Erbbauzins
Fragestellung
In einem Erbbaurechtsvertrag aus 1987 wurde Erbbaurecht über ein Grundstück an 19 Anteilseigner mit Laufzeit von 99 Jahren vergeben.
Aufteilung: 765,2 Tausendstel für 18 Wohneinheiten und 235,8 Tausendstel für eine Gewerbeeinheit.
Die Zinsen für die Wohnungen wurden von der Hausverwaltung eingezogen, die Zinsen für den Gewerbeteil wurden direkt an den Grundstückseigentümer bezahlt.
Im Jahr 2019 bot der gewerbliche Anteilseigner seinen Anteil zum Kauf an.
Die Interessenten bemängelten die hohen Erbbauzinsen und prüften die vertraglichen Zahlungen.
Dabei stellte sich heraus, dass die vom Gewerbe gezahlten Anteile pro Tausendstel Anteil höher belastet worden sind als die Anteile der Wohneigentümer.
Beispiel Rechnungsjahr 1.10.2017 bis 30.9.2018
Wohnungen incl. Garagen bezahlt €61.649,88 für 765,2 / 1000 stel = € 80.567 pro Tausendstel
Gewerbeeinheit incl. Garagen bezahlt €22.038,60 für 235,8 / 1000 stel = € 93,463 pro Tausendstel
Fazit: Das Gewerbe wird mit €12,896 pro Tausendstel höher belastet als die Wohnungsanteile.
Also bei 235,8 / 1000 stel mit insgesamt € 3.040,87 im Jahr 17/18.
Im Laufe der Jahre 199o bis 2018 ist die Differenz stetig von 7,00€ bis auf 13,00€ für ein Tausendstel gewachsen.
Vergleicht man nicht die Werte der Tausendstel sondern addiert die Zahlungen beider Gruppen und teilt sie durch 1000, kommt man zu einheitlichen Werten aber in der Weise, dass die Wohnungseigentümer Nachzahlungen zu Gunsten des gewerblichen Anteilseigners leisten müssten,- schwer durchsetzbar.
• Kann man einfach die Schlechterstellung des Gewerbes gegenüber den Wohneinheiten als Vertragsschaden zurückverlangen?
• Unterliegt der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung der 3 Jährigen Verjährung oder umfasst der Anspruch aus Fehlberechnung einen größeren Zeitraum ?
Wann und warum die Berechnungen unrichtig wurden, ist nicht klar. Aber es verläuft seit 30 Jahren kontinuierlich und mit steigender Tendenz zu Lasten des Gewerbes.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Reinhard Otto
Guten Tag,
ich möchte Ihre Anfrage auf der Grundlage der dazu mitgeteilten Informationen wie folgt beantworten:
Bei einer Überzahlung kann ein Anspruch auf Rückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 BGB bestehen.
Dieser Anspruch unterliegt der Regelverjährung des § 195 BGB und beträgt damit 3 Jahre.
Zwar gibt es in § 196 BGB eine Sonderregelung für Ansprüche betreffend Rechte an einem Grundstück und deren Gegenansprüche, zu denen Erbbauzinsen eigentlich gehören würden, aber der BGH hat in seinem Urteil vom vom 9. Oktober 2009 - V ZR 18/09 bestimmt, dass diese Vorschrift nicht anwendbar sein soll auf Erbbauzinsen und deren Rückzahlung, so dass es grundsätzlich bei den 3 Jahren verbleibt.
Was den Beginn der Frist angeht, so gilt die etwas komplizierte Vorschrift § 199.
Der Bereicherungsanspruch entsteht grundsätzlich mit der Überzahlung. Die Verjährung beginnt am 31.12. des jeweiligen Leistungsjahres.
Allerdings beginnt die Frist erst dann zu laufen, wenn
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen ...Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Ihnen sind die Umstände in 2019 bekannt geworden. Das ist Kenntniserlangung nach der ersten Alternative.
Es bleibt allerdings die Frage zu klären, ob Sie bei gehöriger Prüfung der Erbbauzinsen in den vergangenen Jahren den Fehler nicht eher hätten entdecken können und ob die unzureichende Prüfung grobe Fahrlässigkeit darstellt, was von der 2. Alternative erfasst wäre. Auch in diesem Fall wären Sie in der dreijährigen Verjährung und alle Ansprüche bis zum 31.12. 2015 wären verjährt.
Sie könnten nur wegen der Überzahlungen ab 01.01.2016 Ansprüche geltend machen.
Andernfalls würde § 199 Abs. 4 gelten, wonach die Ansprüche nach Ablauf von 10 Jahren verjährt wären. Sie könnten dann den Zeitraum ab 01.01.2009 ins Auge fassen.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt
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Unterstellt die Verjährung des Anspruchs aus Überzahlung (ungerechtfertigte Bereicherung) für die Zeit vor der Regelverjährung besteht noch die Aufrechnungserklärung nach 387 BGB gegenüber den laufenden Fälligkeiten aus dem Dauerschuldverhältnis (monatlich fälliger Erbbauzins € 1.830,-). Ich rechne erst mal einen Monat mit anteilig € 1.830,- aus der Überzahlung in 2018 auf etc.... Die zu erwartende Einrede ist abzuwarten. § 215 BGB schützt die Aufrechnung, wenn ich das bei HAUFE verstanden habe:
"Die Aufrechnung bleibt auch mit einer verjährten Forderung möglich, soweit die Aufrechnungslage bereits zu einem Zeitpunkt bestanden hat, als die zur Aufrechnung gestellte Forderung noch nicht verjährt war. § 215 macht entbehrlich, dass der durch die Aufrechnungslage geschützte Gläubiger seine Forderung durchsetzen muss, um ihre Verjährung zu verhindern. Auf eine erst nach Verjährungseintritt entstandene Aufrechnungslage ist § 215 folglich nicht anwendbar. Die Gegenforderung muss nur erfüllbar (BGH NJW 12, 445 [BGH 08.11.2011 - XI ZR 341/10] Rz 11 ff; Hamm MDR 12, 451: je zu § 488 I 2), nicht fällig sein (§ 387 Rn 18). Die Aufrechnung wird auch nicht dadurch gehindert, dass eine Klage aus der Forderung wegen Verjährung rechtskräftig abgewiesen wurde (BGH WM 71, 1366, 1367).
B. Zurückbehaltungsrecht.
Rz. 2
Parallel zur Aufrechnung sieht § 215 auch für das Zurückbehaltungsrecht die Möglichkeit der Geltendmachung noch dann vor, wenn die Forderung zwischenzeitlich verjährt ist, das Zurückbehaltungsrecht aber bereits zu einem Zeitpunkt, als die Verjährung noch nicht eingetreten war, hätte geltend gemacht werden können (sog "Vorwirkung"; München NJW 12, 1518, 1519 [OLG München 06.12.2011 - 9 U 424/11 Bau]). Dass eine Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht vor Verjährungseintritt tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht erforderlich (BGH NJW 16, 52 [BGH 05.11.2015 - VII ZR 144/14] Rz 11), ebenso wenig, dass die Leistung des Zurückbehaltenden fällig war (BGH NJW 06, 2773 [BGH 19.05.2006 - V ZR 40/05]). Die Regelung gilt sowohl für das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 wie auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 I (§ 194 Rn 6)."
………………………
Ich habe nun alle Zahlen von der Verwaltung vorliegen.
(Anlage) Nach meiner Rechnung wäre bei Rückbehalt der Erbbauzinsen die Überzahlung in 54 Monaten abgebaut. Die Teilforderungen müssen wohl so ausgerechnet werden, dass sie jeweils den Monatsfälligkeiten entsprechen.(?).
Ihre heute hochgeladenen Fragen stellen keine Nachfrage zu meiner Antwort dar, sondern zielen darauf ab, die mit rd. 76.604 € ermittelte Überzahlung trotz möglicherweise eingetretener Verjährung geltend machen zu können.
Diese Frage kann ich nicht im Rahmen der Nachfragefunktion beantworten, weil der gebotene Betrag unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Beratung dafür als nicht angemessen angesehen werden muss.
Ich erstelle Ihnen ein Zusatzangebot, dessen das wirtschaftliche Interesse sowie das Risiko angemessen berücksichtigt.
Mit freundlichen Grüßen