Guten Tag, mein Sachverhalt ist so:
Fragestellung
In einer Verwaltungssache gab es eine erste mündliche Verhandlung am 31.05.2016 vor dem Verwaltungsgericht.
Die leitende Einzelrichterin, die Richterin am Landgericht ist, erklärte vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung, dass sie die Klagebegründung meines Anwaltes noch gar nicht gelesen hat.
Demzufolge wurden einige Sachvorträge /Anträge meines Anwaltes gar nicht verhandelt, schätzungsweise die Hälfte.
Die Gegenseite hat im Termin einen neuen Sachvortrag vorgebracht. Hierzu hat mein Anwalt eine Schriftsatzfrist beantragt und erhalten.
Innerhalb dieser Schriftsatzfrist wurde die Befangenheit der Richterin erklärt.
Bezüglich des neuen Sachvortrages der Gegenseite, der bisher noch gar nicht verhandelt wurde, war die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme meines Anwaltes innerhalb der nachgelassenen Schriftsatzfrist.
Somit hätte es einen zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung geben müssen, bei dem der neue Sachvortrag der Beklagten aus der ersten mündlichen Verhandlung hätte verhandelt werden müssen. Somit erfolgte die Befangenheitserklärung zwischen dem ersten Termin der mündlichen Verhandlung und dem erforderlichen zweiten, der jedoch nicht stattgefunden hat, aber dennoch innerhalb der nachgelassenen Schriftsatzfrist auf dem neuen Sachvortrag der Gegenseite während der ersten mündlcihen Verhandlung.
Frage ist: war der Befangenheitsantrag unter dieser Konstellation zulässig ?
Die als befangen erklärte Richterin hat bei der Ablehnung ihres Befangenheitsantrages mitgewirkt und sich selbst -mit 2 weiteren
Richtern- als nicht befangen erklärt. Das OVG hat dies bestätigt und als unanfechtbar erklärt.
Kann die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt werden, auch nachdem die Richterin - nach Zurückweisung der Befangenheit- am 20.06.2016 ein Urteil gefällt hat und die Klage zurückgewiesen hat...?
Die Zulasung der Berufung wurde fristgerecht beantragt und muß bis morgen von meinem Anwalt begründet werden.
Was können Sie mir empfehlen, bzw. raten....
Grüße
H. Mosler
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Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Sämtliche prozessuale und materiell-rechtliche Fragen können Sie hier nur noch in einem Berufungsverfahren klären.
Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Der Befangenheitsantrag hätte meines Erachtens schon in der mündlichen Verhandlung allem Anschein nach gestellt werden müssen.
Zivilprozessordnung, § 43 Verlust des Ablehnungsrechts i. V. m. der VwGO
Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.
Letztlich ist aber rechtskräftig darüber entschieden worden, was die Befangenheit anbetrifft.
Das Gericht kann die Wiedereröffnung beschließen - das geht aber nur, solange noch kein Urteil vorliegt. Letzteres kann nur noch mit der Berufung angefochten werden, soweit diese zugelassen wird.
Aber letztlich findet auch im Berufungsverfahren eine weitere Möglichkeit statt, gegen die Richterin und deren Entscheidung vorzugehen.
Der Rechtsschutz wird dadurch nicht unzumutbar verkürzt.
Soweit es hier zu Verfahrensfehlern gekommen ist, kann das jetzt noch geklärt werden.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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ich bitte Sie um eine doch etwas konkretere Auskunft:
eine Befangenheitserklärung ist grundsätzlich bis zum Ende der mündlcihen Verhandlung zulässig....
Sie sind nicht näher darauf eingegangen, ob eine Befangenheitserklärung innerhalb einer gewährten Schriftsatzfrist aufgrund eines neuen Sachvortrages der Gegenseite noch zulässig war.... immerhin war diese Schriftsatzfrist der ersten mündlichen Verhandlung noch zuzuordnen....desweiteren ist es so, dass aufgrund des neuen Sachvortrages der Gegenseite eine zweite mündliche Verhandlung hätte erfolgen müsen, in der der neue Sachvortrag verhandelt und entschieden wird.
Somit hätte die Befangenheitserklärung auch zu Beginn oder während der zweiten mündlichen Verhandlung erfolgen können, wenn diese stattgefunden hätte. Die Frage ist, ob ein Befangenheitsantrag innerhalb einer der Schriftsatzfrist nach der ersten mündlichen Verhandlung zulässig war, insbesondere,
wenn eine zweite mündliche Verhandlung hätte erfolgen müssen.
Die Einzelrichterin hat zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie den Schriftsatz meines Anwaltes nicht gelsen hat.
Sie wurde für befangen erklärt, hat aber selbst bei der Ablehnung ihres Befangenheitsantrages mitgewirkt....Das OVG hat dies übersehen bzw. nicht bemängelt und die Sache als unanfechtbar erklärt....
welches sind die Rechtsfolgen..
dies waren meine Fragen, um die ich eine Beantwortung ersucht habe.
bitte beantworten sie mir diese so konkret wie möglich.....
die bisherige Auskunft hat mir nicht weiter geholfen, da ich diesen Kenntnisstand schon hatte....
Viele Grüße
Helga Mosler
ich antworte Ihnen wie folgt:
Ohne Einsicht in Ihre Verfahrensakte kann ich dieses nicht abschließend prüfen.
Wenn aber die Richterin gesagt hat, sie habe den Schriftsatz nicht beziehungsweise nicht vollständig gelesen und dieses in der mündlichen Verhandlung war, so hätte sofort der Befangenheitsantrag gestellt werden müssen.
Denn eine Partei ist gehalten, unverzüglich die Befangenheit beziehungsweise den Verdacht dahingehend zu äußern und zu prüfen, wenn sie davon Kenntnis hat.
Da darf man sich nach dem Gesetz wie gesagt nicht erst in die weitere Verhandlung einlassen und dieses erst im Schriftsatz danach erledigen.
Das wäre widersprüchliches Verhalten.
Ich kenne auch den Beschluss des OVG nicht, aber selbst darf natürlich die Richterin nicht bei der Entscheidung über ihren Befangenheitsantrag mitwirken.
Wie dem auch sei, die Sache ist dahingehend rechtskräftig entschieden und es bleibt nur die Berufung.
Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Befangenheit dürfte so gut wie ausgeschlossen sein.
Die Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung des OVG ist ganz grundsätzlich nicht möglich.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt