendenz des Versicherungsgutachters, ein eigentlich noch reparaturwürdiges Fahrzeug als Totalschaden zu deklarieren. Sonderregelungen zu Ihren Gunsten wie die 130% Regelung finden nur selten Anwendung
     
  • Keine oder zu geringe Erstattung einer eventuellen Wertminderung Ihres Fahrzeugs
     
  • Keine Kontrolle über die Qualität der durchgeführten Reparatur

Führt man sich dann noch vor Augen, dass die Versicherungsgesellschaft in diesem Moment Ihre Notlage auszunutzen versucht, stößt dieses Geschäftsgebaren doch recht sauer auf. Unbestätigten Berichten zur Folge werden derartige "Lockangebote" gerne Unfallgeschädigten unterbreitet, denen die Versicherungsgesellschaft ein geringes Potenzial zur Gegenwehr unterstellt. Gern sind dies Senioren, Ausländer oder Fahranfänger, besonders, wenn es sich um alte Fahrzeuge mit geringem Wert handelt. Getreu dem Motto: "Wer so eine Karre fährt, hat eh keine Kohle für einen Rechtstreit und greift nach jedem Strohhalm". Spielen Sie einem solchen Verhalten also nicht in die Hände!

(C) Sebastian Seipp