Arbeitsleistung
Fragestellung
zu meiner Person: ich bin aktuell als dualer Student tätig und arbeite als strategischer Einkäufer in einem Bildungsunternehmen. Ich habe keine Handlungsvollmacht oder Haftungsbelehrung unterschreiben müssen. Dennoch habe ich geduldete Zeichnungsbefugnis die durch Schriftverkehr mit unserem CEO klar erkennbar ist. Das Einkaufsteam besteht aus 2 Personen, mir und meiner Kollegin, welche mir hierarchisch allerdings nicht übergeordnet ist. Mein direkter Vorgesetzter ist der CTO.
Fall:
Unser CEO trat mit einem Vertrag an mich heran der nach verhandelt werden sollte, dies tat ich. Final wurde allerdings beschlossen den gesamten Vertrag aufzukündigen, da die Kündigungsfrist bald eintritt und wir keine Zeit mehr hatten weiter zu verhandeln. Es geht um eine Summe von 140.000 Euro (mein Monatslohn beträgt 1300 Euro brutto). Auf seinen Wunsch habe ich auf Basis der mir zur Verfügung gestellten Unterlagen eine Kündigung aufgesetzt, welche ich durch unsere Rechtsabteilung habe prüfen lassen. Das korrigierte Exemplar habe ich dem CEO zur Unterschrift vorgelegt.
Da ich mich ab diesem Zeitpunkt allerdings im Urlaub befand habe ich meine Kollegin gebeten, das unterschriebene Exemplar per Scan vorauszuschicken und per Post nachzusenden. Das war am 25.09.2017. Diese versicherte mir das Sie diese Arbeit übernehmen würde. Heute am 04.10.2017, habe ich den Rückschein erhalten. Der Brief konnte nicht zugestellt werden, da der Empfänger unter der Adresse nicht auffindbar war. Poststempel 30.09.2017, Zustellversuch 02.10.2017.
Die Anschrift in den Vertragsunterlagen war veraltet. Weder Ich, noch die Rechtsabteilung, der CTO oder meine Kollegin haben das gegengeprüft. Meine Kollegin hat die Vertragskündigung sehr spät abgesendet und der Erhalt der Kündigung hätte bereits nach der vertraglichen Kündigungsfrist gelegen. Kündigungsfrist 3 Monate zum Ende des Jahres. Desweiteren hat sie versäumt einen Scan des Exemplares im Vorfeld an die Firma zu senden. Dies hatte Sie mir allerdings am 25.09.2017 zugesagt.
Desweiteren hat meine Kollegin eine weitere Kündigung welche ich ihr vielfach per Mail mitgeteilt habe und welche auch mündlich von meinen CTO und mir angesprochen wurde, auch nicht abgesendet. Hieraus entsteht ein weiterer Schaden der ein vielfaches der oben genannten Vertragskündigung umfasst. Hiermit kann ich allerdings nicht in Verbindung gebracht werden.
Frage:
In wie weit kann ich haftbar gemacht werden und ist das ein Sonderkündigungsgrund? Wie soll ich mich verhalten? Aktuell wissen nur meine Kollegin und ich davon. Sie hat die Adresse korrigiert und die Kündigung als normalen Brief erneut versendet.
Ich betreue im Schnitt ein Volumen von 40 Mio Euro. ich bin seit 8 Monaten im Unternehmen tätig. Meine Leistung war bis dato einwandfrei. Der einzige Fehler der mir auffällt ist eventuell das vernachlässigen meiner Sorgfaltspflicht. Da ich allerdings nachprüfen lassen habe, durch unsere Rechtsabteilung, meine Kollegin bei versenden dieser auch nicht nachgekommen ist und mein CEO letztendlich blind unterschrieben hat, trifft mich diese Schuld doch nicht alleine?
Desweiteren heißt es im Vertrag das die Kündigung 3 Monate vor Vertragsende erfolgen muss. Demnach ist doch der Eingang entscheidend, welcher durch die Versäumnis meiner Kollegin bereits überschritten wurde.
Ich habe wirklich Angst um meine Zukunft.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Uta Ordemann
Sehr geehrter Mandant,
ich habe Ihr Anliegen eingehend geprüft. Zu dem Sachverhalt ist im Einzelnen Folgendes anzumerken:
1. Zunächst stellt sich die Frage, ob sich die richtige Adresse überhaupt aus der Akte ergab und wer für die richtige Akten- bzw Adresspflege verantwortlich war. Da Sie den Vorgang hier von dem CEO übernommen haben, mussten und konnten Sie sich darauf verlassen, dass es sich bei der in der Akte aufgeführten Adresse um die Aktuelle handelt. Ein Verschulden, das Schadenersatzansprüche nach sich ziehen würde, ergibt sich insoweit nicht.
Wenn sich in der Akte noch die zweite, aktuelle Adresse befunden haben sollte, stellt sich die Frage, ob hier ein Verschulden Ihrerseits vorliegt. Man unterscheidet bei der Arbeitnehmerhaftung zwischen Vorsatz sowie grober, mittlerer, leichter und leichtester Fahrlässigkeit. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit scheiden hier mit Sicherheit aus. Bei mitlterer Fahrlässigkeit muss die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden sein. Liegt eine mittlere Fahrlässigkeit vor, folgt in der Regel eine Schadenquotelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei sind die Gesamtumstände des Einzelfalls zu berücksichtigen wie die Position und Hierarchiebene im Betrieb, die Höhe des Gehalts, die Dauer der Betriebszugehörigkeit etc. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die aktuelle Adresse überhaupt in der Akte enthalten war und wenn ja, ob Sie die Adressänderung ohne Weiteres erkennen konnten. Selbst wenn diese ohne weiteres erkennbar war, muss der Arbeitgeber bei wichtigen Vorgängen, wie bei der Kündigung von Verträgen mit nicht unerheblichen Summen, seinen Betrieb so organisieren, dass solche Fehler nicht passieren. Das kann zum Beispiel durch die Einführung eines 4-Augen-Prinzips geschehen, in dem klar festgelegt wird, wer für den wirksamen Ausspruch von Kündigungen die Verantwortung trägt.
Auch wenn er Sie mit dem Aufsetzen der Kündigung betraut hat, muss eine weitere Instanz prüfen, ob die Kündigung auch richtig aufgesetzt ist und auch richtig versandt worden ist. Es muss also jemanden geben, der hierfür die Verantwortung trägt. Diese Verantwortung wird man hier sicherlich nicht Ihnen aufbürden können, zumal Sie offiziell weder Prokura haben, keine leitende Position im Unternehmen inne haben und auch nur ein relativ niedriges Gehalt beziehen.
Der Arbeitgeber muss daher in solchen Fällen Verfahren installieren, durch die solche Fehler vermieden werden. Da Sie hier die Akte übernommen haben, haben Sie sich bei dem Aufsetzen der Kündigung lediglich vertan. Das "Vertun" stellt aber nur eine leichte Fahrlässigkeit dar, für die der Arbeitnehmer nicht haftet.
Selbst der Rechtsabteilung und dem CEO ist der Fehler nicht aufgefallen. Eine übergeordnete Person ist dann letztlich verantwortlich hierfür. Wenn dies durch interne Organisationsrichtlinien nicht festgelegt ist, ist dies im Zweifelsfall der CEO, der hierfür die Verantwortung trägt.
2. Unabhängig davon muss in einem Unternehmen auch festgelegt sein, wie Kündigungen rechtssicher zu erfolgen haben. Das kann nicht der Einkaufsabteilung allein überlassen werden. Hierfür gibt es juristischen Sachverstand in einem Unternehmen.
Es hätte hier klare Regeln oder Handlungsanweisungen geben müssen, die offensichlich fehlen. Rein rechtlich ist es so, dass die Kündigung zum 30. 9.2017 im Original hätte zugegangen sein müssen, damit diese noch fristwahrend ist. Die Übermittlung per Scan hätte insoweit nicht ausgereicht. Auch ist eine Zustellung mit Einschreiben Rückschein nicht rechtssicher, da das Schreiben rechtzeitig in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein muss. Rechnet der Empfänger der Kündigung nicht mit einem Kündigungsschreiben und lässt er das Einschreiben erst einmal auf der Post liegen, gilt es als nicht rechtzeitig zugegangen, wenn er es zum Beispiel erst am 3.10. abholt.
Das Schreiben hätte also bis zum 30.9. in seinen Machtbereich gelangt sein müssen. Ob dies bei einer Absendung des Einschreibens / Rückschein schon am 25.9. der Fall gewesen wäre, ist daher sehr fraglich, da Sie hier keinen Einfluss darauf haben, ob dies tatsächlich rechtzeitig zugestellt wird.
Will man ein Schreiben rechtzeitig zustellen, gibt es nur die beiden rechtssicheren Möglichkeiten:
1. Man gibt es persönlich ab und lässt sich den Empfang bestätigen oder
2. Man wählt den Weg des Einschreibens - Einwurf möglichst per Kurier. Hier wird das Schreiben direkt von dem Boten vor Ort abgegeben und er bestätigt per Rücklaufzettel, dass er das Kündigungsschreiben am.....um........Uhr dort abgegeben hat. Dem Kurier muss auch bekannt sein, dass es sich um eine Kündigungsschreiben handelt und dies muss er auf dem Rücklaufzettel als Betreff vermerken.
Nur mit diesen beiden Wegen haben Sie Rechtssicherheit, dass das Schreiben auch rechtzeitig zugestellt wird. Das ist aber nicht Ihre Sache als Einkäufer in nicht leitender Position, dies rechtssicher zu gestalten. Das ist Sache des Arbeitgebers, die entsprechenden Verfahrensschritte und Verantwortlichkeiten in seinem Unternehmen festzulegen.
Vor diesem Hintergrund konnten Sie mE auch nicht wissen, dass die Übersendung per Scan nicht ausreichend ist. Auch war Ihnen sicherlich nicht bekannt, dass eine Übersendung der Kündigung per Einschreiben-Rückschein ebenfalls keine Rechtssicherheit bietet. Es trifft Sie daher kein Verschulden.
3. Unabhängig davon stellt sich auch die Frage, ob Ihrem Arbeitgeber durch die Fortführung des Vertrages hier überhaupt ein Schaden entsteht.
4. Ich empfehle Ihnen, vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zeitnah das Gespräch mit dem CEO zu suchen und die Situation zu schildern. Dabei sollten Sie aber auch gleich darauf hinweisen, dass auch allen anderen handelnden Personen hier die fehlerhafte Adresse nicht aufgefallen ist. Zudem sollten Sie gleich anregen, dass im Unternehmen konkrete Verfahren festgelegt werden, wie wichtige Schriftstücke rechtssicher zugestellt werden können. Hier ist dann die Rechtsabteilung gefordert. Ein Einschreiben - Rückschein reicht jedenfalls nicht aus.
Ihnen kann hier allenfalls leichte Fahrlässigkeit für das Vertun bei der Adresse angelastet werden, für die Sie aber nicht haften. Der einzige Punkt wäre, wenn sich aus der Akte noch die 2., neue Adresse ergeben hätte. Aber dann wäre allen, auch den in leitender Position Verantwortlichen, dieser Fehler nicht aufgefallen. Dieses Versäumnis kann Ihnen daher als Beschäftigtem in nicht leitender Position nicht angelastet werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen Ihre Sorgen etwas nehmen konnte. Für das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Sie können sich jederzeit gern melden, wenn Sie nochmal eine Frage haben.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann
Rechtsanwältin
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vielen Dank für Ihren Auftrag und die Verlängerung der Frist. Ich werde Ihr Anliegen morgen prüfen und vsl im Laufe des Nachmittags darauf zurück kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann
Rechtsanwältin
ich wollte Ihnen nur kurz eine Zwischennachricht geben, dass Sie auf jeden Fall bis 21.00 Uhr heute noch das Ergebnis meiner Prüfung erhalten. Ich werde Ihnen dies vsl am frühen Abend übersenden.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann