Arbeitszimmer steuerlich absetzen
Beantwortet von Steuerberater Dipl.-Kfm. Rainer Schenk
Fragestellung
Ich bin Musiker, der mit seinen 80 Jahren nur noch relativ selten (dann aber mit hohem Honorar!)dirigiert, aber viele bezahlte Vorträge über Musik hält. Daneben arbeite ich im bisher anerkannten Arbeitszimmer an einem 4. Buch (drei sind mit mehreren Auflagen veröfentlicht)und an Beiträgen, die in Fachzeitschriften erscheinen. All das erfordert nicht nur zeitaufwendige Vorbereitung, sondern auch viel Schriftverkehr, den ich ausschließlich in meinem Arbeitszimmer ausführen kann. Offenbar beruft sich das Finanzamt in einer Stellungnahme auf die oben zitierte Regelung für Hochschullehrer und Richter, deren Arbeitsplatz auch auf dem Richterstuhl oder im Hörsaal liegt. Nur meine gesamten Tätigkeiten sind eben ausschließlich überhaupt erst möglich mit umfangreichem Schriftverkeht und äußerst zeitaufwendiger Vorbereitung, für die kein anderer Arbeitsplatz als der häusliche zur Verfügung steht. Wie ist die Sachlage zu beurteilen? Ich bin Mitglied und jahrelang Vizepräsident einer Akademie der Künste. Ich würde gegebenenfalls einen Musterprozess führen wollen.
Das Finanzamt droht, mir die seit Jahrzehnten gewährte Anerkennung eines Arbeitszimmers abzuerkennen - und zwar expressis verbis als Gegenleistung dafür, dass sie nach jahrelangem Rechtsstreit die Anschaffung eines ärztlich verordneten Hometrainers anerkennn will. Ich habe eine Hinterstrangataxie, eine neurologische Schädigung, die Schwindel und eine massive Gehbehinderung zur Folge hat (mit 60% Schwerbehinderung anerkannt). Die fürs Laufen und Stehen so wichtige Beinmuskulatur kann ich nur sitzend trainieren, da jedes Stehen beim Trainieren sofort Schwindel und damit große Gefahr des Hinfallens erzeugt. Mir leuchtet der Zusammenhang zwischen Anerkennung des Arbeitszimmers und Anerkennung der Anchaffungskosten für den Hometrainer nicht ein.
Mit Dank für Ihre Antwort
Prof. G. J.
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Antwort von Steuerberater Dipl.-Kfm. Rainer Schenk
Sehr geehrter Herr Professor,
zunächst herzlichen Dank dafür, dass Sie sich mit Ihrem steuerlichen Problem an unsere Expertenplattform gewendet haben. Anhand des von Ihnen geschildersten Sachverhaltes möchte ich Ihnen wie folgt antworten und hierzu natürich auch einige wichtige Rahmaninfomrationen bzgl. der steuerlichen Abzugsfährigkeit des Arbeitszimmers geben, bevor ich auf Ihren Fall konkret eingehen werde.
Nach der Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung in den Veranlagungszeiträumen dann als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet oder für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung muss der Raum aber nicht zwingend nur Arbeiten büromäßiger Art ermöglichen. Ein häusliches Arbeitszimmer kann auch bei geistiger, künstlerischer oder schriftstellerischer Betätigung gegeben sein.
Aufwendungen, die ein häusliches Arbeitszimmer betreffen, sind in vollem Umfang als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bildet. Es kommt dann nicht zu einer Begrenzung des Aufwands auf den Maximalbetrag i. H. v. 1.250 EUR jährlich, der das zu versteuernde Einkommen mindert und damit die Steuer.
Der sog. Tätigkeitsmittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Qualitativ liegt der Schwerpunkt einer Betätigung dort, wo der Steuerpflichtige die Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind.
Nicht entscheidend ist somit der ¬zeitliche (quantitative) Umfang. Dem quantitativen Umfang der Nutzung kommt im Rahmen der "Mittelpunkts-Beurteilung" nur indizielle Bedeutung zu.
Nur wenn der Steuerpflichtige sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch am außerhäuslichen Arbeitsort nur eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausübt, die in qualitativer Hinsicht gleichwertig ist, liegt der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte der Arbeitszeit dort tätig wird.
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Bei IHNEN liegen jedoch mehrere Tätigkeiten vor, die sowohl im häuslichen Arbeitszimmer, als auch außerhalb vorgenommen werden.
Übt ein Steuerpflichtiger mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus (Dirigent, Schriftsteller etc.), ist nicht auf eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigung abzustellen; vielmehr sind alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet.
Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit, anhand konkreter Umstände des Einzelfalls glaubhaft zu machen oder nachzuweisen, dass die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und dass dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt.
In Ihrem Fall haben wir den Vorteil, dass das Finanzamt bisher immer das häusliche Arbeitszimmer scheinbar anerkannt hat, was Beweis dafür ist, dass die Beurteilung hinsichtlich der Gesamtheit der Tätigkeiten bisher positiv beurteilt wurde. Natürlich könnte das Finanzamt seine Meinung ändern und eine andere Sicht der Dinge vortragen, die zur Ablehnung der steuerlichen Abzugsfähigkeit führt.
Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, sind des Weiteren zu berücksichtigen, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Höhe des berücksichtigungsfähigen Aufwands ist dann auf den Maximalbetrag von 1.250 EUR begrenzt. Ich denke, dass Ihnen zumindest dieser Betrag gewährt werden sollte.
Am Ende ist es wohl erforderlich, anhand Ihres konkreten Einzelfalles glaubhaft zu machen bzw. (argumentativ) nachzuweisen, dass die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und dass dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Wenn Sie über Ihre schriftstellerische Tätigkeit signifikante Einnahmen haben und zudem nachgewiesen werden kann, dass Sie Ihre aktive Tätigkeit als Dirigent nur ausüben können, indem Sie sich zu Hause im Arbeitszimmer darauf vorbereiten, sollte es Ihnen gelingen, die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten des Arbeitszimmers durchzusetzen. Natürlich müssen die Aufwendungen dann auch von Ihnen alleine getragen worden sein. Ansonsten würden die Kosten anteilig entfallen.
Gerne bin ich Ihnen behilflich, Ihr Recht durchzusetzen. Ich möchte aber anraten, dass es nicht sachdienlich ist, Dass Sie mit dem zuständigen Finanzbeamten telefonisch über Ihre Angelegenheit diskutieren. Meistens werden von dem Beamten gezielte Fangfragen gestellt, die dann zusammen mit Ihren mündlich vorgetragenen Antworten im Rahmen eines Rechtsstreites unerwartet als „Gesprächsprotokoll“ auftauchen können und womöglich Ihre Position entscheidend schwächen.
Keinesfalls kann es sein, dass das Finanzamt den steuerlichen Abzug der Kosten des Arbeitszimmers deshalb verwehren möchte, weil Sie wegen Ihrer Krankheit außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend machen wollen. Das eine hat mit dem anderen rein nichts zu tun und wenn sich ein Finanzbeamter auf ein solches Gleis begibt, dann stellt sich das für mich als NÖTIGUNG eines Steuerbürgers dar. Das ist nicht nur eine Amtspflichtverletzung, sondern eine Straftat, die den Beamten seinen warmen Beamtenrock und -Stuhl kosten kann.
Ich hoffe, Ihre Frage soweit zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben und stehe Ihnen gerne vertiefend oder anderweitig zur Verfügung.
Über eine positive Bewertung auf der yourXpert Plattform würde ich mich sehr freuen.
Beste Grüße,
Ihr STB Ph Dr. Rainer Schenk
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GJ