Mutter,geschieden,möchte beruflich in die Schweiz ohne Kinder:möglich?
Fragestellung
Guten Tag,
ich ( 38 Jahre, Physiotherapeutin in 60-%- Anstellung ) bin Mutter von 2 Kindern (Fynn,12 Jahre alt und Hannah, 9 Jahre alt ) und lebe in Scheidung ( warten auf genaues Scheidungsdatum vom Gericht ) . Zunächst sind meine beiden Kinder mit mir vor genau einem Jahr aus dem noch gemeinsamen Haus ausgezogen ( die Auseinandersetzung des Hauses soll nach der Scheidung erst geklärt werden; es steht im Raum, ob es mein Noch-Ehemann übernimmt ( er könnte es finanziell und möchte es auch ), noch laufen die Kreditverträge etc. auf uns gemeinsam ). Durch den Auszug hat sich, was das soziale Umfeld angeht ( Freunde, Schule, Hobbies, Arbeitsstelle, Grosseltern, etc.) für alle nichts geändert, da mein jetziger Wohnort nur 7 km vom bisherigen Wohnort/gemeinsamem Haus entfernt liegt. Seit fast einem Jahr gibt es in meinem Leben wieder einen neuen Partner, mit diesem Thema bin ich jedoch, soweit möglich, sehr sensibel umgegangen. Er lebt und arbeitet ( er ist Deutscher, kommt aus unserem näheren Umkreis ) in der Schweiz, so dass mein Alltag mit den Kindern von unserer Beziehung sowieso nicht geprägt / beeinflusst wurde. Wir hatten immer unseren "geschützten" Raum. Inzwischen kommen die Kinder gut mit ihm aus.
Leider hat jedoch mein Sohn sehr früh begonnen, seinen Unmut über den Auszug aus dem gemeinsamen Haus kundzutun, dies ging soweit, dass er mich sehr stark abgelehnt hat und ich schweren Herzens seinem Wunsch, den auch der Vater unterstützt hat, nachgegeben habe, zum Vater ins Haus zurückziehen zu wollen. Seither ( das läuft seit September so ) ist er ein Mal unter der Woche ( dienstags ) nachmittags inklusive Übernachtung ( auf mittwochs ) bei mir und seiner Schwester und gemeinsam mit seiner Schwester jedes 2. Wochenende bei mir. Hannah lebt in der Hauptsache bei mir, sie geht mittwochs nachmittags gemeinsam mit Fynn zum Vater, dort verbringt sie den Mittwochnachmittag und die Nacht auf Donnerstag mit beim Vater und die Wochenenden, wie Fynn auch, jeweils gemeinsam bei einem Elternteil im 14-tägigen Rhythmus. Erschwerend für mich kam nun in der letzten Zeit hinzu, dass Hannah ebenfalls verstärkt den Wunsch äusserte, zum Papa in`s gemeinsame Haus zurückziehen zu wollen, was für mich zunächst sehr heftig war, denn sie war eher immer ein Mama-orientiertes Kind. Der Vater sieht in diesem Wunsch kein Problem, er "löst" die Nachmittag-Betreuung bis zum Feierabend bereits bei Fynn zum Teil mit Home-Office, zum Teil mit Betreuungsformen seitens der Schule, er würde das auch mit der Tochter so handeln. Nun zu meinem Problem: ich "erwarte" leider, was meine Tochter angeht, dasselbe "Theater" wie bei ihrem Bruder, dass sie auf einen Umzug / Rückzug zum Vater drängt. Ich habe zuvor die letzten Jahre hauptsächlich die Kinder erzogen, war nur auf 450,- €- Basis in meinem Beruf tätig und habe 2017 seit dem Auszug auf 60 % aufgestockt. Ich weiss, dass mir in einem familienrechtlichen Rechtsstreit um die Kinder, wenn wir es darauf anlegen würden, ein sogenanntes Wechselmodell drohen würde, so dass jeder die Kinder zu 50 % bekommt. Das wäre bei mir aus beruflichen/finanziellen Gründen schon derzeit kaum möglich und ich bin mir sicher, dass es so enden würde, dass ganz vieles Organisatorisches an mir hängen würde, wozu ich nach all den Vorkommnissen nicht mehr bereit bin. Natürlich ist mir klar, dass mir, wenn auch meine Tochter wieder umziehen würde, keinerlei Unterhalt mehr zusteht. Ich bin mir bewusst und das ist mir schon aus rententechnischer Sicht sehr wichtig, dass ich zügig den Weg in eine Vollzeitbeschäftigung finden muss. Da mein Berufsstand, was die Vergütung angeht ( auch in einer Vollzeitbeschäftigung ) schlichtweg desolat gestellt ist und ich in meiner derzeitigen Stelle NICHT vollzeit arbeiten könnte, mache ich mir natürlich meine Gedanken in vielerlei Richtungen, auch erwäge ich eine evtl. Weiterbildung/Umschulung oder Ähnliches. Hierbei ergeben sich für mich folgende Fragen, die ich rechtlich geklärt haben möchte:
1. "Darf"/ kann ich meine beiden Kinder dem Vater abgeben/übergeben, so dass sie in der Hauptsache bei ihm wohnen und von meinem jetzigen Wohnort wegziehen, wenn ich das möchte oder evtl. aus beruflichen Gründen sogar MUSS oder kann er mich bremsen ? Ich möchte in jedem Fall das gemeinsame Sorgerecht behalten, die Kinder würden dann aber nur jedes 2. Wochenende bei/mit mir verbringen und geteilt die Ferien wie üblich aber es gäbe unter Umständen keine Möglichkeit mehr, mich unter der Woche zu besuchen und bei mir zu übernachten so wie jetzt. Oder könnte der Vater sogar eine Übernahme der Tochter plötzlich verweigern, weil es ihm zu viel wäre....?
2. Wenn ich die Kinder in der Hauptsache dem Vater überlassen würde, spiele ich mit dem Gedanken, mich beruflich ebenfalls in die Schweiz zu orientieren in Richtung meines Lebensgefährten, da es mir dort, was meinen Berufsstand angeht, deutlich besser gehen würde und ich finanziell wieder auf die Beine kommen möchte. In Deutschland hier bei uns im Raum Stuttgart sind die Mieten derart hoch, dass ich mich kaum alleine halten könnte....Auch hier die Frage: darf ich das bei geteiltem Sorgerecht so einfach oder könnte mich der Vater womöglich " zum Wohle der Kinder, sie brauchen die Mutter in der Nähe..." ausbremsen/einschränken? Natürlich würde ich meinerseits weiterhin meine Kinder alle 14 Tage zum Wochenende und die Hälfte der Ferien bei mir haben wollen!
3. Wenn ich die Kinder in der Hauptsache dem Vater überlasse und aus der unmittelbaren Nähe wegziehe, weiss ich nicht, welche Wohnungssituation für mich zunächst möglich sein wird oder ob ich gegebenenfalls auch gerne zu meinem Partner in die Wohnung mit einziehen würde. Gibt es eine Regelung, die besagt, dass ich als Mutter mit 2 Kindern eine Mindestwohngrösse einzuhalten habe, damit die Kinder, wenn sie bei mir sind, genug Raum haben?
4. Falls die Fragen 1-3 für meine berufliche und gesamte Weiterentwicklung/ mein eventuelles Vorhaben, wegzuziehen, nicht positiv beantwortet werden können, was müsste ich tun, um mich diesbezüglich "flexibler" zu machen?
Ich möchte schlichtweg wissen, wie ich mich zukünftig persönlich und beruflich "bewegen" darf, damit ich weiss, wonach/in welche Richtung ich suchen kann.
Ich muss mich mit diesen Gedanken leider sehr intensiv beschäftigen, da ich trotz inniger Mutterliebe sehe, dass sich meine Kinder von mir entfernen und ich in unmittelbarer Wohnortnähe leider als "Lückenfüller" fungiere, was mich massiv stört und auch sehr traurig macht. Daher ist diese Situation für mich auf Dauer sowohl psychisch, wie auch beruflich und finanziell nicht mehr tragbar. Über eine Rückantwort wäre ich Ihnen sehr dankbar!
Mit freundlichen Grüssen, S.F.
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Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrte Ratsuchende,
nach der gesetzlichen Bestimmung ist das gemeinsame Sorgerecht die Regel, das alleinige die Ausnahme. Um das Sorgerecht zu verlieren, muss schon Einiges vorgefallen sein. Derartige Vorkommnisse sind bei Ihnen nicht erkennbar, sodass das gemeinsame Sorgerecht sich auf jeden Fall „erhalten“ lässt. Wichtig wäre, damit es bei der Ausübung desselben keine Schwierigkeiten gibt, dass Sie als Eltern Wege der Kommunikation finden, die die Entfernung überbrücken (Telefon, Email, Whatsapp usw.), um gemeinsame Entscheidungen, wenn notwendig, kurzfristig treffen zu können.
Ein Unterpunkt des Sorgerechts ist das sog. Aufenthaltsbestimmungsrecht, also das Recht zu bestimmen, wo die Kinder ihren Lebensmittelpunkt haben. Wie beim übrigen gemeinsamen Sorgerecht sollte auch beim Aufenthaltsbestimmungsrecht ein Konsens gefunden werden. Wäre dies wegen Uneinigkeit nicht möglich, müsste eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden. Das Gericht würde sich bei einer Entscheidung ausschließlich am Kindeswohl orientieren. Dabei ist der Wille bzw. der Wunsch der zwar noch recht jungen Kinder durchaus beachtlich. Dies bedeutet: würden beide Kinder zum Vater wollen und der Vater in der Lage sein, die Betreuung adäquat zu übernehmen, würde das Gericht zugunsten der Kinder für den Vater entscheiden. Ähnliches wurde erfolgen, wenn Sie sich – so hart dies jetzt ggf. klingen mag – weigern würden, die Kinder zu nehmen. In diesem Fall würde das Gericht dem Vater die Kinder bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusprechen, da es dem Kindeswohl entspricht.
Nur für den Fall, dass der Vater die „Übernahme“ der Tochter ablehnen würde, hätte dies natürlich zur Konsequenz, dass die Tochter fremd untergebracht werden müsste. Ich gehe aber davon aus, dass man es soweit sicher nicht kommen lässt.
Ein anderer Regelungspunkt ist das Umgangsrecht. Hier ist die Regel alle 14 Tage über das Wochenende. Es ist aber durchaus möglich, wenn die Entfernung zwischen Elternteil und Kind größer ist, einen Umgang 1 x pro Monat durchzusetzen. Hierauf haben Sie grundsätzlich einen Rechtsanspruch bzw. die Kinder (§ 1684 BGB).
Hinzukommen die Ferienregelungen, wobei zumeist die Hälfte der Sommerferien dem umgangsberechtigten Elternteil zustehen, sowie einer der hohen Feiertage an Ostern und Weihnachten.
Auch dieser Anspruch ließe sich im Falle der Notwendigkeit gerichtlich durchsetzen bzw. regeln.
Für die Frage des Sorgerechts bzw. Aufenthaltsbestimmungsrechts noch für die des Umgangs spielt es eine Rolle, ob Sie – aus welchen Gründen auch immer – innerhalb Deutschlands verziehen oder ins „naheliegende“ Ausland.
Wenn Sie in die Schweiz umziehen möchten, müssen Sie sich zuvor über die rechtlichen Möglichkeiten erkundigen. Sofern Sie eine Arbeitsstelle finden, ist es kein Problem eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen.
Eine Wohnungsgröße ist für den Umgang nicht vorgesehen bzw. rechtlich nicht vorgeschrieben. Allerdings sollten Sie darauf achten, da sich die Kinder ggf. ansonsten unwohl fühlen, dass diese einen oder sogar zwei „eigene“ Räume haben. Auch könnte, wenn der Vater Ihnen hier „Steine in den Weg legen möchte“ die fehlenden Räumlichkeiten ein Argument gegen den Umgang sein. Hätten Sie nämlich tatsächlich „keinen Platz für die Kinder“ könnte der Umgang durchaus versagt bzw. ohne Übernachtungen begrenzt werden.
Zusammenfassend möchte ich nochmals ausführen: Es werden sich kaum rechtliche Probleme ergeben, wenn Sie ins Ausland verziehen wollen. Auch der Umgang lässt sich trotz der Entfernung notfalls gerichtlich durchsetzen. Als Verpflichtung auf Ihrer Seite würde natürlich die Unterhaltspflicht den Kindern gegenüber entstehen. Bei der Berechnung der Unterhaltshöhe müsste der Kaufkraftunterscheid Schweiz – Deutschland berücksichtigt werden.
Ich hoffe, Ihre Fragen umfassend beantwortet zu haben. Gern beantworte ich Ihre Nach- oder Verständnisfragen.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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