Provisionsanspruch im Kündigungsfall als Arbeitnehmer
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Joachim,
ich befinde mich als Vertriebsmitarbeiter (Arbeitnehmer) in einem unbefristetem Arbeitsverhältnis. Dieses kündige ich ordentlich am 26.02.2016 gem. der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.03.2016. Das Unternehmen (IT-Branche) ist nicht an Tarifverträge o. ä. gebunden.
In meinem 2010 geschlossenen Arbeitsvertrag ist ein Zielgehalt (2700,00 EUR/Monat brutto), bestehend aus 60 % Fixum und 40 % Variable ohne Deckelung vereinbart. Unter dem Punkt "Sonstiges" des Arbeitsvertrags ist folgende Klausel enthalten:
"Für den Fall der Kündigung sowie bei Freistellung des Arbeitnehmers wird die Teilnahme des Arbeitnehmers am Provisionsmodell ausgesetzt. Es erfolgt beginnend mit dem Monat des Zugangs der Kündigung oder der Freistellung und weiter für evtl. Folgemonate eine Vergütung des Fixums."
Meine Zielerreichung im Monat Februar beträgt 230 % und ich habe nun die Befürchtung, keinen Cent meiner hart erarbeiteten Provision aufgrund der Kündigung zu sehen. Auch der Monat März ist hierbei dann noch relevant da ich diesen ebenfalls noch im Unternehmen tätig bin und Geschäfte mit Kunden abschließe.
Meine konkrete Frage lautet:
Ist es arbeitsrechtlich korrekt, dass der Arbeitgeber die Provisionszahlungen für von mir persönlich abgeschlossene Geschäfte wegen des genannten Passus verweigern kann und auf welche Gesetzesgrundlage kann ich mich ggf. berufen?
Besten Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
L.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrter Fragesteller,
das Problem liegt vorliegend bereits im Arbeitsvertrag, indem sie vereinbart haben, dass die Zahlung der Vergütung bei Kündigung oder Freistellung eingeschränkt wird. Ob dies sachlich richtig ist, wäre hier zu überprüfen und insbesondere, ob die Klausel möglicherweise unwirksam ist.
Grundsätzlich ist es so, dass Vereinbarung im Vertrag gelten, solange diese nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen.
Zunächst dürften sie einen Rechtsanspruch darauf haben, die Tätigkeit, die Sie tatsächlich auch leisten und die auch vertraglich vereinbart gewesen ist, nämlich entsprechend variables Gehalt zu erhalten, wenn Sie auch eine entsprechende Leistung erbringen, mit der oben genannten Klausel zu vergleichen sein.
Im Ergebnis bin ich der Auffassung, dass Sie einen Anspruch auf Zahlung auch während der Kündigungsfrist und auch während einer entsprechenden Freistellung haben.
Zum einen beeinträchtigt die Regelung im Arbeitsvertrag § 622 Abs. 6 BGB, der vorsieht, dass keine längere Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer als für den Arbeitgeber gelten darf. Dadurch jedoch, dass der Arbeitgeber durch die Klausel ihre Zahlungsansprüche einschränken möchte sind sie indirekt dazu gehalten, möglicherweise hier die Kündigungsfrist nach hinten zu verschieben. BAG, Urteil vom 20. 8. 1996 – 9 AZR 471/95; LAG Baden-Württemberg (lexetius.com/1996,409)
Des Weiteren kann es nicht sein, dass Kürzungen von Provisionen, trotzdem die entsprechende Tätigkeit erbracht wird, hingenommen werden dürfen. Dies widerspricht der vertraglichen Vereinbarung zur Zahlung der entsprechenden Vergütungen. Diesen Widerspruch muss sich der Arbeitgeber aus dem Arbeitsvertrag selbst anlasten lassen.
Zudem sieht auch die Rechtsprechung grundsätzlich vor, dass variable Vergütungsbestandteile auch für den Fall zu zahlen sind, wenn der Arbeitnehmer freigestellt wird und sodann erst recht, wenn er gekündigt hat.
Es ergeben sich auch keine Gründe dafür, dass eine Lohnkürzung, die die Klausel letztlich auch darstellt, durch den Arbeitgeber hier verfügt wird, wenn der Arbeitnehmer die vollständige Leistung auch erbringt. Der Arbeitgeber trägt das Risiko des Arbeitsausfalls. Zur Nachleistung der Arbeit ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09. Juli 2008 - 5 AZR 810/07 -).
Dies muss erst recht gelten, wenn die Rechtsprechung annimmt, dass variable Bestandteile des Gehalts auch bei Freistellung gezahlt werden müssen.
Schließlich könnte man auch auf Blick auf § 615 BGB hier annehmen, dass, wenn der Arbeitgeber auf ihre Arbeitskraft verzichtet, er trotzdem im Annahmeverzug bleibt, d.h. er Ihnen grundsätzlich trotzdem eine Arbeit anbieten muss im Hinblick auf die vertraglichen Regelungen, da Sie sich auch auf die entsprechenden Vergütungsbestandteile bei Abschluss des Vertrages verlassen haben.
Insofern bleibt der Arbeitgeber auch weiter verpflichtet, die variablen Gehaltsbestandteile zu zahlen.
Sie sollten hier mit dem Arbeitgeber das Gespräch suchen und gegebenenfalls, sollte eine Einigung nicht möglich sein, den offenen Gehaltsbestandteil vor dem Arbeitsgericht fristgerecht einklagen.
Achten Sie hier auch auf mögliche Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag.
Ich hoffe, dass ich Ihnen zunächst hilfreich geantwortet habe und stehe Ihnen gerne weiterhin zur Verfügung.
Viele Grüße
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