Der Bundesgerichtshof wird wohl am 01.12.2015 aller Voraussicht nach darüber zu befinden haben, wann das Widerrufsrecht bei einem Darlehen als verwirkt oder rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.
In der Mehrzahl der Fälle sind die von Oktober 2002 bis Juni 2010 verwandten Widerrufsbelehrungen der Banken fehlerhaft. Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen setzen die Widerrufsfrist nicht in Gang, sodass solche Verträge von Verbrauchern auch heute noch wiederrufen werden können. Grundsätzlich besteht dieses Widerrufsrecht zeitlich unbeschränkt, die Grenze für die Ausübung des Widerrufsrechtes bilden die sog. Verwirkung und der Rechtsmissbrauch.
Etwaige Motive der Klägerseite für den Widerruf begründen keinen Rechtsmissbrauch. Vielmehr trägt das Risiko, dass bei unzureichender Belehrung auch auf eine lange Laufzeit angelegte Verträge widerrufen werden können, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung für den Verbraucher nachteilig darstellt, nach der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen der Unternehmer (OLG Oldenburg, Urt. v. 28.05.2009 - 14 U 60/08- Rz. 51 — zitiert nach juris; Habersack/Schürnbrand ZIP 2014, 749, 756 m.w.N.).
Die Verwirkung eines Rechts tritt ein, wenn es vom Berechtigten über längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und der andere Teil sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH, Urt. v. 23.01.2014 - VII ZR 177/13; Urt. v. 14.06. 2004 - II ZR 395/01). Ob das notwendige Zeitmoment angesichts der Zeitspanne zwischen Abschluss des Darlehensvertrags und der Widerrufserklärung zu bejahen ist, kann offen bleiben, da es jedenfalls am Umstandsmoment fehlt. Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (BGH, Urt. v. 09.10.2013 - XII ZR 59/12). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urt. v. 09.10.2013 a.a.O.).
Die Tatsache, dass die Darlehensnehmer ihre Pflichten aus dem Darlehensvertrag erfüllen und die Darlehensraten gezahlt haben, kann nicht ausreichen, um ein schutzwürdiges Vertrauen der Darlehensgeber zu begründen und als Umstandsmoment die Annahme einer Verwirkung zu rechtfertigen.
Die geforderte und geleistete Bedienung des Vertrages kann auch im Fall von Sondertilgungen nicht den Schluss zulassen, dass sich die Darlehensnehmer inhaltlich mit der Frage der Bestandskraft des Vertrages auseinander gesetzt haben.