Kann ich Fahrtkosten bei Wochenendarbeit geltend machen?
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Jacobi,
ich hätte gerne von Ihnen eine Hilfestellung bei der Klärung einer Frage bezüglich Arbeitsrecht.
Ich arbeite als Erzieherin seit ca.16 Monaten in einer Kindertagesstätte ( Alter 0-6 Jahre ). Mein Arbeitgeber ist eine Gemeinde mit etwa 8000 Einwohnern in Baden-Württemberg.
Im Jahr 1983 habe ich meine Ausbildung zur Erzieherin abgeschlossen und arbeite seit dieser Zeit in diesem Berufsumfeld.
Ich selbst bin 53 Jahre alt und verheiratet mit 3 erwachsenen Kindern, die außer Haus leben.
Meine Arbeitsstelle ist unbefristet, und die Arbeitszeit umfasst 100%. ( Mo - Do 7 - 16.30 Uhr und Fr 7- 14 Uhr ).
Folgende Frage:
Wenn wir zu verschiedenen Anlässen an normalen Sonntagen ( Dorfhockete, Erntedank, Sommerfest, ... ) arbeiten sollten: ( Manchmal kann es auch Samstags ( Sonnabend ) sein ).
1.) Ist es für mich verpflichtend, dabei mit den Kindern ( hier Kinder 0-3 Jahren ) meiner zu betreuenden Kinderkrippe mitzuwirken, wenn es von der Kinderhausleitung / Gemeinde angeordnet wird, obwohl das ja meine Freizeit ist?
2. ) da ich zu dieser Gemeinde eine Anfahrtsstrecke von H+R 40 km habe,- ist es dann rechtens, die Fahrtkosten an diesen Tagen geltend zu machen, oder darf mir die Gemeinde die Erstattung ablehnen? - Für meine Arbeit unter der Woche erhalte ich keine Fahrtkosten erstattet. Bei Fortbildungen ( unter der Woche ) erhalte ich die Fahrtkosten vergütet.
Meine Kolleginen kommen alle aus unmittelbarer Umgebung der Gemeinde und beantragen keine Fahrtkosten.
Vielleicht können Sie mir in dieser Sache weiterhelfen.
Herzliche Grüße
S.N.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Silke Jacobi
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Schilderung wie folgt beantworten möchte:
Maßgeblich dafür, ob der Arbeitgeber Überstunden, Sondereinsätze, Wochenendarbeit u. a. anordnen darf, ist zunächst in erster Linie der geschlossene Arbeitsvertrag inklusive eventueller Tarifverträge, Dienstanordnungen, Dienstvorschriften usw., soweit diese Bestandteil des Arbeitsvertrags sind.
Gibt es im Arbeitsvertrag und den einbezogenen Vertragsbestandteilen entsprechende Regelungen, nach denen der Arbeitgeber im Bedarfsfall Überstunden oder Sonderarbeit am Wochenende anordnen darf, so sind Sie in der Regel verpflichtet, dieser Anordnung nachzukommen. Für solche „Sonderschichten“ gibt es in der Regel zudem besondere Vergütungsvereinbarungen wie z. B. Zuschläge oder die Abgeltung durch Freizeit, sodass die Mehrarbeit entsprechend ausgeglichen wird.
Gibt es im Arbeitsvertrag und den weiteren, einbezogenen Vertragsbestandteilen keine entsprechenden Regelungen, so hängt es davon ab, ob der Arbeitgeber ein entsprechendes Direktionsrecht hat und ob die Mehrarbeit entsprechend kompensiert wird durch Vergütung und/oder Freizeitausgleich.
Zu beachten ist dabei einerseits, dass nach Ihrem Arbeitsvertrag grundsätzlich keine regelmäßige Wochenendarbeit vereinbart ist und andererseits, dass vor allem der Sonntag nach wie vor ein besonders geschützter Tag, was sich auch in gesetzlichen Regelungen wie dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG).
Allerdings ergibt sich aus § 10 Abs. 1 ArbZG eine beträchtliche Aufzählung von Ausnahmen, wann sonntags gearbeitet werden darf. Da darunter auch Einrichtungen zur Betreuung von Personen fallen sowie verschiedene Tätigkeiten im Bereich Unterhaltung und Freizeitgestaltung, könnte in Ihrem Falle also grundsätzlich eine Arbeit an Sonntagen und auch an Samstagen zulässig sein.
Darüber hinaus handelt es sich bei den von Ihnen beschriebenen Fällen wohl auch um Ausnahmen, also keine regelmäßigen Wochenendarbeiten, sodass es sich insoweit um keine dauerhafte Ausweitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit handelt sondern um Einzelanordnungen im Bedarfsfall.
Mit entscheidend für eine wirksame Anordnung der Wochenendarbeit kann auch Ihre Position in der Kindertagesstätte sein. Je verantwortungsvoller die Position ist, desto mehr „Einsatz“ kann in der Regel verlangt werden, um die Qualität und Sicherheit der Kinderbetreuung zu gewährleisten. Auch besondere Qualifikationen gegenüber anderen Mitarbeitern könnten eine Heranziehung zu Wochenenddiensten rechtfertigen, wenn diese Dienste notwendig sind.
Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus denkbar und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch zulässig, dass Sie bei besonderen Bedarfslagen auch an Wochenenden zur Kinderbetreuung herangezogen werden können.
Werden Sie zu Wochenendeinsätzen rechtmäßig herangezogen, so ist dieser Mehrarbeit natürlich zu vergüten und es ist ggf. auch ein entsprechender Freizeitausgleich zu gewähren, da die Regelarbeitszeit überschritten wird.
Die Schutzvorschriften des ArbZG betreffend Ruhe- und Erholungszeiten, Arbeitszeitüberschreitungen etc. wären ebenfalls vom Arbeitgeber zu beachten.
Ohne entsprechende Vereinbarung im Arbeits- und Tarifvertrag würde ich nach Ihren Angaben derzeit eine Anordnung für Samstag- und/oder Sonntagsarbeit aber nur dann für zulässig halten, wenn hier ausnahmsweise ein besonderer oder zusätzlicher Bedarf für die Kinderbetreuung besteht, der nicht anders zuverlässig gewährleistet werden kann. Darüber hinaus wäre eine Wochenendbetreuung auch zulässig anzuordnen, wenn es um Aktivitäten / Veranstaltungen der Kindertagesstätte selbst geht (z. B. Sommerfest, Freizeiten mit Übernachtung, Mitwirkung bei Dorf- / Gemeindefesten).
Insgesamt würde ich daher kein generelles Verbot für Samstags- und/oder Sonntagsarbeit in Ihrem Falle annehmen wollen. Entscheidend ist hier – wie oben dargelegt – was im Arbeitsvertrag inklusive der anwendbaren zusätzlichen Vertragsbestandteile geregelt ist oder aber, wenn es solche Regelungen wider Erwarten nicht geben sollte, ob es einen tatsächlichen, begründeten Betreuungsbedarf in diesen Zeiten gibt. Letzteres wäre ggf. jeweils im Einzelfall zu prüfen.
Werden diese Voraussetzungen erfüllt, müssen Sie entsprechende Anordnungen des Arbeitsgebers befolgen und können sich nicht auf Ihre Freizeit berufen.
Die geleistete Mehrarbeit ist natürlich entsprechend zu kompensieren.
Die Frage, ob Sie für solche Sondereinsätze die Fahrtkosten erstattet verlangen können, hängt wiederum vorrangig davon ab, ob es dazu entsprechende Regelungen in den anzuwendenden Dienstvorschriften und / oder im Tarifvertrag oder anderen verbindlichen Regelwerken gibt.
Gibt es keine besonderen Regelungen, sehe ich hier jedoch keinen pauschalen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten, zumal diese auch nicht im Arbeitsvertrag vereinbart wurde und letztlich auch Wochenendarbeit Arbeitszeit ist.
Für Fortbildungen, die außerhalb der Arbeitsstätte stattfinden, kann es natürlich andere Vereinbarungen wegen der Fahrtkostenerstattung geben. Diese sind dann aber nicht auf Wochenenddienste übertragbar.
Darüber hinaus wird in der Regel Wochenendarbeit mit Zuschlägen vergütet, sodass auch insoweit eine ausreichende Entschädigung der verlorenen Freizeit und evtl. zusätzlicher Fahrtkosten erreicht wird.
Sie sollten also Ihren Arbeitsvertrag eingehend prüfen, welche Dienstvorschriften, Tarifverträge u. a. mit einbezogen werden. Wurden Ihnen die weiteren Vertragsbestandteile nicht ausgehändigt, sollten Sie bei dem Arbeitgeber unbedingt um Einsichtnahme bitten.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit verständlich beantwortet zu haben. Bei Rückfragen, können Sie mich gern mit der Kommentarfunktion auf diesem Portal kontaktieren.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
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