Werbungskostenabzug für Fremdfinanzierungskosten
Beantwortet von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel in unter 2 Stunden
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Kneisel,
ich bitte Sie um die Hilfe in folgender Fragestellung:
- Unter welchen Voraussetzungen erkennt die Finanzverwaltung den Werbungskostenabzug/ Betriebsausgabenabzug für Fremdfinanzierungskosten (Zinsen etc.) im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, wenn das Objekt zunächst mit Eigenkapital erworben wurde und die Fremdfinanzierung erst im Nachhinein die Eigenfinanzierung ablöst?
- Kommt es auf die Zeitspanne an innerhalb der die Fremdfinanzierung die Eigenfinanzierung ablöst (bspw. Aufnahme der Fremdfinanzierung innerhalb von einem halben Jahr nach Erwerb des Objekts)? Welche weiteren Voraussetzungen gibt es?
Ich bin Werkstudent im Bereich Steuerrecht und mit den Normen vertraut. Ich muss bis morgen Mittag eine Stellungnahme zur oben genannten Fragestellung erarbeiten. Aufgrund parallel laufender Klausuren steht bei zur Zeit alles Kopf. Mir geht es insbesondere um die zweite Frage, da ich denke, dass ich den ersten Teil zumindest grob beantwortet habe. Wenn Sie die Fragen nicht komplett beantworten können aus welchen Grund auch immer bitte ich Sie, den Auftrag nicht anzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel
Sehr geehrter Fragesteller,
im Rahmen einer Erstberatung, Ihres Einsatzes und den von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben, möchte ich Ihre Fragen gerne im Nachstehenden wie folgt beantworten:
Ihre Frage:
- Unter welchen Voraussetzungen erkennt die Finanzverwaltung den Werbungskostenabzug/ Betriebsausgabenabzug für Fremdfinanzierungskosten (Zinsen etc.) im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, wenn das Objekt zunächst mit Eigenkapital erworben wurde und die Fremdfinanzierung erst im Nachhinein die Eigenfinanzierung ablöst?
Antwort:
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Sie müssen also im wirtschaftlichem Zusammenhang zu der Einkunftsquelle stehen.
Zu den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung gehören somit Darlehensaufwendungen nur, wenn mit der Darlehensvaluta tatsächlich Aufwendungen für das Vermietungsobjekt gezahlt worden sind. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften verwendet worden ist. Steuerrechtlich entscheidend ist, ob die Aufwendungen zum Schaffen eines der Einkünfteerzielung dienenden WG getätigt werden und diese tatsächlich mit Kredit finanziert sind. Ist der wirtschaftliche Zusammenhang mit einer Einkunftsart durch eine solche tatsächliche Verwendung der Fremdmittel begründet, sind die Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehbar.
Man kann über die Finanzierung einer Immobilie natürlich selbst entscheiden. Der maßgebliche Bestimmungsgrund für Schuldzinsen ist deswegen danach zu beurteilen, ob und wie die zugrunde liegende Darlehensvaluta tatsächlich verwendet werden. Ein Darlehen kann mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäude oder einem Gebäudeteil wie etwa einer bestimmten Eigentumswohnung zugeordnet werden. Das kann allerdings nur dadurch geschehen, dass mit den als Darlehen empfangenen Mitteln tatsächlich diejenigen Aufwendungen beglichen werden, die gerade für die Anschaffung oder Herstellung dieses einen WG anfallen. Nache herrschender Meinung müssen die Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und derselben Immobilie in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Sollen Darlehenszinsen zum Kauf einer Immobilie als Werbungskosten bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sein, muss ein wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG bestehen. Dafür muss das Darlehen gerade und direkt für die Anschaffung oder Herstellung dieser Immobilie verwendet worden sein.
Also zunächst EK einsetzen und dann später Umschulden geht nicht. Ausnahme s. u.
Ihre Frage:
- Kommt es auf die Zeitspanne an innerhalb der die Fremdfinanzierung die Eigenfinanzierung ablöst (bspw. Aufnahme der Fremdfinanzierung innerhalb von einem halben Jahr nach Erwerb des Objekts)? Welche weiteren Voraussetzungen gibt es?
Antwort:
Siehe meine Ausführungen zur 1. Frage. Hier ein Urteil in anderer Sache aber ähnlichem Hintergrund:
Ein Abzug der Schuldzinsen kommt nicht in Betracht, wenn ein Darlehen nicht tatsächlich zur Finanzierung (hier einer Beteiligung) verwendet worden ist und es daher an dem erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Beteiligung fehlt. Bei Darlehensaufnahme bzw. -auszahlung bestand auch keine Überziehung mehr, die durch den Kauf der Beteiligung verursacht war, da der Sollsaldo des Kontos bereits durch die Zuführung von Eigenmitteln ausgeglichen war. Die Kredite glichen vielmehr einen erneuten Sollsaldo aus, der durch die Anschaffung der Aktienfonds entstanden war. Der Steuerpflichtige kann den geforderten wirtschaftlichen Zusammenhang zudem nicht durch bloßen Willensakt herstellen.
Das kann man 1:1 auf V+V Fälle übertragen.
Der Urteilsfall zeigt, wie eng der Zusammenhang zwischen Darlehen und dem Erwerb einer Einkunftsquelle sein muss. Eine sichere Variante zur Wahrung des Finanzierungszusammenhangs ist, eine Kaufpreiszahlung über ein Konto zu tätigen, dessen Guthaben bereits aus Darlehensmitteln gebildet wurde.
Das FG weist zudem darauf hin, dass der Finanzierungszusammenhang auch gewahrt bleibt, wenn das Girokonto zunächst überzogen und später durch ein ausgezahltes Darlehen ausgeglichen wird. Das vorübergehende Zuführen von Eigenmitteln ist - wie der Urteilsfall zeigt – ist hingegen steuerlich nicht anzuraten.
Hierzu hat der BFH entschieden:
BFH v. 25.05.2011 - IX R 22/10
Tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel maßgebend für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten
Leitsatz:
Gleicht ein Steuerpflichtiger die infolge des Erwerbs einer Fondsbeteiligung entstandene Überziehung seines Girokontos mit Eigenmittel vollständig aus, ist eine danach erneut eingetretene Überziehung des Girokontos nicht mehr auf diesen Beteiligungserwerb zurückzuführen. Für zum (erneuten) Ausgleich des Girokontos aufgenommene Darlehen fehlt der zum Schuldzinsenabzug erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb.
Das steuerrechtliche Schicksal von Schuldzinsen hängt allein von der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel ab, nur diese ist der Besteuerung zugrunde zu legen.
Das habe ich noch gelesen:
Leitsatz BFH, Urteil vom 23.02.2012
- Aktenzeichen IV R 19/08:
1. Ob Schuldzinsen i. S. d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel.
2. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlte Darlehensmittel zur Finanzierung solcher Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden, die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurden.
Ich hoffe Ihre Anfrage richtig verstanden- und ausreichend beantwortet zu haben. Sollten Rückfragen bestehen, nutzen Sie bitte gerne die Nachfragefunktion.
Sollte meine Antwort zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen sein, würde ich mich sehr über eine Bewertung freuen.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater
vereidigter Buchprüfer
Potsdamer Str. 148a, 33719 Bielefeld
Telefon (0521) 92420-0
E-mail: info@ingo-kneisel.de
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Antwort des Experten: Vielen Dank für die Bewertung, bei Fragen gerne wieder.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP
Für ihre schnelle Antwort, mit der ich sehr zufrieden bin möchte ich mich bedanken. Die Bewertung werde ich sofort abgeben. Eine kleine Sache habe ich noch: Und zwar könnten Sie mir ihre Quelle zum ersten Teil geben?
Sowie die Quelle, durch die ersichtlich ist, dass dies auf V + V Anwendung findet.
danke für Ihre Nachfrage. Die Quelle ist § 9 Abs 1 Satz 3 Nr. 1 EStG
Einkommensteuergesetz (EStG)
§ 9 Werbungskosten
(1) 1Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. 2Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. 3Werbungskosten sind auch
1.
Schuldzinsen und auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. 2Bei Leibrenten kann nur der Anteil abgezogen werden, der sich nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ergibt;.........
3) Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 bis 5a sowie die Absätze 2 und 4a gelten bei den Einkunftsarten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 bis 7 entsprechend.
Einkommensteuergesetz (EStG)
§ 2 Umfang der Besteuerung, Begriffsbestimmungen
(1) 1Der Einkommensteuer unterliegen
1.
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
2.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
3.
Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
4.
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
5.
Einkünfte aus Kapitalvermögen,
6.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
7.
sonstige Einkünfte im Sinne des § 22,
Der Finanzierungszusammenhang ergibt sich aus dem Gesetz und der dazu inzwischen gefestigten Rechtsprechung.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP