Zweitwohnsitz
Beantwortet von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel in unter 2 Stunden
Fragestellung
Bin 59 Jahre alt und wohne schon seit Jahren in meinem Elternhaus bei meiner Mutter (ohne Mietvertrag) und übernehme seit der Zeit diverse Kosten wie u.a. das Heizöl.
Brauche ich einen Mietvertrag an meinem Heimat-Wohnort, um eine zweite Wohnung am Arbeitsort steuerlich geltend machen zu können?
Mein neuer Arbeitsplatz ist ca. 200 km entfernt.
Bin kulturell im Ort eingebunden und aktiv im Fußballverein, Gesangverein und in einem Kleinkunstverein und fahre jedes Wochenende zurück, um meine jahrzehntelangen Kontakte nicht aufzugeben.
Gibt es Dinge, die ich in diesem Zusammenhang organisieren bzw. beachten muss?.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel
Sehr geehrte/r Fragesteller/in,
im Rahmen einer Erstberatung, Ihres Einsatzes und den von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben, möchte ich Ihre Fragen gerne im Nachstehenden wie folgt beantworten:
Ihre Fragen drehen sich um die sogenannte doppelte Haushaltsführung. Der Hauptwohnsitz/Haushalt befindet sich bei Ihrer Mutter, der 2. Wohnsitz/Doppelter Haushalt am Ort der Berufsausübung.
Wenn Sie aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Beschäftigungsort führen, können Sie Ihre Aufwendungen als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Voraussetzung ist, dass Sie bei Ihrer Mutter bereits einen eigenen Haushalt haben. Dieser ist ja wie Sie beschreiben weiterhin Ihr Lebensmittelpunkt, Freunde, Interessen, etc. Sie beteiligen sich finanziell nicht unerheblich am Haushalt Ihrer Mutter.
Bis zu 1.000 Euro der monatlichen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort können Sie als Werbungskosten absetzen. Das Finanzgericht Düsseldorf ist – anders als viele Finanzämter – der Meinung, dass zusätzlich die nachweisbaren Aufwendungen für Möbel, Gardinen, Lampen und Haushaltsartikel absetzbar sind. Diese wären dann auch absetzbar, wenn Sie die monatliche 1.000-Euro-Grenze schon mit den Mietkosten ausgeschöpft hätten.
Ihre Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen (innerhalb der ersten drei Monate) und etwaige Umzugskosten wirken sich ebenfalls steuermindernd aus.Für eine doppelte Haushaltsführung müssen somit zwingend diese Punkte erfüllt sein:
Die 2. Wohnung wird aus beruflichen Gründen bezogen. Sie nutzen diese Zweitwohnung am Ort der „ersten Tätigkeitsstätte“, dem Beschäftigungsort. Auf jeden Fall sollten Sie von dieser Wohnung aus den Arbeitsplatz schneller erreichen können als von der Hauptwohnung. Sie schreiben Distanz 200 km.
Wie Sie schreiben unterhalten Sie weiterhin außerhalb des Beschäftigungsorts Ihren Hauptwohnsitz. Dieser Hauptwohnsitz bildet nach Ihren Ausführungen Ihren Lebensmittelpunkt.
Das Finanzamt berücksichtigt dann die Kosten der Zweitwohnung, Fahrtkosten, innerhalb der ersten drei Monate Zusatzkosten für die Verpflegung (Verpflegungsmehraufwendungen) und Umzugskosten. Ihre Mehraufwendungen können Sie als Werbungskosten abziehen, soweit Ihr Arbeitgeber sie Ihnen nicht steuerfrei erstattet hat. Eine anerkannte doppelte Haushaltsführung gilt unbefristet, das heißt über den gesamten Zeitraum der Beschäftigung (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes).
Die doppelte Haushaltsführung muss beruflich veranlasst sein. Wegen des Wechsel des Beschäftigungsorts, weil Sie versetzt wurden, ein Wechsel des Arbeitsplatzes, die Aufnahme eines Beschäftigungs- oder Dienstverhältnisses außerhalb Ihres bisherigen Wohnorts und dessen Umgebung, etc. Es gibt zahlreiche Gründe.
Immer geht es aber darum, dass von der Zweitwohnung aus die Tätigkeitsstätte schneller zu erreichen ist als vom 1. Wohnsitz aus. Das Ganze funktioniert auch umgekehrt: Eine doppelte Haushaltsführung ist ebenfalls beruflich begründet, wenn Sie Ihre Hauptwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegen – und anschließend am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt gründen, um von dort aus weiter Ihrem bisherigen Job nachzugehen (sogenannte Wegverlegungsfälle). Dies ist aber auf Grund Ihrer Schilderung ja nicht der Fall.
Zum eigener Haushalt und damit zur Anerkennung einer doppelte Haushaltsführung ist es notwendig, dass Sie an Ihrem Beschäftigungsort eine Zweitwohnung haben und einen eigenen Haushalt an einem anderen Ort führen, der Ihren Lebensmittelpunkt darstellt.
Ein eigener Haushalt, z. B. bei Ihrer Mutter, setzt eine Ihren Lebensbedürfnissen entsprechende Wohnung voraus. Diese Wohnung muss Ihnen gehören, von Ihnen gemietet sein, oder Sie dürfen sie als Partner oder Ehegatte nutzen. Außerdem bestimmen Sie die Haushaltsführung selbst oder tragen wesentlich dazu bei.
Seit 2014 ist zudem eine finanzielle Beteiligung an den laufenden Kosten der Haushaltsführung vorgeschrieben. Diese muss nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF) die Bagatellgrenze von 10 Prozent der monatlich anfallenden Kosten überschreiten. Hierzu zählen: Miete, Mietnebenkosten, Aufwendungen für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Während das BMF bei Ehegatten mit den Steuerklassen III, IV oder V immer eine finanzielle Beteiligung annimmt, ist sie in anderen Fällen nachzuweisen. Kritisch hinterfragt werden in der Praxis die Fälle, bei denen volljährige Kinder ein Zimmer im Elternhaus als Erstwohnsitz angeben.
Wenn Sie unentgeltlich ein Zimmer in der elterlichen Wohnung nutzen, gilt das nicht als eigener Hausstand. Sie müssen belegen können, dass Sie sich an den laufenden Kosten mit mindestens 10 Prozent beteiligen. Auch wer sich in einem Wohnmobil aufhält, unterhält keinen eigenen Haushalt. Dagegen kann ein eigener Hausstand vorliegen, wenn Sie im Haus Ihrer Eltern eine abgeschlossene Wohnung allein nutzen und hierfür zahlen.
Der Mittelpunkt Ihres Lebensinteresses muss sich auf Dauer am Erstwohnsitz befinden. Bei Verheirateten gilt in der Regel die Familienwohnung als Lebensmittelpunkt, wenn der Arbeitnehmer sie mindestens sechsmal im Jahr aufsucht. Sie machen das lt. Schilderung wöchentlich. Bei Singles gilt als Lebensmittelpunkt der Ort, zu dem sie die engere persönliche Bindung haben. Wer seine Wohnung an diesem Ort weniger als zweimal im Monat besucht, sollte beispielsweise mit den Beziehungen zu Eltern, zum Lebenspartner, zur Verwandtschaft und zu Freunden argumentieren können oder auch mit der Mitgliedschaft in einem Verein.
Die Kosten der Möblierung und die nötige Ausstattung mit sonstigem Hausrat für die Zweitwohnung können Sie möglicherweise unbegrenzt geltend machen (zum Beispiel die zweite Waschmaschine), soweit sich diese in angemessenem Rahmen bewegen. Wenn die Anschaffungskosten für den einzelnen Gegenstand nicht die Nettogrenze von 410 Euro überschreiten (Bruttorechnungsbetrag 487,90 Euro), sind sie sofort und in voller Höhe abziehbar. Höhere Kosten müssen Sie über die voraussichtliche Nutzungsdauer verteilen und abschreiben. Für sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG), die Sie ab 2018 anschaffen, wird der Nettowert auf 800 Euro (brutto 952 Euro) je Gegenstand erhöht, beispielsweise ein Schrank. Wenn Sie also mit der Einrichtung noch warten können, dann sollten Sie erst ab Januar 2018 einkaufen, um davon zu profitieren. Die Aufwendungen müssen belegbar sein.
Fahrtkosten: Zu den abziehbaren Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gehören auch die Fahrtkosten aus Anlass des Wohnungswechsels zu Beginn und am Ende der doppelten Haushaltsführung sowie für wöchentliche Heimfahrten zum Haupthaushalt. Für die erste und letzte Fahrt dürfen Sie die tatsächlichen Kosten abrechnen oder pro gefahrenen Kilometer 30 Cent. Für Familienheimfahrten gilt hingegen die Entfernungspauschale: Pro Entfernungskilometer werden 0,30 Euro anerkannt, wenn Sie mit Ihrem eigenen Auto gefahren sind (kein Dienst- oder Firmenwagen). Weil es sich um eine Pauschale handelt, müssen Sie hierfür keine Belege abgeben. Allerdings kann das Finanzamt Sie trotzdem dazu auffordern, insbesondere dann, wenn Sie für jede Woche Fahrtkosten geltend machen. Denn die Entfernungspauschale ist nur für tatsächlich durchgeführte Familienheimfahrten anwendbar.
Falls Sie nicht jede Woche nach Hause fahren, sollten Sie für solche Wochen wenigstens die Telefonkosten für ein Ferngespräch mit Angehörigen (bis zu einer Dauer von 15 Minuten) ansetzen. Auch Anteile der Grundgebühr oder der Flatrate-Gebühr sind ansetzbar.
Bei Heimreisen mit dem Zug, Flugzeug oder Bus können Sie die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Reisekosten absetzen.
Verpflegungsmehraufwendungen: Für höchstens drei Monate nach dem Einzug am neuen Arbeitsort können Sie Pauschbeträge für Verpflegung von der Steuer geltend machen. Für jeden Kalendertag, an dem Sie von Ihrer Hauptwohnung abwesend waren, werden die auch bei Auswärtstätigkeiten absetzbaren Beträge anerkannt. Entscheidend ist die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung am Lebensmittelpunkt.
Ich hoffe Ihre Anfrage richtig verstanden- und ausreichend beantwortet zu haben. Sollten Rückfragen bestehen, nutzen Sie bitte gerne die Nachfragefunktion.
Sollte meine Antwort zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen sein, würde ich mich sehr über eine Bewertung freuen.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater
vereidigter Buchprüfer
Potsdamer Str. 148a, 33719 Bielefeld
Telefon (0521) 92420-0
E-mail: info@ingo-kneisel.de
Internet: www.ingo-kneisel.de
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Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP
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Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP