Insolvenz bei Corona Sperre befürchtet/ Hauskauf
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Grass,
ich bin Geschäftsführerin einer großen Yogaschule in Berlin. Ich bin gerade dabei mit meiner Familie ein Haus zu kaufen, wir haben eine Finanzierungszusage von einer Bank und der Notartermin ist für den 12. März vereinbart.
Dafür war geplant, dass ich mir einen Teil der Gewinne aus den letzten Jahren ausschütte. So habe ich mir den im Januar 20 festgestellten Gewinn von 2018 (22.000€) vor 1 Woche ausgeschüttet . Davon werde ich die ausstehende zweite Hälfte meiner GmbH Einlage (12.500€) an die Firma zurück überweisen.
Eigentlich hätte ich mir auch noch gern weitere 20.000€ aus dem letzten Jahr als Vorabgewinnausschüttung 2019 ausgezahlt, um privat wieder etwas Puffer zu haben.
Aktuell sind auf den Konten der Firma 100.000€. Nun zeichnet sich immer mehr ab, dass es eventuell zu einer Corona-Krise kommen könnte. Wenn die Yogaschule vom Gesundheitsamt geschlossen wird, weil die Stadtteile in Berlin abgeriegelt werden, müssten wir die Mitarbeiter entlassen und hätten dann monatlich ca. 5000€ feste Mietkosten, die weiterlaufen. Die Rücklagen wären in ca. 6 Monaten bis auf das Stammkapital aufgebraucht (nach Lohnfortzahlung bis die Kündigungen greifen).
Nun meine Fragen:
1. Habe ich einen Fehler gemacht, dass ich mir meinen Gewinn von 2018 ausgeschüttet habe, da ja letzte Woche schon die ersten Corona Fälle bekannt waren? (Insolvenzverschleppung)
2. Muss man sofort bei Schließung der Schule Insolvenz anmelden? Darf man dann noch weiterhin ein Geschäftsführergehalt sich auszahlen?
3. Wenn man erst bei Erreichen der Stammkapitalgrenze Insolvenz anmelden muss, darf man sich bis dahin noch weiterhin ein Geschäftsführergehalt auszahlen (minimiert auf das Notwendigste)?
4. Darf ich mir in jetziger Situation (aufkommende Coronafälle in Berlin) noch eine Vorab-Gewinnausschüttung machen?
Herzlichen Dank
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Dietrich
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Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrte Ratsuchende,
danke für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Der erwirtschaftete Gewinn und die daraus folgende Gewinnausschüttung trägt der guten Geschäftslage des vorletzten Geschäftsjahres Rechnung. Aktuell ist die Firma auch keinesfalls in einer wirtschaftlichen Schieflage, dass man hieraus Besorgnis haben müsste, den Gewinn zu entnehmen. Allein die „Mutmaßung“, mehr ist es meines Erachtens nicht, da es an konkreten objektiven Tatsachen fehlt, dass sich eine „Coronakrise“ entwickeln könnte, ist kein Grund für einen zurückhaltenden Umgang mit der Gewinnausschüttung.
Wenn die Schule geschlossen werden müsste, hängt Ihr weiteres Verhalten davon ab, wie lange diese Schließung mit den entsprechenden Einnahmeverlusten, sich hinzieht. Solange die kurzfristige Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Schule in absehbarer zZit, bevor sämtliche Reserven aufgebraucht sind, wieder öffnen kann und wenn die begründete Hoffnung besteht, dass die „alten“ Umsätze – zumindest annähernd – wieder erreicht werden, können Sie sich das Geschäftsführergehalt weiter auszahlen.
Ggf. müsste das Gehalt angemessen reduziert werden. Hier kann natürlich nur schwer ein allgemeiner Rat erteilt werden, weil dies von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Angenommen, die Schule würde über Monate geschlossen bleiben müssen und eine Wiedereröffnung wäre nicht (zeitlich) vorhersehbar, dann würde die Firma nach Ihrer Schilderung langsam, aber sicher, einer Krise entgegen steuern. In einem solchen Fall müsste dann auch das Geschäftsführergehalt gekürzt werden, weil sonst die Gefahr droht, dass der Geschäftsführer sich schadensersatzpflichtig macht (vgl. Oberlandesgericht Köln, AZ:18 U131/07). Im anders gelagerten Fall, wenn die Schließung vorhersehbar nur einen kurzen Zeitraum, z.B. 1 Monat umfasst, und es sicher ist, dass die Einnahmen dann wieder fließen, muss keine Reduzierung erfolgen.
Laut Gesetz (§ 15 a InsO) muss der Geschäftsführer spätestens 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen. Zu beachten ist, dass die Frist eine sog. Höchstfrist ist, die man in Anspruch nehmen kann, wenn man berechtigte Hoffnung auf eine Sanierung hat. Im konkreten Fall also dann, wenn sicher ist, dass das Studio wieder eröffnet und „alte“ Umsätze generiert werden können.
Eine Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 17 InsO dann gegeben, wenn die GmbH ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Dies wäre auf jeden Fall gegeben, wenn das Stammkapital aufgebraucht ist und keine Einnahmen vorhanden sind oder zu erwarten sind, die die monatlichen Ausgaben decken.
Die aktuelle „Coronasituatiion“ ist m.E. kein Grund, um die laufenden Geschäfte bzw. geplante Aktivitäten zu ändern oder zu unterlassen. Momentan ist nicht im Geringsten absehbar, wie sich die Situation entwickelt und vor allem welche konkreten Auswirkungen die Coronafälle auf Ihr Studio haben werden. Allein der Umstand, dass es den Virus gibt und sich dieser verbreitet, was man sicher vorhersehen kann, kann letztlich rechtlich nicht zu einem Vorwurf an Sie als Geschäftsführer werden, gerade weil die konkrete Entwicklung auf Ihren Geschäftsbereich nicht absehbar ist.
Ich hoffe, Ihre Fragen konnten umfänglich beantwortet werden. Wenn noch Unklarheiten oder Nachfragen bestehen, nehmen Sie bitte mit mir Kontakt auf.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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