Wann gilt Doppelbesteuerungspflicht?
Fragestellung
Ein Bekannter von mir (türkischer Staatsbürger, lebt seit über 30 Jahren in Deutschland und auch voll steuerpflichtig) hat im Jahr 2002 ein Grundstück in der Türkei erworben. Das Grundstück wurde Anfang 2015 mit Gewinn veräußert. Die Zahlung erfolgte per Banküberweisung auf sein Konto bei einer türkischen Bank in der Türkei. Das Grundstück wurde nicht bewirtschaftet und folglich gab es keine Einnahmen. Der Veräußerungsgewinn ist in der Türkei steuerfrei, da die Haltefrist 5 Jahre beträgt und die Veräußerung nach Ablauf dieser Frist erfolgte.
Nun möchte er den Erlös aus dem Verkauf für den Erwerb einer Immobilie in Deutschland verwenden. Der neuerliche Erwerb soll durch eine noch zu gründende GmbH, deren einziger Anteilseigner und Geschäftsführer er sein soll, erfolgen. Nach dem Erwerb wird das Finanzamt möglicherweise Auskunft über die Mittelherkunft verlangen. Im Übrigen ist er in geordneten finanziellen Verhältnissen und seit 2007 im Besitz einer selbst bewohnten Immobilie.
1. Wie weit reicht die Auskunftspflicht bzw. wie weit rückwirkend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse vom Finanzamt verprobt: etwa 10 Jahre zurück, nämlich bis 2005?
2. Verlangt Finanzamt Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse vor 2005 bzw. gezielt über die Mittelherkunft für den ursprünglichen Grundstückserwerb im Jahr 2002?
3. Ich gehe davon aus, dass der Grundstücksverkauf in 2015 dem Finanzamt in Deutschland nicht angezeigt bzw. in der Einkommenssteuererklärung nicht angegeben werden muss. Oder doch?
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Antwort von Steuerberater Dipl-Finanzwirt Jeannette Klüsener
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte Ihnen diese nachfolgend nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt beantworten:
Generell gilt nach dem Steuergesetz in Deutschland, dass eine natürliche Person dort steuerpflichtig ist, wo der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt (länger als 183 Tage) ist (s. § 1 Abs. 1 EStG). Diese unterliegt dann mit allen in- und ausländischen Einkünften der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (Grundsatz des Welteinkommensprinzip).
Der Umfang der Besteuerung kann insbesondere durch ein DBA eingeschränkt werden.
Ein DBA kann eine inländische Steuerpflicht nicht begründen, sondern lediglich einen durch inländisches Steuerrecht begründeten Steueranspruch der Bundesrepublik Deutschland belassen oder ganz oder teilweise entziehen.
Erst einmal möchte ich kurz auf die Besteuerung des Sachverhaltes in Deutschland eingehen:
Nach § 22 Nr. 2 EStG sind Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu versteuern. Hierunter fallen auch Veräußerungen von Immobilien. Allerdings schränkt § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG dies in zeitlicher Hinsicht ein:
Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nummer 2) sind Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
D.h. auch in Deutschland ist ein evtl. Veräußerungsgewinn steuerfrei, da die 10-Jahre-Haltefrist überschritten ist. Wie Sie schon schrieben,ist der Sachverhalt in der Türkei nach 5-Jahren-Haltefrist steuerfrei.
Somit unterliegt dieser Vorgang weder in Deutschland noch in der Türkei der Besteuerung und ist in der Steuererklärung nicht anzugeben.
Zur Auskunftspflicht und Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann ich Sie nur auf den allgemeinen Untersuchungsgrundsatz der Finanzbehörde und der Auskunftspflicht des Steuerpflichtigen hinweisen:
Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt bzw. die für die Besteuerungsgrundlagen relevanten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen. Sie bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen Art und Umfang der Ermittlungen und ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
Sie hat alle bedeutsamen Umstände - sowohl zu deren Gunsten als auch zu ihren Ungunsten - zu berücksichtigen (§ 88 AO).
Ermittlungen „ins Blaue hinein” sind allerdings nicht zulässig.
Die Ermittlungspflicht findet ihre Grenze in den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Zumutbarkeit sowie in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten.
Wo hier die Grenzen sind, ist sehr allgemein gehalten und muss in jedem Einzelfall geklärt werden.
Die am Besteuerungsverfahren Beteiligten wie eben Ihr Bekannter sind gesetzlich zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Ihrer Mitwirkungspflicht kommen sie besonders dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß darlegen und die (nur) ihnen bekannten Beweismittel angeben (§ 90 I AO). Die Erfüllung der Mitwirkungspflicht kann erzwungen werden (Zwangsmittel).
Erhöhte Mitwirkungspflicht besteht bei Auslandssachverhalten (§ 90 II AO) wie vorliegender Sachverhalt.
Ist ein Sachverhalt wie der Ihre zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Ich gehe davon aus, dass das Finanzamt primär die Mittelherkunft im Zusammenhang mit den Anteilen an der GmbH und die steuerlichen Verhältnisse in der GmbH feststellt und überprüft. Unter Umständen wird das Finanzamt auch die Haltefrist des Grundstückes überprüfen (Nachweis durch Kaufvertrag und Verkaufvertrag der Immobilie). Das liegt im Ermessen des Finanzamtes.
Hinweisen möchte ich aber darauf:
Die Möglichkeiten der deutschen und türkischen Finanzbehörden zum steuerlichen Informationsaustausch wurden durch Art. 25 DBA in 2012 dem geltenden OECD-Standard angepasst. Die jeweiligen Steuerbehörden erhalten einen umfassenden Auskunftsanspruch über Steuerdaten und Informationen betreffend Steuern „jeder Art und Bezeichnung".
Hierzu kann die jeweils ausländische Behörde auch Maßnahmen gegen den Steuerpflichtigen ergreifen, um relevante Steuerinformationen zu beschaffen.
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen.
Mit freundlichen Grüßen
Jeannette Uhlig, Steuerberaterin
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