Arbeitsrecht im Arbeitgebermodell des Persönlichen Budgets
Fragestellung
Ich bekomme das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen nach §29 SGB IX. Im Rahmen dessen stelle ich meine Assistenzen selber als Arbeitgeber ein. Bislang war ich der Ansicht, dass die Assistenzen ganz regulär, wie alle anderen Angestellten auch, eine maximale Tagesarbeitszeit von 8 Stunden haben.
Jetzt habe ich im Internet immer wieder Stellenausschreibungen von anderen Menschen mit Behinderungen gesehen, die meistens 24 Stunden-Schichten am Stück anbieten.
Ich wäre da auch sehr interessiert, dennoch möchte ich nicht rechtswidrig handeln, da ich als Arbeitgeber ja auch meine Pflichten erfüllen muss. Ich habe bereits die entsprechenden Paragraphen im Arbeitszeitgesetz gelesen, finde aber keine Erklärung, wie ich solche Schichten rechtskonform anbieten kann.
Ich habe auch die entsprechenden Arbeitgeber angefragt, auf welcher rechtlichen Basis sie handeln und bekam folgende Antworten, die ich persönlich jedoch so nicht nachvollziehen kann:
1. Es ist aufgeteilt in 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Bereitschaft und dann nochmal 8 Stunden Arbeit.
Anmerkung hierzu: Ich dachte, dass zwischen zwei Schichten, selbst bei Bereitschaft Ruhezeiten sein müssen. Und wenn ich das Urteil aus diesem Jahr des EUGH richtig verstanden habe, gilt Bereitschaftszeit ebenso als Arbeitszeit.
2. Im Gesetz steht, dass wenn der Tarifvertrag eine Ausnahmeregelung macht, die Arbeitszeit anders sein kann. Und sie lehnen sich an einen Tarifvertrag an.
Anmerkung dazu: Es gibt keinen Tarifvertrag für die persönliche Assistenz. Am ehesten kommt hier der Tarifvertrag TVöD-P in Frage, der jedoch keine Bindung hat.
3. Das ist ja arbeiten im häuslichen Umfeld, daher gilt das Arbeitszeitgesetz hier nicht.
Anmerkung: Ich kann mir nicht vorstellen, bei einem regulären Arbeitsvertrag, dass dann auf der Seite der Arbeitgeber ein rechtsfreier Raum entsteht. Selbst wenn keine Gewinnerziehlungsabsicht hinter diesem "Unternehmen" steht. Zumal die Assistenzen auch außerhalb des Hauses beansprucht werden.
Daher wäre meine Frage an Sie, in wie weit es rechtlich möglich ist, in diesem Konstrukt jemanden länger als 8 Stunden am Stück zu beschäftigen, ohne dass die Arbeitnehmer jemals Rechtsansprüche wegen der Verletzung der Arbeitgeberpflichten erhalten.
Zur Erläuterung:
Ich bekomme durch das Persönliche Budget von dem Kostenträger eine Summe überwiesen um mir als Arbeitgeber die Assistenzen einzukaufen. Dazu setze ich Arbeitsverträge auf, habe eine Betriebsnummer, mache die Lohnabrechnung und was sonst noch so in einem regulären Betrieb anfällt. Somit gehe ich davon aus, dass ich als regulärer Arbeitgeber betrachtet werde und mich dementsprechend auch an die geltenden Gesetze halten muss.
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Antwort von Rechtsanwalt Jan Wilking
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihren Auftrag.
Sie gelten als normaler Arbeitgeber und haben daher auch die entsprechenden Gesetze zum Schutz Ihres Arbeitnehmers zu beachten. Eine legale 24-Stunden-Pflege durch einen Arbeitnehmer ist daher nach derzeitiger Rechtslage nicht realisierbar, wie nachstehend erörtert:
Rufbereitschaft kann als Ruhezeit gelten und wird dann bei der Ermittlung der Höchstarbeitszeit nicht berücksichtigt, wenn es zu keinem Einsatz kam. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Ortsanwesenheit des Arbeitnehmers während der Rufbereitschaft nicht erforderlich ist und er auch nicht innerhalb von ca. 15 Minuten am Einsatzort sein muss. Diese Voraussetzung wird aber in der Pflege in der Regel nicht erfüllt sein, weshalb die Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst einzustufen und entsprechend bei der Arbeitszeit zu berücksichtigen ist.
Zu beachten sind daher die Obergrenzen von grundsätzlich 8 Stunden pro Tag und die dazugehörige Höchstgrenzen von maximal 2.304 Stunden im Jahr und 10 Stunden am Tag (mit entsprechendem Zeitausgleich innerhalb von 24 Wochen).
Tarifvertraglich ist zwar eine Verlängerung möglich, mir ist aber kein Tarifvertrag bekannt, der eine 24-Stunden-Betreuung vorsieht und ich kann mir auch nichzt vorstellen, dass ein solcher Tarifvertrag existiert.
Für die Anwendbarkeit der Ausnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG kommt es darauf an, ob die Pflegekraft „in häuslicher Gemeinschaft“ mit der ihr anvertrauten Person zusammenlebt. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG Berlin, Urteil vom 24. März 2015) kann man von einem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft dann ausgehen, wenn nach wertender Betrachtung das Zusammenleben und gemeinsame Wirtschaften der Pflegekraft und des Pflegebedürftigen dem eines Familienverbundes weitestgehend gleichkommt. Dazu muss aber nach überwiegender Meinung in der Kommentarliteratur ein gemeinsames Leben und Wirtschaften und eine gemeinsame Organisation des Lebensalltages über das bloße gemeinsame Wohnen hinaus erfolgen. Dies wird in der Regel bereits an der Tatsache scheitern, dass auch in der 24-Stunden-Pflege der Haushalt des Pflegebedürftigen nicht Lebensmittelpunkt der Pflegekraft ist. Diese hat vielmehr für gewöhnlich eine eigene Wohnung und ggf. eine eigene Familie, mit der sie eine häusliche Gemeinschaft bildet oder wo sie den Schwerpunkt ihrer privaten Lebensführung hat, während sie im Haushalt des Pflegebedürftigen lediglich eine Arbeitsleistung erbringt.
Schließlich setzt eine häusliche Gemeinschaft nach der Rechtsprechung des VG Berlin regelmäßig voraus, dass gewisse Grundkosten wie beispielsweise Ernährung, Miete, Strom, Telekommunikation etc. zumindest von den erwachsenen Zusammenlebenden anteilig getragen werden. Dies ist in der 24-Stunden-Pflege aber nicht der Fall. Die Pflegekräfte wenden normalerweise kein eigenes Geld für die Bewirtschaftung des Haushalts der Pflegebedürftigen auf.
Hinzu kommt eine von § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG geforderte Eigenverantwortlichkeit bei der Ausübung der Pflege. Eigenverantwortlichkeit setzt die individuelle Verteilung der Arbeitszeit und der jeweiligen Arbeitsschritte durch die Pflegekraft voraus. Es dürfen also keine oder allenfalls geringe Anweisungen hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung der Betreuungstätigkeit bestehen. Pflegekräfte in der 24-Stunden-Pflege unterliegen jedoch im Normalfall den Weisungen des Pflegebedürftigen oder seiner Angehörigen, die Art und Umfang der zu erfüllenden Aufgaben festlegen. Es werden beispielsweise feste Tagesabläufe vorgegeben oder besondere Anweisungen bezüglich der Mahlzeiten oder der körperlichen Hygiene des Pflegebedürftigen erteilt. Der Grad dieser Arbeitsanweisungen wird in der Regel ausreichen, um eine Eigenverantwortlichkeit der Pflegekraft im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG abzulehnen.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Wilking, Rechtsanwalt
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Meine Antwort betraf die rechtliche Situation, wenn Sie als Arbeitgeber auftreten. Es gibt verschiedene Versuche, diese Beschränkungen zu umgehen, z.B. durch Entsendung von Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber im Ausland sitzt und für den weniger strenge Gesetze gelten. Auch für selbständige Pflegekräfte gilt das Arbeitszeitgesetz in dieser Strenge nicht, wobei bei einer 24-Stunden-Betreuung kaum Zeit für andere Auftraggeber bleibt und daher oftmals eine Scheinselbständigkeit vorliegt. Mir ist derzeit aber keine 100%ig legale Methode bekannt, eine einzelne Person dauerhaft in regelmäßigen 24 Stunden Schichten zu beschäftigen.