Erbausgleich
Fragestellung
Es geht um folgenden Sachverhalt:
Mein Vater ist verstorben und hinterlässt ein kleines Wohnhausgrundstück in B. Einzige Erben sind mein Bruder und ich. Das Haus soll jetzt für ca. 200.000,00 € verkauft werden.
Normalerweise erben wir jeweils die Hälfte. Hier gibt es aber die Besonderheit, dass mein Vater bereits im Jahr 1972 ein anderes damals in seinem Eigentum stehendes Haus in A. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an meinen Bruder übertragen hatte und im notariellen Vertrag ausdrücklich geregelt ist, dass er sich diese Zuwendung unter Berücksichtigung eines zu Gunsten meines Vaters einzutragenden Nießbrauchs und der von ihm übernommenen Restbelastungen auf seinen zukünftigen Erbteil anrechnen lassen müsse. Im notariellen Vertrag wird der Wert des Grundstücks mit 100.000,00 DM und der Wert des zu Gunsten meines Vaters einzutragenden Nießbrauchs mit 1000,00 DM/Jahr angegeben. Belastungen bestanden zu diesem Zeitpunkt noch in Höhe von ca. 15.000,00 DM. Der Nießbrauch ist jedoch nie ausgeübt worden. Meine Eltern haben beide zu diesem Zeitpunkt schon in dem Haus in B. gewohnt, das jetzt zum Verkauf steht und Gegenstand der Erbmasse ist. Entgegen der ausdrücklichen Regelung im notariellen Vertrag, wonach die Besitzübertragung erst nach Beendigung des Nießbrauchs erfolgen sollte, ist der tatsächliche Besitz an dem Haus auch sofort meinem Bruder überlassen worden, der mit seiner Familie dort 22 Jahre gewohnt und das Haus im Jahr 1995 verkauft hat.
Für uns stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen:
1. Muss bei dem im Vertrag angenommenen und von uns akzeptierten Wert des Grundstücks (wir wollen kein Gutachten und wollen uns auch nicht streiten) im Zeitpunkt 1972 (§ 2055 Abs. 2 BGB) der zwischenzeitliche Kaufpreisschwund berücksichtigt werden?, Denn eine DM von 1972 war nach einer Kaufkraftäquivalenzbetrachtung sicher mehr wert als ein Euro im Zeitpunkt des Erbfalles 2017.
2. Darüber hinaus fragen wir uns, ob der Wert des Nießbrauchs vom Grundstückwert einfach abgezogen werden darf und wenn ja, in welcher Höhe?
Ein im Grundbuch eingetragenes Nießbrauchrecht mindert zwar grundsätzlich den Wert eines Grundstücks. In den mir bekannten Fällen war es aber immer so, dass der Zuwendungsgeber das Nießbrauchrecht auch tatsächlich wahrgenommen hat. Hier ist aber neben dem Eigentum auch der Besitz an dem Grundstück tatsächlich sofort auf meinen Bruder übergegangen, so dass er das Haus von Anfang an selbst nutzen konnte - ohne den Nießbrauch beachten zu müssen.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
1.
§ 2055 BGB - Durchführung der Ausgleichung -bestimmt (ich zitiere das hier nochmals):
"(1) Bei der Auseinandersetzung wird jedem Miterben der Wert der Zuwendung, die er zur Ausgleichung zu bringen hat, auf seinen Erbteil angerechnet. Der Wert der sämtlichen Zuwendungen, die zur Ausgleichung zu bringen sind, wird dem Nachlass hinzugerechnet, soweit dieser den Miterben zukommt, unter denen die Ausgleichung stattfindet.
(2) Der Wert bestimmt sich nach der Zeit, zu der die Zuwendung erfolgt ist."
Zu letzterem Abs.:
Das ist richtig, wie Sie mitgeteilt haben: Der Wert der Zuwendung ist zunächst für den Zeitpunkt der Zuwendung festzustellen und dann unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Zeitpunkt des Erbfalls umzurechnen; denn die ausgleichungsberechtigten Miterben werden so gestellt, als sei der zugewandte Gegenstand seinem Wert nach im Zeitpunkt des Erbfalles noch im Nachlass gewesen.
Vgl. BGH zur Ausgleichung und Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil, Urteil vom 04.07.1975 - IV ZR 3/74
Umgerechnet wird, indem der Wert der Zuwendung mit der für das Jahr des Erbfalls geltenden Preisindexzahl für die Lebenshaltung multipliziert und durch die Preisindexzahl für das Jahr der Zuwendung dividiert wird. Besteht die Zuwendung in der schenkweisen Übereignung eines Grundstücks, ist Stichtag für die Bewertung der Schenkung der Tag der Eintragung im Grundbuch. Zinsen und Nutzungen bleiben außer Betracht.
2.
Bevor ich Ihnen darauf antworte, habe ich noch eine Frage:
Hat Ihr Bruder das auch mit Einverständnis des Vaters sofort SELBST genutzt, stand es leer oder war es gar vermietet. Danke für Ihre Rückmeldung.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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Ihre Rückfrage beantworte ich wie folgt:
mein Bruder hat das Haus mit der Einwilligung meines Vaters sofort übernommen und darin selbst und mit seiner Familie 22 Jahre gewohnt. Es gab in dem Haus noch eine zweite selbständige Wohnung, die noch ca. zwei Jahre vermietet war. Die Miete ist an meinen Bruder gezahlt worden. Weder mein Vater noch meine Mutter haben jemals in dem Haus gewohnt. Gelten die sofortige Besitzeinräumung und die Mietzahlungen ebenfalls als ausgleichspflichtige Zuwendungen, die unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes in die Berechnung einfließen müssen?
Mit freundlichen Grüßen
GK
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Konkret zu Ihrer Frage (Gelten die sofortige Besitzeinräumung und die Mietzahlungen ebenfalls als ausgleichspflichtige Zuwendungen, die unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes in die Berechnung einfließen müssen?):
Richtig, in diesem Fall dürfte der Nießbrauch nicht wertmindernd berücksichtigt werden, da er praktisch eine inhaltsleere Hülse darstellte und nur im Grundbuch vorhanden war, dass aber praktisch anders gelebt wurde. Das ist jedenfalls meine erste Einschätzung dazu.
Auch die Mietzahlungen sind als ausgleichspflichtige Zuwendungen anzusehen und mit einzubeziehen.
Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt