Verletzung von Formvorschriften
Beantwortet
Fragestellung
In einem Rechtsstreit um die Verletzung von Formvorschriften, die laut BGH von Amts wegen zu beachten sind und deren Verletzung der Verwirkung nicht zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.7.2004 - V ZR 222/03 - lexetius.com/2004, 1680), will ich sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss vom Landgericht (kein Einzelrichter, sondern Vorsitzender + 2 Richter) einlegen, weil der Beschluss durchweg das Richterspruchprivileg nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB für die vorangegangenen Entscheidungen des LG und OLG geltend macht. Sicher gilt, dass das LG keine Abhilfe schaffen und das OLG meine Beschwerde ablehnen wird. Meines Erachtens ist kein Rechtsmittel gegen einen OLG-Beschluss zulässig. Wie kann ich sicherstellen, dass nach einer Ablehnung durch das OLG der Fall an den BGH weitergereicht wird? Kann ich ggf. Verfassungsbeschwerde gegen einen OLG-Beschluss einlegen?
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Antwort des Experten
Sehr geehrter Fragensteller,
zum Einstieg möchte ich Ihnen erst einmal den konkreten Wortlaut des von Ihnen zitierten BGH Urteils benennen - BGH, Urteil vom 16. 7. 2004 - V ZR 222/03, DNotZ 2005, 120:
"Wird ein Vertrag trotz Verletzung gesetzlicher Formvorschriften über einen längeren Zeitraum hinweg als wirksam behandelt, so verstößt die Berufung auf den Formmangel nicht bereits dann gegen § 242 BGB, wenn die Voraussetzungen der Verwirkung gegeben sind.
Entgegen der Ansicht des BerufungsG können die Verwirkungsregeln jedenfalls für Einwendungen nicht gelten, die sich aus der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften ergeben. Dies folgt aus dem - vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen - Grundsatz, dass die Einhaltung gesetzlicher Formerfordernisse im Interesse der Rechtssicherheit liegt und es deshalb nicht angeht, sie aus allgemeinen Billigkeitserwägungen unbeachtet zu lassen (Senat, BGHZ 45, 179, 1821; 92, 164, 172; Senat, Urt. v. 14. 6. 1996 - V ZR 85/952, NJW 1996, 2503, 2504).
Für die Annahme eines Verstoßes gegen § 242 BGB bei Berufung auf die Formnichtigkeit hat die Rechtsprechung deshalb strengere Anforderungen entwickelt. Hiernach muss das Scheitern des Rechtsgeschäfts an dem Formmangel zu einem Ergebnis führen, das für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist (Senat, BGHZ 138, 339, 348 m.w. Nachw.3). Diese Voraussetzung erfüllen insbesondere zwei Fallgruppen, nämlich zum einen die Fälle der Existenzgefährdung und zum anderen die Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils (Senat, aaO).
Die besonderen Erfordernisse für einen ausnahmsweise nach § 242 BGB unschädlichen Formmangel liegen nicht ohne weiteres vor, wenn die Voraussetzungen der Verwirkung erfüllt sind. Zur Verwirkung reicht es aus, dass von einem Recht über einen längeren Zeitraum hinweg kein Gebrauch gemacht wurde und besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen rechtfertigen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht (BGHZ 105, 290, 298 m.w.Nachw.). Die Begründung dieses Vertrauenstatbestands setzt mithin nicht den Eintritt eines schlechthin untragbaren Ergebnisses und insbesondere keine besonders schwere Treuepflichtverletzung voraus. Zwar kann Letztere auch daran anknüpfen, dass ein Vertrag über längere Zeit als wirksam behandelt wurde, vergleichbar dem „Zeitmoment” der Verwirkung, also eine Geltendmachung der Formnichtigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg unterblieben
ist. Allein die Missachtung des hierdurch begründeten Vertrauens genügt aber noch nicht für die Annahme einer besonders schweren Treuepflichtverletzung. Zu einem wegen Widersprüchlichkeit treuwidrigen Verhalten, zu dem als eigenständige Ausprägung auch die Verwirkung zählt (MünchKommBGB/Roth, 4. Aufl., Bd. 2a, § 242 Rdn. 256, 297), müssen vielmehr Umstände hinzukommen, die das Verhalten als im hohen Maße widersprüchlich erscheinen lassen (vgl. BGHZ 92, 164, 173; Senat, Urt. v. 14. 6. 1996 - V ZR 85/952, aaO). So hat der Senat etwa die Widersprüchlichkeit eines Verhaltens nicht ausreichen lassen, die darin liegt, dass die begünstigte Partei die Wirksamkeit des Vertrages zunächst nicht bezweifelte, um sich dann aber im Lauf des Rechtsstreits doch auf Formnichtigkeit zu berufen (Senat, BGHZ 138, 339, 3483).
Diese Erwägungen liegen auch der von dem BerufungsG zitierten Entsch. des Senats (Urt. v. 18. 5. 2001 - V ZR 353/994, VIZ 2001, 499, 501f.) zugrunde. Die Auffassung des BerufungsG, in dieser Entscheidung habe der Senat eine Verwirkung des Nichtigkeitseinwandes bejaht, geht fehl. Grundlage für die Annahme eines nach § 242 BGB unschädlichen Formmangels war vielmehr ausdrücklich ein „in hohem Maße widersprüchliches und treuwidriges” Verhalten. Die Partei, die sich auf die Formnichtigkeit berief, hatte nicht nur über einen längeren Zeitraum, nämlich zwanzig Jahre, hinweg erhebliche Vorteile aus einem nichtigen Vertrag gezogen, sondern der formnichtige Vertragsschluss war aus Sicht beider Parteien auch zur Verwirklichung ihrer Ziele - der Umgehung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Geschäfts nach der Rechtspraxis der DDR - erforderlich (vgl. auch Senat, BGHZ 124, 321, 324f.5).
Das BerufungsG hat - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - keine Feststellungen getroffen, die die Annahme eines in hohem Maße widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten tragen können. Zwar wurde der Kaufvertrag auch von den Beklagten über einen längeren Zeitraum hinweg als wirksam behandelt. Selbst für ein (nur) widersprüchliches Verhalten der Beklagten reicht dies jedoch nicht aus, weil es an weiteren Umständen fehlt, wie etwa der Feststellung, dass die Beklagten über längere Zeit aus dem nichtigen Vertrag Vorteile gezogen haben und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen wollen (vgl. Senat, Urt. v. 14. 6. 1996 - V ZR 85/952, aaO). (…)"
Sollte der ihrige Sachverhalt mit dem genannten Urteil vergleichbar sein ( was ich wegen fehlender Sachverhaltskenntnis nicht beurteilen kann ), sind weitere Rechtsmittel sicherlich sinnvoll.
Sollte das LG im ersten Rechtszug per Beschluss entscheiden haben, wäre in der Tat die sofortige Beschwerde nach nach den §§ 567 ff. ZPO das richtige Rechtsmittel. Dabei sind die in den Normen genannten Fristen und inhaltlichen Vorgaben zu beachten. Zwar besteht kein Anwaltszwang, sicherlich würde es aber nicht schaden, den mit der Sache vertrauten Kollegen mit der Angelegenheit zu befassen.
Gegen ein Beschluss des OLG ist die Rechtsbeschwerde in der Tat nach § 574 ZPO nur unter engen Voraussetzungen möglich:
"(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
1. dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2. das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird."
Dann ist in einem nächsten Schritt unter Umständen die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO beim BGH zu erheben.
Erst als allerletztes wäre eine Einschaltung des BVerfG statthaft und möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Saeger
- Rechtsanwalt -
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