Überstunden ohne Ende und was ist eigentlich eine Pause?
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Roth,
ich arbeite seit mehreren Jahren als Kommissionierer im Zentrallager einer großen Supermarktkette, sodass bei uns auch der Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Ich habe zwei verschiedene Fragestellungen. Ich habe diesbezüglich bereits auch mit dem Betriebsrat und auch in Gruppenbesprechungen mit den jeweiligen Gruppenleitern gesprochen, da sehr viele meiner Kollegen dieselbe Problematik haben, aber bisher leider nichts erreicht.
1. Überstunden ohne Ende???
In der Firma besteht ständig das Problem von Personalmangel. Den Arbeitern wird meistens ein Arbeitsvertrag von 6,5h oder 7,5h pro Tag angeboten jedoch wird regelmäßig (also nicht nur zu Stoßzeiten wie Weihnachten oder Ostern) sondern immer erwartet dass Überstunden geleistet werden (es gibt natürlich auch Ausnahmen, aber Überstunden von 1-2 h pro Tag sind die Regel, wobei diese immer ausbezahlt werden). Das heißt Überstunden sind die Regel, die vereinbarte Arbeitszeit eher die Ausnahme. Wobei manchmal sogar 6-Tage-Wochen vorkommen.
Wie ist hier die Rechtslage? Kann ich beispielsweise nach der vereinbarten Arbeitszeit mich abmelden und nach Hause gehen, oder muss ich der Anweisung nach Überstunden nun bis in alle Ewigkeit Folge leisten aus Angst eine fristlose Kündigung zu riskieren? Wo sind hier die Grenzen, die selbst vom Betriebsrat als nicht vorhanden bezeichnet werden? Ist der ständige Personalmangel tatsächlich ein Problem, das wir als Mitarbeiter immer mittragen müssen? Wie kann man sich hier verhalten?
2. Ständige Beobachtung um "Pausenkorrekturen" vorzunehmen; Was ist eigentlich eine Pause?
Seit einer Woche wurde "von oben herab" entschieden, dass wenn während der Arbeitszeit jemand beim Quatschen erwischt wird, dieser jemand einen Zettel zur Pausenkorrektur unterschreiben muss. Auf diesem Zettel wird bestätigt, dass man beispielsweise 2 oder 5 Minuten (oder wie lange auch immer man beobachtet wurde) Pause gemacht hat und diese Minuten dann natürlich nicht bezahlt werden. Aus Unwissenheit und Angst haben viele Mitarbeiter (inkl. mir) schon solche Zettel unterschrieben. Weil die leitenden Mitarbeiter unsere Angst oder Unwissenheit schon "gerochen" haben, haben diese sogar schon angefangen uns auch bezüglich der Arbeitsschnelligkeit unter Druck zu setzen. Die Motivation und die Arbeitsmoral der Kollegen ist auf einem noch nie vorhandenen Tief deswegen, man ist ständig unter Beobachtung und unter Druck.
Wie ist auch hier die Rechtslage? Darf ich wirklich nicht, vor allem hier wo es um körperlich anstrengende Arbeit geht, kurze (bezahlte) Verschnaufpausen machen, in denen ich mich auch kurz mal mit meinem Kollegen unterhalte? Muss ich mich während der Arbeitszeit gegenüber meinem Kollegen in Schweigen hüllen, außer wenn es um Belange der Arbeit geht? Oder kann ich sogar nicht sprechen, wenn ich bspw. über die (derzeit schlimme) Situation der Arbeit reden möchte? Sind auch kleine Späßchen zwischendrin verboten? Wie sieht es um die Schnelligkeit der erledigten Arbeit aus? Muss ein vom Betrieb vorgegebener Wert (z. B. eine gewisse übliche Anzahl von Kollis/Einheiten) erreicht werden, obwohl hier keine Akkordarbeit vereinbart ist? Ich habe beispielsweise nach einer gewissen Zeit Rückenschmerzen und muss um schlimmeres zu verhindern langsamer machen, da ich sonst auch nach der Arbeit nur noch mit Rückenschmerzen zu kämpfen habe und eigentlich nicht mich deswegen krank melden will. Wie kann ich mich hier verteidigen? Wie kann man sich auch hier bzgl. der Pausenregelungen und dem Druck verhalten ohne sich schuldig zu machen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Einschätzung!
Mit freundlichen Grüßen
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Antwort von Rechtsanwalt Karlheinz Roth
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworte:
1.
Ihr Arbeitgeber darf Überstunden nur anordnen, wenn dies bspw. im Arbeitsvertrag abgebildet, also vereinbart worden ist. Anderenfalls dürfte der Arbeitgeber lediglich in Notfällen Überstunden anordnen.
Sobald auf dieser Grundlage unzulässige Überstunden anfallen, sollten Sie als Arbeitnehmer dies ansprechen und dem widersprechen. Maßgeblich ist aber das, was im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist.
Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tariflicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Absatz 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
"darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat, und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist."
2.
Diese Vorgehensweise Ihres Arbeitgebers halte ich für grundsätzlich bedenklich. So geht das nicht.
Pausen sind im Voraus festgelegte Unterbrechungen der Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereit zu halten hat, sondern frei darüber entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will.
Eine Pause im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG liegt damit nur vor bei Ruhepausen, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird, die also selbst nicht zur Arbeitszeit gehören und deshalb auch nicht vergütet werden müssen.
Selbstverständlich dürfen Arbeitnehmer auch private Gespräche während der Arbeitszeit führen, wenn die Arbeitsleistung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Ein dahingehendes Verbot oder dgl. des Arbeitgebers unterliegt erheblichen rechtlichen Bedenken.
Ich hoffe, dass ich Ihnen in der Sache weiterhelfen konnte. Fragen Sie gerne nach, wenn etwas unklar geblieben ist, damit Sie hier zufrieden aus der Beratung gehen.
Einer positiven Bewertung sehe ich entgehen.
Gerne höre ich von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz Roth
- Rechtsanwalt und zertifizierter Testamentsvollstrecker -
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es wäre freundlich, wenn Sie die Deadline bis Montag, den 06.08.2018, 15.00 Uhr, verlängern könnten.
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth
Ja das ist kein Problem, habe sowieso am Montag meinen freien Tag!
Ihnen ein schönes Wochenende!
MfG
K.
Zu 1.
Es geht mir hier überhaupt nicht um die "Bezahlbarkeit" der Überstunden, da die geleistete Arbeitszeit elektronisch wie bei Stechkarten erfasst und minutengenau vergütet wird. Es geht mir hier eher um die Grenzen der Anweisungen des Arbeitgebers.
Ich habe nochmals in meinen Arbeitsvertrag geschaut, es ist folgendes vereinbart:
"Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Pausen unterliegen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und richten sich nach der Regelung im Betrieb. Der Arbeitsnehemr erklärt sich bereit, während der Betriebszeiten flexibel tätig zu sein. Darüber hinaus erklärt er ausdrücklich, im Bedarfsfall angeordnete Mehrarbeit zu leisten."
Wie ist das nun, wenn der Arbeitgeber an 3 von 5 Tagen der Woche nicht im Voraus, sondern frühestens bei Arbeitsantritt (meist eher kurz vor Schluss) sagt, dass heute dageblieben werden muss, bis alles fertig ist? Was wenn ich nach meiner Arbeitszeit gehe und die Arbeit eben nicht fertig ist, habe ich dann mit Konsequenzen (mit welchen?) zu rechnen? Kann man die Grenzen der Mehrarbeit irgendwie in Zahlen festhalten, z.B. maximal 10 Stunden am Tag, oder maximal 5 Überstunden pro Woche oder pro Monat? Wo sind die Grenzen???
Zu 2.
Hier haben Sie bzgl. der Arbeitsschnelligkeit leider gar nicht geantwortet, bspw. :
"Muss ein vom Betrieb vorgegebener Wert (z. B. eine gewisse übliche Anzahl von Kollis/Einheiten) erreicht werden, obwohl hier keine Akkordarbeit vereinbart ist?"
vielen Dank für Ihren Nachtrag.
1.
Der Arbeitgeber kann auf der Grundlage des § 106 GewO die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen.
Klauseln im Hinblick auf Überstunden/Mehrarbeit müssen für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer klar und verständlich sein.
Hinsichtlich der Mehrarbeit wissen Sie als Arbeitnehmer nicht einmal ansatzweise, was auf Sie zukommt, weil der Maximalumfang der Mehrarbeit nicht begrenzt ist.
Hier liegt ein Transparenzverstoß vor, der eine unangemessene Benachteiligung darstellt und zur Unwirksamkeit der Klausel führt.
Wenn Sie also nach Ihrer Arbeitszeit gehen, müssen Sie mit keinen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
2.
Diese Frage ist zu verneinen. Sie schreiben es selbst, Akkordarbeit ist vertraglich nicht vereinbart worden, so dass die vom Betrieb vorgegebenen Werte nicht erreicht werden müssen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich Zielvereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag ergeben.
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth