EstG §23 Abs. (1) Nr. 1 S. 3
Fragestellung
Hallo, wir wollen ein Grundstück kaufen und selbst nutzen auf dem im vorderem Bereich ein Haus steht, und hinten ein Gästehäuschen, wir würden es gerne Teilen und den hinteren Teil verkaufen. Kauf 1.6.2019, ist es richtig, das wir erst Januar 2021 das hintere Teil ohne "Spekulationssteuer" verkaufen können? EstG §23 Abs. (1) Nr. 1 S. 3
Also wenn wir es gleich nach dem Kauf Teilen und Teilverkaufen würde eine "Spekulationssteuer" anfallen auf den Gewinn der Veräußerung den man erzielt hat?
Kaufpreis: 500.000
56% werden verkauft (Anteil: 280.000) ,erzielt werden 400.000
ergibt einen Gewinn von 120.000, und die muss ich versteuern?
Wie rechtssicher ist eure Antwort?
MfG
John
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Antwort von Rechtsanwalt und Steuerberater Nils Hoefer
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gern wie folgt beantworten möchte:
Grundsätzlich sind private Grundstücksverkäufe bei der Einkommensteuer nur steuerfrei, wenn zwischen Anschaffung und Verkauf mehr als 10 Jahre liegen (§ 23 Abs. 1, Nr. 1 EStG).
Hiervon gibt es die von Ihnen zitierte Ausnahme nach S. 3, wenn die Immobilie entweder zwischen Anschaffung und Verkauf oder in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Intention des Gesetzgebers ist hier, dass bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kein „Spekulationsobjekt“ vermutet wird. Die zu eigenen Wohnzwecken erworbenen Immobilien wollte der Gesetzgeber hier also Begünstigen.
Das Besondere an Ihrer Konstellation ist, dass Sie ein Grundstück kaufen möchten, auf dem zwei Gebäude stehen. Sie möchten das im vorderen Bereich stehende Haus selber nutzen, unzweifelhaft zu eigenen Wohnzwecken. Nicht so eindeutig ist in diesem Zusammenhang das im hinteren Teil befindliche Gästehaus. Hier möchten Sie das Grundstück teilen und mit Gästehaus verkaufen.
Wenn man sich den o.g. Satz 3 genauer betrachtet, ist hier nicht von Grundstücken, sondern „Wirtschaftsgütern“ die Rede. Hieraus folgt, dass sich die Begünstigung nicht immer auf ein ganzes Grundstück beziehen muss. Begünstigte Wirtschaftsgüter sind daher nur solche Gebäude, selbstständige Gebäudeteile, Eigentumswohnungen und in Teileigentum stehende Räume (Wirtschaftsgüter), die zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Wenn Sie das Grundstück also nach dem Erwerb sofort Teilen und den hinteren Teil mit Gästehaus verkaufen, ist dieser mangels Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht begünstigt, sodass der hierauf entfallende Gewinn (Verkaufspreis abzüglich anteilige Anschaffungskosten, Kosten der Teilung etc.) der persönlichen Einkommensteuer unterläge. Ein privates Veräußerungsgeschäft ist nach BFH-Rechtsprechung immer auch anzunehmen, wenn ein erworbenes Grundstück parzelliert und eine Parzelle innerhalb der Veräußerungsfrist veräußert wird (BFH, Urteil vom 19-07-1983 - VIII R 161/82 (FG Köln): Spekulationsgeschäft bei Parzellierung und teilweiser Weiterveräußerung eines Grundstücks)
Meines Erachtens ist ein bloßes Abwarten (Leerstand) bis zu einem Verkauf Januar 2021 aber auch nicht ausreichend. Vielmehr müsste es zunächst in Nutzung zu eigenen Wohnzwecken genommen werden, um die Voraussetzungen der Begünstigung nach S. 3 zu erfüllen. Ein Leerstand ist in diesem Zusammenhang nur unproblematisch, wenn er vor oder nach einer (beabsichtigten) Eigennutzung zu Wohnzwecken entsteht (Rn. 25 des BMF Schreiben vom 5. 10. 2000 IV C 3 - S 2256 - 263–00, Zweifelsfragen zur Neuregelung der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach § ESTG § 23 EStG).
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohnt hat. Ein Wirtschaftsgut wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es vom Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht (z. B. Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnung). Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 EStG hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat (Rn. 22, 23 des BMF Schreiben vom 5. 10. 2000 IV C 3 - S 2256 - 263–00, Zweifelsfragen zur Neuregelung der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach § ESTG § 23 EStG).
Vorstellbar wäre also die Herrichtung und Nutzung des Gästehäuschens für die kostenlose Unterbringung von Familienangehörigen und Bekannten, sozusagen als ausgelagertes Gästezimmer oder die dauerhafte Bewohnung durch ein Kind. Eine Vermietung an Feriengäste gegen Entgelt wäre aber schädlich. Die unentgeltliche Überlassung eines Wirtschaftsguts an andere - auch unterhaltsberechtigte – Angehörige für dessen Wohnzwecke stellt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dar.
Natürlich müssen die familiären und räumlichen Gegebenheiten vor Ort hier zu den vorgenannten Ausführungen passen und deren Umsetzung zumindest begonnen werden, zumindest temporär. Dies kann ich nicht abschließend beurteilen. Für die 1. Alternative des S. 3 wäre der notwendige Zeitraum nicht bis Anfang 2021, da hier auf den Zeitraum zwischen Anschaffung und Verkauf abgestellt wird.
Für eine 100% Einschätzung wäre also erforderlich, die mögliche Ausgestaltung der (beabsichtigten) Nutzung des Gästehäuschens zu eigenen Wohnzwecken zu untersuchen. Hier könnte, sobald diese feststeht, auch vor dem Verkauf und der Teilung eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes nach § 89 Abgabenordnung eingeholt werden. Die verbindliche Auskunft soll es Steuerpflichtigen gerade ermöglichen, die steuerlichen Konsequenzen genau bestimmter Sachverhalte bereits vor ihrer Verwirklichung abzuschätzen, ist aber auch kostenpflichtig.
Ich hoffe, dass die Ausführungen Ihnen bei Ihren Planungen weiterhelfen. Gern können Sie bei Rückfragen auch die Nachfragemöglichkeit nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Hoefer
Rechtsanwalt und Steuerberater
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