Nachzahlung Krankenkasse
Beantwortet von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Joachim,
ich habe einen Beitragsbescheid zur Nachzahlung für das Jahr 2018 bekommen.
Im Anhang übersende ich Ihnen ein Schreiben von 23.07.2020, eine Mitteilung über das Ende der beitragsfreien Familienversicherung mit dem Beitragsbescheid und meine anderen Unterlagen.
Ich möchte gerne einen Widerspruch gegen diesen Bescheid einlegen. Weiß aber leider nicht, ob das Gesetz auf meiner Seite ist und hoffe, Sie können mir es zu beantworten.
Ich habe bis 30.11.2017 eine Vollzeitbeschäftigung. Dann, war ich bis 12.01.2020 beim Arbeitsamt angemeldet. Bis ich dem Arbeitsamt mitgeteilt habe, dass ich mein Anspruch auf Arbeitslosengeld stoppen möchte. Wir haben am 20.01.2020 einen Antrag auf Familienversicherung bei der energie BKK gestellt, da mein Mann ab Dezember 2017 eine Vollzeitbeschäftigung hatte und ich hatte nur Minijob-Entgelt plus Mieteinnhamen.
Mein Mann hat auch noch im Januar 2018 ein Formular „Angaben zur Feststellung der Familienversicherung“ von der Frau Lammers (Sachbearbeiterin bei energie bkk) bekommen. Mein Mann und ich sollten dort unser Einkommen eintragen.
Wir haben nichts verschwiegen und alle Einkommen (Minijob und Mieteinnahmen) eingetragen. Im Formular war deutlich einzusehen, dass ich ein Minijob-Entgelt in Höhe von 450 Euro plus Mieteinnahmen von ca. 350 Euro habe.
Somit haben wir unsere Mitteilungspflicht gegenüber der Krankenkasse erfüllt.
In den nächsten Monaten haben wir mehrmals immer wieder die gleichen Formulare zum Ausfüllen bekommen. Ich habe davon sogar eine Einlieferungsbeleg-Kopie vom 20.02.2018 und eine Kopie von so einem Formular für Mai 2018 zufälligerweise behalten (siehe Anhang)
Die Frau Lammers oder evtl. andere zuständigen Sachbearbeiter haben schon im Januar 2018 mein monatliches Einkommen gesehen und konnte feststellen, dass mein monatliches Einkommen höher als bei der Familienversicherung zulässiger Freibetrag von 435 Euro beträgt.
Spätestens aus dem Formular vom Mai 2018 konnte man entnehmen, dass ich mein Einkommen in Höhe von 800 Euro angegeben habe (Minijob 450 Euro + Mieteinnahmen von 350 Euro).
Wir haben aber keinen Hinweis oder Mitteilung bekommen, dass die Familienversicherung nicht möglich ist oder dass mein Einkommen deutlich höher als zulässigen Freibetrag ist. Zu meinem Bedauern habe ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht gewusst, dass bei der Familienversicherung die Einkommensgrenze bei 435 Euro liegt. Die Versicherung hat mir dies auch nicht mitgeteilt. Nicht nach der Antragsstellung und nicht nach Erhalt unseres Formulars mit Angaben von Einkommen.
Wenn ich damals gewusst hätte, dass für die Familienversicherung die Höhe meines Einkommens relevant ist, würde ich meinen Arbeitsablauf anders planen, um den Minijob-Entgelt zu reduzieren und unter der Grenze zu bleiben.
Die Krankenkasse hat meine letzte Erklärung, die ich am 10.08.2020 verschickt habe, ignoriert und hat uns geschrieben, dass wir nicht reagiert haben. Ich habe aber das Original per Post versendet. Etwas später (am 16.08.2020) habe ich mir überlegt und zur Sicherheit eine Kopie davon per E-Mail an die Frau Lammers zugesandt und mitgeteilt, dass ich das Original noch am 10.08.2020 verschickt habe.
Nun habe ich einen Beitragsbescheid erhalten und muss 1857,19 Euro nachzahlen.
Hier sind meine Fragen: Ist die Krankenversicherung nicht verpflichtet den Kunden rechtzeitig über die Überschreitung des Freibetrages und die zulässige Freibetragsgrenze zu informieren?
Hat die Krankenkasse das Recht von mir die Nachzahlung verlangen trotz rechtzeitigen und lückenlosen Mittelungen von meiner Seite über die Höhe meinen monatlichen Einkommen?
Kann ich deshalb einen Widerspruch einlegen?
Für eine Antwort werde ich Ihnen sehr dankbar sein.
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für ihre Anfragen das damit entgegengebrachte Vertrauen.
Zunächst müssten sie gegen den Bescheid in jedem Fall Widerspruch einlegen und zwar innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Zugang des Bescheides.
Im Zweifel wäre dies heute, sofern hier kein anderweitiger Zugang erfolgt ist und das Datum des Bescheides der 23.7.2020 ist. Jeder Zugang bei der Krankenversicherung, Sie müssten also hier heute in den Widerspruch bei der Krankenversicherung abgeben oder bsw. zunächst per Telefax vorab übersenden.
Die Krankenkasse wird dann unabhängig von dem Erfolg des Widerspruches noch einmal angehalten, die Angelegenheit zu überprüfen.
Sofern die Krankenkasse Kenntnis davon hatte, dass sie nicht aufgrund ihres Einkommens in der Familienversicherung versichert hätten werden dürfen, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fehler der Krankenkasse vor.
Sie muss bereits bei Antragseingang abschätzen, ob hier eine Familienversicherung infrage kommt oder nicht.
Dabei kommt es natürlich auch auf die tatsächlichen Einnahmen an.
Sofern Sie immer wieder dargestellt haben, dass die Einnahmen höher sind als die Einkommen, die gegebenenfalls zu einer Versicherung in der Familienversicherung berechtigen und die Krankenkasse dies wusste, liegt ein weiterer Fehler vor.
Die Frage stellt sich allerdings dann, inwieweit Ihnen hier ein Schaden entstanden ist.
Dieser könnte zum Beispiel Zinsen oder Säumniszuschlägen bestehen diese dürfte die Krankenkasse aufgrund ihres eigenen Fehlverhalten nicht geltend machen.
Darüber hinaus entnehme ich Ihren Angaben, dass Sie möglicherweise selbst gewusst haben, dass sie nicht in der Familienversicherung versichert werden können, wenn ihr Einkommen zu hoch gewesen ist. Dann hätten sie auch von sich aus die Krankenkasse aufmerksam machen können und hier in den normalen Tarif wechseln müssen oder das Einkommen reduzieren müssen
Sofern Sie dies nicht gewusst haben, kann Ihnen dieses Nichtwissen leider nicht positiv weiterhelfen.
Insofern wäre die Sachlage so zu beurteilen, als wenn die Krankenkasse die ordnungsgemäße Versicherung anhand ihrer Einkommen vornimmt. Ergibt sich daraus, dass eine Familienversicherung nicht möglich gewesen ist, müssen Sie dann in den anderen Tarif versichert werden, was dann möglicherweise mit der entsprechenden Nachzahlung einhergeht.
Hier hätten Sie sich gegebenenfalls auch selbst vorher informieren müssen, inwieweit die Grenzen zur Familienversicherung hinsichtlich des Einkommens bestehen.
Die Krankenkasse muss den tatsächlichen Versicherungsverlauf und das tatsächliche Einkommen der Berechnung zu Grunde legen, wobei es eben keine Rolle spielt, ob Sie hiervon Kenntnis hatten oder nicht und er spielt leider auch keine Rolle, ob die Krankenversicherung selbst eine fehlerhafte Versicherung angenommen hat.
Alleine könnte man gegebenenfalls als Vertrauensschutzgründen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens argumentieren und eben darstellen, dass sie nicht gewusst haben, dass hier eine Familienversicherung nicht vorliegt.
Man könnte hier versuchen sodann einen Schadensersatzanspruch zu konstruieren, der allerdings eben nur mit der entsprechenden Pflicht korrespondiert, dass die Krankenkasse Sie über die jeweiligen Beträge des Einkommens informieren muss, die wohl hier nicht vorliegt.
Auf der anderen Seite wäre argumentativ darzustellen, dass zumindest die fehlerhafte Berechnung zu einem Vertrauensverstoß geführt hat.
Hierzu hat allerdings das Bundessozialgericht anders entschieden, insbesondere hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 03.02.1994 (Az. 12 RK 5/92) eine Berechtigung für die Krankenkassen gesehen - sofern kein bindender Verwaltungsakt vorliegt - das Fehlen der Voraussetzungen für eine Familienversicherung auch rückwirkend festzustellen und somit die Familienversicherung zu beenden.
Die Familienversicherten haben grundsätzlich keinen Vertrauensschutz, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen für eine Versicherung nach § 10 SGB V wegfallen. Dies gilt in erster Linie, wenn der Versicherte nach der erstmaligen Feststellung über das Bestehen einer Familienversicherung Einkommen erzielt hat, das zum Wegfall der Familienversicherung führt. Dies gilt ebenfalls, wenn der Versicherte der gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungspflicht über wesentliche Änderungen der Verhältnisse (§ 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V) nicht nachkommt. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt im Bereich der Familienversicherung nach § 10 SGB V dann vor, wenn die Änderung das Fortbestehen der Versicherung beeinflusst. Als Beispiele können hier Änderungen in den Einkommensverhältnissen oder im Erwerbsstatus genannt werden.
Trotzdem würde ich hier zunächst Widerspruch einlegen und auf die Vertrauensgrundsätze verweisen, insbesondere wenn Sie immer wieder das ordnungsgemäße Einkommen nachgewiesen haben und die Berechnung hätte eigentlich schon viel früher anders erfolgen können.
Vielleicht haben Sie dann Glück, dass die Nachzahlung nicht gefordert werden muss. Notfalls müssten Sie dies dann vor dem Sozialgericht klären lassen.
Zu ihren konkreten Fragen ist noch auszuführen, dass die Krankenversicherung selbstverständlich prüfen muss, ob die Voraussetzungen der Versicherung noch vorliegen, dies in regelmäßigen Abständen. Tut Sie dies nicht oder rechnet sie falsch, kann eben ein oben genannter Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz vorliegen.
Hinsichtlich der Nachzahlung habe ich oben ausgeführt.
Bitte berücksichtigen Sie, dass die Krankenkasse trotz des Widerspruches zunächst die Nachzahlung fordern kann. Ist der Widerspruch oder eine Klage erfolgreich, muss die Krankenversicherung den Betrag wieder zurückzahlen. Alternativ wäre ein Antrag auf Erstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu stellen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen hilfreich geantwortet habe und stehen bei Nachfrage bedarf jederzeit weiter gerne zur Verfügung.
Viele Grüße
Christian Joachim
Rechtsanwalt
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