Die Verfassungsbeschwerde einer Verbraucherin, deren Darlehenswiderruf vom OLG Schleswig für unwirksam erklärt wurde, hatte Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschluss vom 16. Juni 2016, dass das OLG Schleswig die Revision zum Bundesgerichtshof hätte zulassen müssen (Az.: 1 BvR 873/15).
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig die Revision nicht zuzulassen, sei eine unzumutbare Einschränkung des Zugangs der Klägerin zur nächsten Instanz. Schon wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung hätte die Revision zugelassen werden müssen, so das Verfassungsgericht.
Das OLG Schleswig hatte das noch ganz anders gesehen (Az.: 5 U 175/14). Es hatte über die Klage einer Verbraucherin auf Rückzahlung einer geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zu entscheiden. Diese hatte 2007 bei einer Sparkasse zwei Darlehen zur Immobilienfinanzierung abgeschlossen. Unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hatte sie die Kredite vorzeitig abgelöst, 2013 erklärte sie den Widerruf. Wie schon das Landgericht hat auch das OLG Schleswig erklärt, dass der Widerruf trotz einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht fristgerecht erklärt worden und deshalb unwirksam sei.
Das OLG erklärte, dass die verwendete Formulierung die Widerrufsfrist „beginne frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ fehlerhaft sei, da sie nicht dem vom Gesetzgeber geforderten Deutlichkeitsgebot entspreche. Allerdings könne sich die Sparkasse auf Vertrauensschutz berufen, da sie die vorgesehene Musterbelehrung verwendet habe. Die Verwendung einer Fußnote, sprachliche Anpassungen und weitere unklare Angaben unter dem Punkt „Finanzierte Geschäfte“ stellten für das OLG Schleswig keine inhaltliche Überarbeitung der Musterbelehrung dar. Wäre dies der Fall gewesen, wäre die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden und der Widerruf fristgerecht erfolgt.
Obwohl verschiedene Oberlandesgerichte in den oben genannten Punkten eine inhaltliche Überarbeitung der Musterbelehrung sehen und sich diese Belehrung in etlichen Darlehensverträgen findet, sah das OLG Schleswig in dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung und ließ die Revision nicht zu. Eine Entscheidung des BGH sei auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht notwendig.
Das Bundesverfassungsgereicht kassierte dieses Urteil jedoch und verwies den Fall erneut an das OLG Schleswig. Das OLG habe durch die Nichtzulassung der Revision das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verletzt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung hätte es die Revision zulassen müssen.
Rechtliche Einschätzung der Kanzlei Kreutzer, München: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung die Rechte der Verbraucher beim Darlehenswiderruf gestärkt. Das bedeutet nicht automatisch, dass das OLG Schleswig nun zu einem anderen Urteil kommt aber es muss die Revision zum BGH zulassen. Ebenso wie andere Oberlandesgerichte tendiert der BGH beim Widerruf von Darlehen zu einer verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. Erst mit Urteil vom 12. Juli 2016 haben die Karlsruher Richter bei einer vergleichbaren Widerrufsbelehrung aus dem Jahr 2008 entschieden, dass der Widerruf auch Jahre nach Abschluss des Darlehens noch widerrufen werden konnte, weil die Belehrung fehlerhaft war und durch inhaltliche Überarbeitung vom geltenden Muster die Bank sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne (Az.: XI ZR 564/15). Verbraucher, dessen Widerruf von der Bank abgelehnt wurde, haben spätestens nach diesem BGH-Urteil noch beste Chancen, ihren Widerruf durchsetzen zu können.