Zeugenverweigerungsrecht angeblicher Diebstahl
Fragestellung
Ich benötige bitte einen Rat: Meine Tochter hat in einem Geschäft eine Sonnenbrille gefunden, die dem Kunden vor uns gehörte. Meine Tochter und ich sind dem Kunden auf den Parkplatz gefolgt, meine Tochter hat den Mann mehrmals angesprochen, er möge doch seine Sonnenbrille, die er im Laden liegen gelassen hat, an sich nehmen. Er schaute sie nur an, keinerlei Reaktion und stieg ohne einen Ton zu sagen ins Auto. Wir waren ziemlich verdattert wegen dieser "Nicht"-Reaktion. Inzwischen kam mein Mann aus dem Laden und wir sind nach Hause gefahren, die Brille hat meine Tochter zur Seite gelegt. Mehrere Wochen später, waren mein Mann und ich wieder mal in besagtem Geschäft. Als wir an der Kasse standen, teilte uns der Kassierer mit, dass er die Polizei rufen musste, da der Kunde eine Anzeige bei der Polizei erstattet hatte, wegen seiner Sonnenbrille. Das ALLES geschah dann im Kassenbereich des Geschäftes, die Befragung der Polizei unserer perönlichen Daten, sowie die Daten unserer Tochter, die in einer anderen Stadt lebt, wurden erfragt. Wir fühlten uns regelrecht überrumpelt und haben leider auch Auskunft gegeben. Im Nachgang habe ich mich über diese Art und Weise der Polizeibeamten sehr geärgert. Ich habe gestern mit dem Bearbeiter bei der Polizei gesprochen und habe ihn nach dem "Zeugenverweigerunsrecht" befragt. Kleinlaut hat er zugegeben, dass man uns darauf hätte Aufmerksam machen (ist nicht erfolgt). Als ich ihn auf das "Beweisverwerungsverbot" aufmerksam machte, kam die Antwort: "Wir leben ja hier nicht in Amerika". Wie ist der Stand? Es gibt doch auch so etwas wie eine Angemessenheitsfrage, oder so ähnlich. Es geht hier wie gesagt nicht um die Brille, sondern um den Umgang mit uns. Jeder Dieb wird im Laden in ein Büro geführt, uns hat man vor allen Kunden wie Verbrecher behandelt, DAS regt mich fürchterlich auf und ich möchte mir das eigentlich NICHT gefallen lassen.
Danke für Tipps! S.
.
.
.
.
.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
0900-1010 999 * anrufen
Antwort von Rechtsanwältin und Mediatorin Nicole Koch, LL.M.
Sehr geehrter Fragesteller,
Sie wurden nicht über Ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt.
Die Zeugen sind zudem gemäß § 52 III 1 StPO über ihr Recht, die Aussage oder ihr Zeugnis zu verweigern, zu belehren. Unterbleibt eine solche Belehrung und sagt der Zeuge aus,
obgleich er die Aussage hätte verweigern können, so ist fraglich,ob die Aussage trotz dieses Verfahrensfehlers verwertet werden kann. Da ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht normiert ist, richtet sich die Beurteilung hier nach den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten.
Bei Ihnen liegt die Fallgruppe der unterbliebenen Belehrung gemäß § 52 III StPO
über die Zeugnisverweigerungsrechte aus § 52I StPO im Hinblick auf Angehörige des Beschuldigten vor. Wurde ein Zeuge nicht über sein umfassendes Recht zu schweigen aus familiärer Verbundenheit belehrt, so war die Vernehmung fehlerhaft. Hier wird auf Grund einer Wertung auf ein Verwertungsverbot geschlossen. Der Schutzbereich der Norm, Rücksicht auf den Familienfrieden zu nehmen, bezieht den Beschuldigten mit ein, betrifft folglich seinen
Rechtskreis und ist ferner ein bedeutendes, auch grundrechtliches gesichertes, Gut. Etwas anderes gilt wiederum nur dann, wenn dem Familienmitglied das Recht bekannt war.
Ihre Aussage kann also nicht verwertet werden.
Einen Anspruch darauf, in ein separates Zimmer geführt zu werden, gibt es zwar nicht, aber der Umgang ist natürlich völlig unangemessen gewesen und Sie haben deshalb die Möglichkeit, gegen die Beamten eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen.
Was ist denn aus der Brille geworden? Weshalb hat Ihre Tochter diese damals eigentlich nicht im Laden abgegeben und gab es eine Erklärung für das eigenartige Verhalten des Eigentümers der Brille?
Rechtlich gesehen hatte der Ladeninhaber den sog. Gewahrsam an der Brille erlangt, nachdem der Kunde diese dort vergessen hatte. Ihre Tochter hat dennoch keinen Diebstahl begangen, da sie die Brille zwar weggenommen hat, aber keine Zueignungsabsicht hatte. Diese setzt der Diebstahl aber gerade voraus: man muss sich verhalten, wie jemand, der die Sache nun als sein Eigentum betrachtet. Ihre Tochter hat die Brille jedoch lediglich zur Seite gelegt.
Die ganze Sache wird sich aufklären und es wird aller Vorausicht nach keine strafrechtlichen Konsequenzen für Ihre Tochter geben. Die Brille muss sie aber schnellstens heraus geben, falls noch nicht geschehen.
Was den Rahmen Ihrer Vernehmung angeht, so würde ich jedenfalls ein Vorgehen gegen die Beamten erwägen.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit zunächst weiterhelfen konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
N. Koch, LL.M.
Rechtsanwältin & Mediatorin
Sie haben eine Frage im Bereich Strafrecht?
Raten Sie nicht weiter!
Unsere Rechtsanwält*innen geben Ihnen gerne eine kostenlose
Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung einholen