Erbanteil
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Grass,
vor 3 Jahren verstarb meine Mutter. Aus ihrer 2. Ehe gingen 3 Kinder hervor.
Aus erster Ehe stammen meine Schwester und ich. Wir wurden von ihrem zweiten Ehemann nicht adoptiert. Haben wir, die Kinder aus ihrer ersten Ehe, ein Anrecht auf einen Erbteil?
Wenn ja hätten wir diesen Erbanteil sofort nach dem Tod unserer Mutter einfordern müssen?
Haben wir (Kinder aus erster Ehe) nach dem Tod des Stiefvaters die gleichen Rechte bzgl. Erbanteil, wie seine leiblichen Kinder?
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüßen
B.Schneider
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Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrter Ratsuchender,
ob Ihnen ein Erbe oder ggf. nur ein Pflichtteil zusteht, hängt davon ab, ob Ihre Mutter ein Testament hinterlassen hat oder nicht.
Ist Ihre Mutter ohne Testament verstorben, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Diese bedeutet, dass gem. § 1934 BGB die Abkömmlinge, also die Kinder, des Erblassers erben und daneben (§ 1931 BGB) der Ehemann. Die Höhe des jeweiligen Erbrechts hängt wiederum davon ab, ob Ihre Mutter im Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder mit Gütertrennung (Ehevertrag) verheiratet war. Gab es keinen Ehevertrag beträgt das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten 1/2 (also 50 %) gem. § 1371 BGB.
In diesem Fall, also kein Testament, kein Ehevertrag, wird erbt der Ehemann automatisch 1/2 und die andere Hälfte erben ALLE Kinder der Verstobenen zu gleichen Teilen. Da Ihre Mutter ingesamt 5 Kinder hatte teilen sich diese die zweite Hälfte, so dass jedes Kind 1/10 vom Nachlass erhält.
Das Erbe fällt automatisch an, d.h. man muss nicht unbedingt etwas aktiv tun. Erben bedeutet, dass der gesamte Nachlass Ihrer Mutter automatisch an die Erben (in Höhe der jeweiligen Anteile) fällt, also z.B. vom Kontostand Ihrer Mutter am Todestag würde Ihnen als einer der Erbe 1/10 des vorhandenen Geldes zustehen. Alle Erben zusammen bilden eine sog. Erbengemeinschaft. Allerdings werden Sie ggf. schon aktiv eine Forderung erheben müssen, da Sie ggf. von den anderen Erben "übergangen" wurden. Sie sollten also den Stiefvater auffordern, Auskunft über den Bestand des Nachlasses Ihrer Mutter am Todestag zu erteilen. Diese Auskunft ist mit entsprechenden Unterlagen, Grundbuchauszug, Kontoauszügen usw.zu belegen. Der Erbanteil verjährt auch erst in 30 Jahren, sodass noch nichts zu spät ist.
Etwas anders sieht es aus, wenn Ihre Mutter ein Testament hinterlassen hat. Dann werden die nicht im Testament Bedachten nicht zu Erben, sondern zu Pflichtteilsberechtigten. Der Pflichtteil muss ausdrücklich eingefordert werden und beträgt die Hälfte vom Erbanteil, in Ihrem Fall also 1/20 (§ 2303 BGB). Der Pflichtteilsanspruch verjährt in 3 Jahren. Sollte Ihre Mutter 2014 verstorben sein, hätten Sie noch bis zum 31.12.2017 Zeit, um Ihren Pflichtteil einzufordern. Auch dies geschieht, indem man den Erben auffordert, Auskunft über den Besatnd des Nachlasses zu erteilen und ggf.vor dem 31.12.17 Klage erhebt, wenn keine Einigung erzielbar ist.
Nach dem Tod des Stiefvaters sind Sie allerdings nicht mehr erb- oder pflichtteilsberechtigt. Hierzu müsste Ihr Stiefvater Sie entweder (noch) adoptieren oder zumindest in einem Testament bedenken. Nach der gesetzlichen Erbfolge erhalten Sie nach dem Tod des Stiefvaters nichts.
Ich hoffe, Ihre Fragen konnten umfassend beantwortet werden. Falls noch Verständnisfragen oder Nachfragen bestehen sollten, nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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diesen Sachverhalt hatte ich leider in meiner Fragestellung vergessen:
Trifft Ihre Antwort auch unverändert zu, wenn meine Mutter und ihr zweiter Ehemann (mein Stiefvater) ein gemeinsames Konto hatten und dieses auf den Namen meines Stiefvaters eingerichtet war?
(Ihre Antwort, Absatz 3 "also, z.B. vom Kontostand Ihrer Mutter...).
Vielen Dank
bei gemeinsamen Konten, also solchen, die auf den Namen des Erblassers und des Ehegatten laufen, wird die Hälfte der Kontostandes in das Erbe "eingerechnet". Gleiches würde gelten, wenn die Mutter kein eigenes Konto hatte und alle Zahlungseingänge über das auf den Namen des Stiefvaters laufendes Konto abgewickelt wurden.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass