Welche Stärken und Schwächen zeichnen Sie aus? Diese Frage ist der Klassiker in jedem Vorstellungsgespräch und doch immer wieder eine ziemliche Herausforderung. Unsere Schwächen kennen wir meißtens sehr genau- aber unsere Stärken? Da kann es schon mal schwierig werden.

Dabei könnten wir uns die Antwort sehr viel einfacher machen. Es kommt ganz darauf an, in welchem Zusammenhang und unter welchen Umständen wir unsere Stärken und Schwächen betrachten und bewerten. Denn im Grunde sind sie nichts anderes als persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften. Völlig neutral. Erst unsere eigene Beurteilung und die Lebensumstände, unter denen Ihre Vor- oder Nachteile deutliche werden, machen diese Persönlichkeitsmerkmale zu einem Plus oder Minusfaktor unseres Charakters- zu Stärken oder Schwächen.

So kann große Kontaktfreudigkeit auf einer Party sehr gut ankommen und als Stärke wahrgenommen werden, in einer Runde von Trauergästen allerdings kann das gleiche Verhalten schnell als taktlos und charakterschwach gelten. Oder nehmen wir einmal an, sie sind ein ungeduldiger Mensch und leiden darunter, dass Sie schlecht abwarten können. Wann ist Ihnen diese Eigenschaft schon einmal positiv begegnet? Was haben Sie damit erreicht? Kann es sein, dass Ihr Tatendrang Sie schon häufiger zügig ans Ziel gebracht hat?

Stärken und Schwächen kann man sich auch als besonders starke Ausprägungen einer bestimmten Eigenschaft vorstellen. Je nachdem, in welchem Zusammenhang und in welchem Umfeld wir Sie leben, erfahren wir Sie stark polarisiert, als Stärke oder Schwäche.

Sicher erinnern Sie sich an das alte Sprichwort: „Die Wahrheit liegt immer in der Mitte.“ Genau dort befindet sich des Pudels Kern, das Zentrum unserer Stärken und Schwächen, die ursprüngliche, wertfreie Eigenschaft an sich. Das ist die Fähigkeit, die sie auszeichnet, die sie zu einer ganz besonderen Persönlichkeit macht- und die Sie auf vielfältige Weise einsetzen und für sich nutzen können.

Vielleicht haben Sie Lust, das jetzt sofort an einem Beispiel zu überprüfen?

Schreiben Sie links eine Ihrer großen Schwächen auf ein Blatt Papier- irgendetwas, dass Sie stört und dass Sie gerne ändern möchten. Zum Beispiel: SCHÜCHTERNHEIT. In welchem Zusammenhang haben Sie diese Eigenschaft schon einmal positiv erlebt, oder sind dafür gelobt worden? Wie waren Sie dann? Wahrscheinlich haben Sie ANDEREN RAUM GEGEBEN, damit sie sich entfalten konnten. Diese Eigenschaft können Sie rechts notieren. Schauen Sie sich jetzt die beiden scheinbaren Gegensätze an. Was verbindet die beiden Pole? Was ist der gemeinsame Anteil Ihrer Stärken und Schwächen? Welcher Ihrer individuellen Eigenschaften entspringen Sie? Das kann ACHTSAMKEIT sein, oder auch eine SENSIBLE WAHRNEHMUNG. Das ist Ihre Mitte! Ist das nicht großartig, über eine solche Kompetenz zu verfügen?

SCHÜCHTERNHEIT sensible Wahrnehmung ANDEREN RAUM GEBEN

Die verborgene Qualität in unseren Schwächen zu sehen, kann uns helfen, unser Verhalten neu zu bewerten und dessen volles Potenzial für unser Leben zu nutzen. Wenn wir genau hinschauen, können wir sehen, dass unsere Schwächen, die uns behindern oder blockieren, genau die Persönlichkeitsanteile enthalten, die uns in unserem Leben weiterbringen, also zu unseren Stärken zählen. Sie sind wie zwei Seiten einer Medaille und ergeben erst zusammen einen Sinn.

Und wenn Sie das nächste Mal nach Ihren Stärken und Schwächen gefragt werden, kann es sein, dass Sie mit einer ziemlich kurzen Antwort überraschen: „Meine Stärken sind meine Schwächen und umgekehrt!“ ;-)