Vereinsrecht, Jahreshauptversammlung
Beantwortet
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Roth,
1 .In der beim AG hinterlegten Satzung unseres Vereins steht: "Beschlüsse werden außer in Fällen, in denen eine höhere Mehrheit durch Gesetz oder Satzung vorgeschrieben ist, mit absoluter Mehrheit der erschienenen Mitglieder gefasst".
Folgende kürzlich gewesene Situation. Der den Antrag auf Entlastung Stellende fragt in die Versammlung: "Wer ist gegen die Entlastung der Vorstandschaft?". Alle Hände bleiben unten. Er fragt weiter: "Wer enthält sich der Stimme?" Alle Hände bleiben unten. Darauf sofort der Antragsteller: "Damit ist die Vorstandschaft einstimmig entlastet. Der Versammlungsleiter liess dies so protokollieren.
Eine Reklamation beantwortet die Vorstandschaft schriftlich so: "Die Abstimmung kann auf verschiedenste Art und Weise vorgenommen werden. Eine gesetzliche Vorschrift besteht nicht. Enthält die Satzung keine Bestimmung über die Abstimmungsart, so kann der Versammlungsleiter anordnen, auf welche Weise die Abstimmung vor sich geht" und nennt als Quelle Sauter/Schweyer "Der eingetragene Verein" Seite 160.
Ist dies rechtlich haltbar? Hätte nicht der Antragsteller auch fragen müssen: "Wer ist für die Entlastung der Vorstandschaft?" und hätte dann nicht auch mindestens die Hälfte der anwesenden Mitglieder mit Handzeichen dafür stimmen müssen?
2 .In der Satzung steht auch: "Die Wahlen zum Vorstand und Beirat erfolgen grundsätzlich geheim. Im übrigen kann durch Handzeichen abgstimmt werden." Der Wahlleiter lässt seit Jahren nur die drei Vorstandsmitglieder - unabhängig von der Zahl der Kandidaten - geheim wählen, die Beiräte jedoch nur, wenn mehr als ein Kandidat für die jeweilige Beiratsposition zur Wahl steht. Müssten bei diesem Satzungstext nicht auch die Beiräte - unabhängig von der Zahl der Kandidaten - geheim gewählt werden?
Auf Reklamation hin antwortet die Vorstandschaft: "Der § 9 Ziffer 7 unserer Satzung ist nicht im Imperativ geschrieben. Dort steht "ist grundsätzlich". Das heißt so viel wie "wenn nichts dagegen spricht". Der Vorstand ist deshalb der Überzeugung, dass im Umkehrschluss auch nichts dagegen spricht, wenn per Akklamation gewählt wird". Ist diese Auslegung rechtlich haltbar?
Mit freundlichen Grüßen
Peter W.Gröner
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Antwort des Experten
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
1.
Über die Abstimmungsart entscheidet bei Schweigen der Satzung der Verhandlungsleiter. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2.
Die Vorgabe in der Satzung hinsichtlich der Wahl ist zwingend formuliert. Einen Anspruch auf eine geheime Abstimmung hat ein einzelnes Vereinsmitglied jedenfalls nicht.
Die Stellungnahme des Vorstands unterliegt daher auch keinen rechtlichen Bedenken.
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth
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Die sehr knappen Antworten bei hoher gewünschter Detailtiefe haben mich nachdenklich werden lassen. Habe ich mich bei Schilderung von 1. und 2. mißverständlich ausgedrückt?
Zu 1.: Die Satzung sagt doch eindeutig aus, dass einem Beschluss - und dies ist ein Antrag auf Entlastung doch - mindestens mehr als 50 % der erschienenen Mitglieder zustimmen müssen. Wenn die Frage nach Zustimmung gar nicht gestellt wird, kann der Versammlungsleiter doch nicht davon ausgehen, dass wenn niemand dagegen ist alle dafür sind. Es kann doch auch sein, dass die Mehrheit gar nicht abstimmen wollte.
Zu 2.: Sie schreiben selbst "Die Vorgabe in der Satzung hinsichtlich der Wahl ist zwingend formuliert". Für Vorstands- und Beiratsmitglieder gleichwertig! Wie kann ein Wahlleiter dann über einen Beirat per Akklamation abstimmen lassen und über ein Vorstandsmitglied richtigerweise geheim?
Mit freundlichen Grüßen
Peter W.Gröner
zu 1.
wenn die Mehrheit nicht hätte abstimmen wollen, müsste dies auch in einer bestimmten Weise kommuniziert werden.
Das ist jedoch nicht geschehen.
Es ist gefragt, wer gegen die Entlastung der Vorstandschaft ist.
Das ist nach meiner Rechtsauffassung ausreichend.
zu 2.
Nach der Vorgabe in der Satzung erfolgt auch die Wahl zum Beirat grundsätzlich geheim.
Das bedeutet, dass hiervon abgewichen werden kann, wenn eine Ausnahme vorliegt.
Als Ausnahmetatbestand wird der Fall angenommen, dass nur ein Kandidat für die jeweilige Beiratsposition zur Wahl steht.
Das ist nach meiner Rechtsauffassung nicht zu beanstanden. Stehen mehrere Kandidaten zur Wahl, erfolgte eine geheime Abstimmung. Hier kann ich sachfremde Erwägungen nicht erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth