Anbau ohne Genehmigung
Fragestellung
Sehr geehrte Anwälte ich bitte Sie um Hilfe.
Ich stoße überall auf taube Ohren, weil ich mein Wissen mit Gesetzen nicht belegen kann und hoffe so sehr auf Ihre Hilfe.
- Zum Haus: Baujahr 1972
- Gebäudeklasse 1
- zulässige Werte: Grundfläche Wohngebäude max. 70 m2 (wir haben ca. 60 m2)
- Das Haus ist 1-Geschossig mit Keller-Raumhöhe unter 2,40 m
- Grundfläche Nebengebäude max. 20 m2 (das Nebengebäude, wenn es ein solches ist, hat 19 m2)
- Das Nebengebäude hat die Gleiche Höhe, der untere Raum ist unter 2,40 m und der obere, der eine Ebene mit dem Haus hat über 2,50 m.
- Traufhöhe ab nat. Gelände 5,50 m (das Haus und das - Nebengebäude sind drunter und haben noch Luft nach oben)
- Wir sind Eigentümer seit 12.2011
Zu damaligen Zeiten galt der Flächenabstand von 2,50 m zur Nachbargrenze. Auf einer Seite zum Nachbarn hat das Haus 2,50 m und auf der anderen Seite zum Nachbarn hat das Nebengebäude angebaut direkt an das Haus auch 2,50 m. Das Hauptgebäude wurde so genehmigt und hat Bestandschutz. Das Nebengebäude hat keine Genehmigung. Auf dem Auszug vom Liegenschaftskataster ist dieses Nebengebäude zu sehen. Beim Bauantrag auf Ausbau des Hauses auf 70 m2 hat das Bauamt nach dieser angebauten Fläche nicht gefragt und den Ausbau genehmigt. Obwohl wenn sie den Anbau dazugerechnet hätten, wir weit über 70m2 wären und sie den Ausbau hätten nicht genehmigen dürfen. Und so sind wir davon ausgegangen, das mit dem Anbau alles rechtens ist (hier muss ich unsere Naivität zugeben) und haben den Anbau abgerissen weil es aufgrund des Alters Einsturzgefährdet war und neu errichtet mit den gleichen Abständen und Größe von 19 m2, alt gegen neu ersetzt. Zu den Nachbarn zeigt kein Fenster. Nach genau einem Jahr kommen die Nachbarn und sagen wir haben die Abstandflächen nicht eingehalten. Wir sind zum Bauamt und da fällt das Wort Schwarzbau, die Nachbarn können den Abriss von min. 0,5 m verlangen damit wir auf 3 m Abstand kommen. Bußgeld wurde nicht verordnet, Bauantrag für diesen Anbau ist gewünscht aber nicht verlangt, wir haben keine Frist bekommen. Und das Bauamt will, dass wir diesen Anbau zur Grundfläche des Hauptgebäudes rechnen. Dann dürften wir das Haus nicht mehr so ausbauen wie gewünscht (dürfen wir auch so nicht weil der Architekt einen Fehler gemacht hat, er hat 3 m statt der tatsächlichen 2,50 m Abstand eingetragen und die Baugenehmigung unwirksam geworden ist, aber das ist eine andere Sache bitte nicht beachten, das klären wir mit dem Architekt)
Fragen:
1) Zählt ein Raum zum Nebengebäude, wenn es an das Hauptgebäude direkt angebaut ist? Der Anbau hat eigenes Fundament und Dach. Ein Fenster und eigenen Eingang. Bitte die Nutzungsart nicht beachten. Es geht um den Begriff Nebengebäude. Es gibt ja verschiedene Arten von Räumen, die nicht zur Grundfläche zählen z.B. Zubehör Räume, Abstellräume und Kellerersatzräume außerhalb des Gebäudes, Waschküchen, Bodenräume, Trockenräume, Heizungsräume.
2) Hätte der Voreigentümer eine Genehmigung für diesen Anbau bekommen, wenn er vor 30-40 Jahren einen Antrag auf Nebengebäude mit max. 19 m2 gestellt hätte? Größe und Abstandsflächen sind ja zum damaligen Recht eingehalten worden. Und hätten wir es rückwirkend machen können als wir das Haus gekauft haben?
Zu 2, wenn ja, hätte der Raum Bestandschutz erhalten? Wenn ja, hatten wir das Recht auf wertmäßige Verbesserung des Bauwerkes aufgrund des Alters gehabt? Und wäre das dann evtl. sogar ein Genehmigungsfreies Verfahren, wo wir auch keine Erlaubnis vom Nachbarn gebraucht hätten? Und können wir das jetzt noch rückwirkend machen? Ein Gespräch mit den Nachbarn hat zu keinem positiven Ergebnis geführt.
3) Ist das Recht des Nachbarn nach einem Jahr nicht verwirkt? Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, dass der Nachbar seine Ansprüche frühestmöglich geltend machen muss, um den Bauherr vor Schaden zu bewahren? Die haben das alles gesehen und keiner ist damals gekommen. Das alte Bauwerk hat sie nicht gestört und ein Jahr lang auch das neue nicht.
4) Haben wir das Recht dem Bauamt vorzuwerfen, dass sie vom Anbau wussten (Auszug aus dem Liegenschaftskataster liegt denen vor) und dass sie das über so viele Jahre geduldet haben und, dass der Anbau dadurch einen Bestandschutz erhält.
Bitte möglichst jede Antwort mit einem Gesetz belegen.
Uns geht es darum den Anbau zu behalten und zu legalisieren ohne, dass der Anbau zu der Grundfläche des Hauptgebäudes gezählt wird. Und, dass wir evtl. das alles durchsetzen können ohne Zustimmung der Nachbarn eben aufgrund des Bestandschutzes.
Vielleicht haben Sie nach Ihrer Erfahrung noch eine Idee wie man das erreichen kann.
Vielen Dank!
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Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
1.
Ein Nebengebäude ist dann gegeben, wenn es im Vergleich zum Hauptgebäude untergeordnete Bedeutung hat und also zu diesem hinzukommt. Im Unterschied zum Nebengebäude liegt ein Zubau vor, wenn eine Verbindung zum Hauptgebäude besteht, die zumindest optisch den Eindruck eines Gesamtbaus erweckt, was hier gegeben sein könnte. Der Anbau eines Nebengebäudes an das Hauptgebäude verändert seinen Charakter aber nicht, solange es statisch unabhängig ist, was ja hier mittels des eigenen Fundaments der Fall sein dürfte - ich würde daher so argumentieren.
Dieses ergibt sich aus der jeweiligen Landesbauordnung (Regelung über Abstandsflächen, Grundflächen usw.) in Verbindung mit der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und der dazugehörigen Rechtsprechung. Eine allgemein gültige Definition findet sich nach meiner ersten Recherche so nicht im Gesetz.
2.
Diese Frage stellt sich leider so nicht mehr, da keine Genehmigung beantragt wurde, weshalb der Bau etc. schon formell illegal ist (allein wegen Fehlen der Baugenehmigung), sodass es auf den Einklang mit dem materiellen Baurecht nicht ankommt. Dieses wird erst im Rahmen des stets nachholbaren Baugenehmigungsverfahrens geprüft, dann aber eben nach neuen Recht. Eine rückwirkende Genehmigung gibt es also leider insoweit nicht.
Ein Bestandsschutz gibt es da leider wohl eher nicht, im Einzelnen:
Zum grundsätzlich nicht einfach gesetzlich geregelten Bestandsschutz (aber aus Art. 14 Grundgesetz – Eigentumsgarantie – herleitbar) ist Folgendes zu wissen:
Wenn Sie nachweisen können, dass die baulichen Anlagen und Nutzungen in der Vergangenheit für einen längeren Zeitraum vollständig den damals geltenden Bauvorschriften entsprachen, genießen sie Bestandsschutz. Dann können Sie den daraus resultierenden passiven Bestandsschutz durch behördlichen Bescheid feststellen lassen.
Es gilt jedoch folgende Beweislastregelung:
Den Bestandsschutz muss derjenige beweisen, der sich darauf beruft – also Sie als der Eigentümer. Das gilt auch dann, wenn Sie z. B. wie hier ein Jahrzehnte altes Grundstück gekauft haben oder dieses nach dieser Zeit verkaufen wollen, aber keine Genehmigungsunterlagen dazu bekommen haben. Natürlich wird Ihnen die Behörde bei einem Antrag auf Akteneinsicht (s. o.) Kopien Ihrer eigenen/fremden Genehmigungsunterlagen überlassen – aber wenn auch bei der Bauaufsicht nichts vorliegt, bleibt es leider Ihr Problem.
Ansonsten scheidet Bestandsschutz allein durch Zeitablauf/Duldung durch die Behörde leider aus, da es hier insoweit keine derart geübte Rechtssprechungspraxis gibt, es zudem öffentliche Interessen und die der Nachbarn unzumutbar verkürzen würde.
Sie müssten also im Fall der Fälle am besten Akteneinsicht beim örtlichen Bauamt einholen (lassen - durch einen Anwalt ggf. bei Bedarf). Sie sollten diese bei der Baubehörde beantragen, um zu erfahren, ob nicht doch eine ehemalige Baugenehmigung aus den Akten erkennbar ist und/oder damals ein Einklang mit der damaligen Rechtslage bestand, da würde ich mich an Ihrer Stelle nicht allein auf die Auskunft der Behörde verlassen.
Eine nachträgliche Genehmigung ist außerdem denkbar.
Nicht (beweisbar – was von Ihnen auf Ihr eigenes Risiko zu gewährleisten wäre) genehmigte Bauten sind formell illegal.
Stellt sich zudem heraus, dass das Bauwerk gegen (bau- und sonstige) gesetzliche Bestimmungen und Verordnungen etc. verstößt, handelt es sich um die sogenannte materielle Illegalität, was heißt, das errichtete Bauwerk ist überhaupt nicht genehmigungsfähig.
Nur in einem solchen Fall kann regelmäßig eine Abbruchverfügung ergehen.
Andere Nachtteile wie Bußgelder, Beschränkungen der Nutzung, Baustopp etc. sind aber dennoch behördlicherseits möglich.
3.
Auch eine Verwirkung (§ 242 BGB in entsprechender Anwendung und in Verbindung mit dem Verwaltungsverfahrensgesetzes Ihres Bundeslandes) scheidet an sich aus, da ein Bau fortwährend rechtmäßig sein muss. Eine Verwirkung setzt ein sogenanntes Zeit- und Umstandsmoment voraus, also in Bezug auf Letzteres, dass die Nachbarn in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben haben, dass sie damit einverstanden sind. Das ist hier aber leider nicht der Fall gewesen.
Zudem kann die Baubehörde auch von sich aus tätig werden, auch da kann ich keine Verwirkung erblicken, auch da müsste das Umstandsmoment vorgelegen haben.
4.
Insofern verweise ich auf meine obigen Ausführungen zum Thema Bestandsschutz.
Der am besten und leider wohl allein verfolgbare Punkt ist also der in Bezug auf den Zubau/Nebengebäude (s. o. Nr. 1.), was vielleicht doch mit dem Architekten besprochen werden sollte.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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