Frage zu Ausnahme von Spekulationsfrist EstG §23 Abs. (1) Nr. 1 S. 3
Beantwortet von Dipl.-Finanzwirt Steuerberater Michael Mertens
Fragestellung
Meine Frau und ich haben im März 2012 eine Wohnung in Deutschland erworben. Kaufpreis: 345.000 EUR. Der derzeitige Marktwert dürfte bei ca. 420.000 EUR liegen. Die Wohnung war seitdem an meinen Vater vermietet (Miete von 1.000 EUR + NK, wobei auch >1.100 EUR realisierbar wären). Mein Vater hat einen Teil der Miete als Betriebsausgaben geltend gemacht und nun den Mietvertrag zum 30. September 2016 gekündigt. Meine Frau und ich sind in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig, da wir sei 2006 im europäischen Ausland (Spanien) wohnen. Es ist nicht geplant, dass wir unseren Lebensmittelpunkt in den nächsten Jahren zurück nach Dtl. verlegen. Unser Ziel ist es die Wohnung zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu verkaufen, möglichst unter Vermeidung der Spekulationssteuer.
Ist es korrekt, dass wir die Wohnung ab 1.1.2019 ohne Zahlung der Spekulationssteuer verkaufen könnten, wenn wir diese in der Zwischenzeit nicht weiter vermieten und somit nur selbst (als Feriendomizil) nutzen? Was für sonstige steuerliche oder betriebswirtschaftliche Aspekte wären bei diesem Verkauf zu berücksichtigen (auf Auslandssteueraspekte das DBA betreffend brauchen Sie in Ihrer Antwort nicht einzugehen)?
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Antwort von Dipl.-Finanzwirt Steuerberater Michael Mertens
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sehr gerne beantworte ich im Nachfolgenden Ihre Anfrage, ob in Ihrem Falle ein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegt.
Aus der Vermietung der Immobilie erzielen Sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Immobilie gehört zu Ihrem Privatvermögen.
Gem. § 23 EStG liegt grundsätzlich ein privates Veräußerungsgeschäft (sog. Spekulationsgeschäft) vor, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung ein Zeitraum von zehn Jahren nicht vergangen ist. Wichtig ist, dass es hier nicht auf den Übergang von Nutzen und Lasten anbekommt, sondern entscheidend sind die Datumsangaben der Kaufverträge.
Allerdings gibt es hier eine Ausnahme. Ein privates Veräußerungsgeschäft liegt nicht vor, wenn die Wohnung durchgehend eigengenutzt oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Die Anschaffung erfolgte in 2012, so dass die 10 Jahresfrist erst in 2022 abgelaufen würde.
Sofern Sie die Wohnung jedoch nunmehr nach der Kündigung Ihres Vaters ab dem 01.10.2016 durchgehend selbst nutzen, greift die Ausnahmeregelung, wonach Sie die Wohnung zum 01.01.2019 steuerfrei veräußern könnten.
Das Grundstück muss innerhalb der letzten drei Kj. zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Die Eigennutzung muss aber nicht die vollen drei Kj. umfassen.Der Stpfl. nutzt eine von ihm angeschaffte und hinreichend ausgestattete Wohnung bereits dann zu eigenen Wohnzwecken, wenn er damit beginnt, sie zu beziehen (BFH Urteil vom 18.1.2006, IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936).
Aufgrund dessen, dass Sie die Wohnung ab dem 01.10.2016 selber nutzen, wäre es sogar möglich die Wohnung bereits zum 02.01.2018 zu veräußern.
So wird die Wohnung in drei Kalenderjahren
2016 - 01.10.16-31.12.16;
2017 - 01.01.17-31.12.17 und
2018 - 01.01.18-02.01.18
zu eigenen Wohnzwecken genutzt.
Demnach wäre also die Veräußerung auch schon in 2018 möglich.
Wichtig ist jedoch, dass Sie die Eigenutzung auch vornehmen. Dies hat zur Konsequenz, dass Sie Ihre Vermietungstätigkeit vollständig beenden müssten und auch keine weiteren Kosten (AfA, Schuldzinsen etc.) im Rahmen der Steuererklärung geltend machen könnten.
Damit ich es später mit dem Finanzamt keine Probleme (Anerkennung der Eigennutzung ab 01.10.2016) gibt, würde ich bereits jetzt dem Finanzamt ein Schreiben schicken und mitteilen, dass Sie zum 01.10.2016 Ihre Vermietungsabsicht aufgegeben haben und die Wohnung nunmehr zu eigenen Wohnzwecken nutzen werden.
Ansonsten gibt es daneben nur noch zu beachten, dass bei der Veräußerung Grunderwerbssteuer anfallen würde. Diese wird jedoch grundsätzlich durch den Erwerber getragen.
Bitte beachten Sie, dass eine neue Vermietung auch wieder eine neue "3 Jahrefrist - Eigennutzung" anlaufen lassen würde. Demnach wäre es wirklich wichtig, dass Sie, sofern Sie die Wohnung veräußern möchten und keine Steuer auf den Gewinn zahlen möchten, die Vermietungsabsicht in 2016 aufgeben.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht würde ich noch eine Vergleichsrechnung vornehmen:
Mieteinnahmen
abzgl. Werbungskosten (AfA, Schuldzinsen, Hausverwaltung etc.)
= Überschuss oder Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen (= umgangsprachlich Verlust)
x Steuersatz
= Steuerbelastung
Wenn Sie weitere inländische Einkünfte erzielen, könnten diese mit einem möglichen Verlust verrechnet werden.
Sofern also Sie aus der Vermietung eine hohe Rendite bei geringer Steuerbelastung erwirtschaften, würde sich auch eine weitere Vermietung andienen.
Bei einem Veräußerungsgewinn von ca. 75.000,- Euro und einem möglichen Spitzensteuersatz (ca. 45 %) liegt die Steuerbelastung bei 33.750,- Euro.
Würden die Mieteinnahmen diese Steuerbelastung ggf. amotisieren oder wäre möglicherweise nicht auch eine Vermietung bis 2022 möglich, so dass Sie die Immobilien mit einer möglichen weiteren Wertsteigerung auch steuerfrei veräußern und in den kommenden sechs Jahren weitere Mieteinahmen erwirtschaften?
Sofern Sie auf den Veräußerungspreis nicht finanziell angewiesen sind, würde ich überlegen, ob nicht eine weitere Vermietung sinnvoller wäre. Immobilien sind m.E. nach zur Zeit die beste Anlagemöglichkeit.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen. Bei Fragen stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung.
Über eine Bewertung von Ihnen würde ich mich sehr freuen.
Beste Grüße
Michael Mertens
Dipl.-Finw. Steuerberater
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Ich hätte nur eine kurze Rückfrage: Gibt es in der einschlägigen Rechtssprechung konkrete Mindestanforderungen dazu, ab wann eine Wohnung als bezogen gilt? Muss diese z. B. ausreichund möbliert sein oder muss nachgewiesen werden, dass diese an einer Mindestanzahl von Tagen im Jahr tatsächlich von uns bewohnt wird.
vielen Dank für Ihre Rückfrage.
Da die Wohnung von Ihnen privat genutzt wird (also keine Vermietungsabsicht besteht) muss die Wohnung nicht zwingend eine Mindestanforderung entsprechen. Damit allerdings überhaupt eine Wohnung vorliegt, muss es sich um einen abgeschlossenen Raum handeln und dieser Raum muss mit einer Küche (also Herd und Spültisch) sowie einen WC versehen sein. Weitere Anforderungen sind nicht vorhanden.
Beste Grüße
Michael Mertens
Dipl.-Finw. Steuerberater