Wiederaufbau eines Carports
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Hesterberg,
ich habe eine Frage zum Baurecht in Baden-Württemberg.
Es geht um ein Bauvorhaben meines Nachbars: Er möchte einen Carport abreißen und (identisch oder geändert, das weiß ich noch nicht genau) wieder aufbauen.
Den Wiederaufbau möchte ich verhindern, weil ich der Meinung bin, dass
a. ein abgerissenes Gebäude baurechtlich keine Nachwirkung über den Abriss hinaus hat. Der Wiederaufbau ist m.E. also wie ein Neubau nach den jetzt vorliegenden Rahmenbedingungen (Gesetze, vorhandenes Maß der baulichen Nutzung, etc.) zu bewerten.
b. das Maß der baulichen Nutzung auf dem Grundstück zwar zum damaligen Zeitpunkt der Carport-Errichtung genehmigungsfähig war, inzwischen aber durch die vom Baurechtsamt rechtswidrig erteilten Befreiungen so weit überschritten ist, dass eben nur noch ein Abriss, aber kein Wideraufbau möglich ist
Meine Motivation ist eigentlich gar nicht so sehr dieser Carport. Es geht eigentlich darum, mit dieser Argumentation jede weitere Bautätigkeit auf diesem Grundstück zu unterbinden (nach ca. 16 Bauanträgen in 17 Jahren).
Oder in anderen Worten erklärt
- Zum Zeitpunkt der Errichtung des Carports war das Maß der baulichen Nutzung so, dass der Carport genehmigt werden konnte
- Inzwischen ist aber durch andere Bauwerke das Maß der baulichen Nutzung massiv überschritten, weshalb das örtliche Baurechtsamt auch schon vom RP Tübingen gerügt wurde:
o Dass es sich vorliegend bei der Baugenehmigung möglicherweise um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt …“
o „Die erteilte Baugenehmigung vom 02.08.2006 verstößt nämlich gegen materielles Baurecht und ist deshalb zu Unrecht ergangen“.
o „… erteilte Befreiung ist rechtswidrig“
o „ „Dies überschreitet jedoch die Befugnis der Baurechtsbehörde“
o „… notwendige Befreiung nicht mehr vertretbar und deshalb unzulässig“
o „… formelle und materielle Baurechtswidrigkeit der Anlage“.
- Auch nach Abriss des Carports wäre das Maß der baulichen Nutzung m.E. immer noch so weit überschritten, dass eine Befreiung durch das Baurechtsamt ein erneuter rechtswidriger Verwaltungsakt wäre
Ich habe also ein doppeltes Problem:
- einen extrem bauwütigen Nachbarn
- ein unfähiges Baurechtsamt
Nun meine konkreten Fragen:
- Stimmt meine Einschätzung (oben als a. und b.) bezeichnet?
- Welche Gesetze / Rechtsprechung belegen diese Rechtsauffassung?
Vielen Dank im Voraus!
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Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
a)
Möglicherweise ist sogar der Abbruch zu genehmigen, vgl. Landesbauordnung BW, § 49
"Genehmigungspflichtige Vorhaben
Die Errichtung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie der in § 50 aufgeführten anderen Anlagen und Einrichtungen bedürfen der Baugenehmigung, soweit in §§ 50, 51, 69 oder 70 nichts anderes bestimmt ist." [Allerdings sieht § 50 - Verfahrensfreie Vorhaben - vor:
[...]
(3) Der Abbruch ist verfahrensfrei bei
1.
Anlagen nach Absatz 1,
2.
freistehenden Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 3,
3.
sonstigen Anlagen, die keine Gebäude sind, mit einer Höhe bis zu 10 m.
(4) Instandhaltungsarbeiten sind verfahrensfrei.]
Gerade der Absatz 4 des § 50 zeigt in der Tat, dass man für den Wiederaufbau grundsätzlich eine Baugenehmigung einholen muss.
Instandhaltungsarbeiten liegen hier nicht mehr vor.
Verfahrensfreie Vorhaben sind nur Garagen einschließlich überdachter Stellplätze (Carports) mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Grundfläche bis zu 30 m², außer im Außenbereich (= in Abgrenzung zum Innenbereich, dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil, vgl. §§ 34 f. BauGB).
Daher gilt auch die heutige Sach- und Rechtslage, wenn jetzt der Carport errichtet werden soll.
b)
Sie schreiben: "Inzwischen ist aber durch andere Bauwerke das Maß der baulichen Nutzung massiv überschritten, weshalb das örtliche Baurechtsamt auch schon vom RP Tübingen gerügt wurde: [...]."
Dann pflichte ich Ihnen bei, was Sie in den Punkten ° 1- 6 weiter unten aufgeführt haben.
Um das abschließend beurteilen zu können benötige ich aber Ihre Mitteilung, ob es da z. B. eine verwaltungsrechtliche Vor- bzw. Widerspruchsverfahren gegeben hat und Ihrem Widerspruch durch das RP Tübingen stattgegeben wurde. Oder war dieses im Zuge einer sonstigen Anfrage?
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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Vielen Dank!
so ganz klar ist es mir jetzt leider noch nicht geworden.
Ich versuche, es so kurz und eindeutig wie möglich zusammen zu fassen.
Ich bitte sie, dies aus Ihrer Sicht rechtlich zu kommentieren. Mir geht es vor allem auch darum, ob die Gedankenkette sachlich richtig und schlüssig ist.
1. Baurechtlicher Bestandsschutz:
Frage: Zählt ein Abriss mit Wiederaufbau zu den Instandhaltungsarbeiten und unterliegt damit dem baurechtlichen Bestandsschutz?
Antwort: Das haben Sie bereits klar beantwortet: Nein
2. Verfahren:
Frage: Sind Abriss und Wiederaufbau genehmigungspflichtig oder verfahrensfrei?
Antwort: Hier benötige ich derzeit keine Antwort von Ihnen, da 3. gilt
3. Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften:
Frage: Was gilt nach §50 (5): „Verfahrensfreie Vorhaben müssen ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. §57 findet entsprechende Anwendung.“?
Antwort: Unabhängig vom Verfahren müssen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Dazu zählen auch die LBO und BauNVO in der für den vorhandenen Bebauungsplan (aus den 1960er Jahren) gültigen Fassung. Also ist insbesondere das zulässige Maß der baulichen Nutzung einzuhalten.
4. Einhaltung des zulässigen Maßes der baurechtlichen Nutzung:
Frage: Ist auch nach einem Abriss des Carports, in jedem Fall aber nach einem Wiederaufbau, das zulässige Maß der baulichen Nutzung so weit überschritten, dass es über den Ermessungsspielraum des Baurechtsamtes hinausgeht?
Antwort: Hier benötige ich keine Antwort von Ihnen, da dies aus einem Dokument vom RP Tübingen (siehe Anmerkung unten) ziemlich klar hervorgeht: Das zulässige Maß wäre so drastisch überschritten, dass es über dem Ermessensspielraum des Baurechtsamtes liegt.
5. Konsequenz für Abriss und Wiederaufbau:
Frage: Welche Konsequenz hat dies für die Genehmigung von Abriss bzw. Wiederaufbau?
Antwort: Ein Abriss wäre genehmigungsfähig, ein Wiederaufbau wäre nicht genehmigungsfähig.
6. Konsequenz für mich als Anlieger:
Frage: Was empfehlen Sie mir zum weiteren Vorgehen?
Antwort: Nur eine einfache Stellungnahme zum Bauantrag? Ein Schritt mit aufschiebender Wirkung? Fachaufsichtsbeschwerde?
Vielen Dank im Voraus.
Wie von Ihnen gewünscht noch eine Erläuterung zum Dokument des RP Tübingen: Das Baurechtsamt hatte in 2008 eine Abrissverfügung zu einem anderen Nebengebäude erteilt, dagegen hatte der Nachbar Einspruch erhoben, das RP Tübingen hatte den Einspruch abgelehnt, dann hatte der Nachbar vor dem VG Sigmaringen geklagt. Vor dem VG wurden sowohl Nachbar als auch Baurechtsamt schwer gerügt, aber es kam leider zu keinem Urteil, das Verfahren ruht nur unter gewissen Auflagen.
Mit freundlichen Grüßen
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich denke, wie sollten das kurz tel. klären, da wir sonst hin und her schreiben dürften, ohne weiterzukommen. Ist das für Sie in Ordnung? Ich rufe Sie auch gerne an.
Danke für Ihr Verständnis, denn ich verstehe Ihre (noch vorhandenen Fragen nicht ganz, was Sie mir bitte nachsehen mögen).
Danke für Ihre Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
Auf der Grundlage meiner Annahmen (insbesonder Punkt 4 meines vorherigen Kommentars) wurde die Gedankenkette bestätigt.
Vielen Dank für die Beratung und das gute Gespräch.