Wegzugsbesteuerung
Fragestellung
Habe eine GmbH in Deutschland (100% Anteile bei mir), kein privates Vermögen außer den Geschäftsanteilen. Wenn ich nun privat nach Spanien ziehe (Wohnsitzverlagerung), greift dann die Wegzugsbesteuerung? Falls ja, wie ist diese mit dem EU-Recht vereinbar?
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Antwort von Dipl.-Finanzwirt Steuerberater Michael Mertens
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage, welche ich im Nachfolgenden gerne beantworten möchte.
Die Wohnsitzverlagerung von natürlichen Personen ins Ausland kann für den bisherigen Ansässigkeitsstaat mit dem Verlust von in seinem Hoheitsgebiet gebildeten stillen Reserven einhergehen. Deshalb werden im Rahmen der Wegzugsbesteuerung beim Umzug einer natürlichen Person ins Ausland die stillen Reserven in Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 EStG aufgedeckt. Im Kern basiert dieser Ersatzrealisationstatbestand auf der Überlegung, dass im Wegzugszeitpunkt die letzte Möglichkeit zur Besteuerung der in Deutschland gebildeten stillen Reserven liegt.
Von der Wegzugsbesteuerung nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) sind
Personen betroffen,
- die mindestens zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt
steuer pflichtig waren und
- ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgeben (somit
verlieren sie die unbeschränkte Steuerpfl icht) und die
- innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens einem Prozent an einer Kapitalgesellschaft beteiligt waren.
Demnach greift bei Ihnen der § 6 AStG. Sie haben den Wertzuwachs zu besteuern.
Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich aus dem gemeinen Wert der Beteiligung zum
Zeitpunkt des Wegzugs abzüglich der Anschaffungskosten. Der gemeine Wert ist der
Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung erzielt werden
kann. Da die fiktive Veräußerung der Anteile besteuert wird, ist – wie bei einer tatsächlichen Veräußerung auch – das Teileinkünfteverfahren anzuwenden:
Das heißt, dass nur 60% des Gewinns besteuert werden.
Die Fiktion der Veräußerung führt dazu, dass Steuern zu zahlen sind, obwohl wie
im obigen Beispiel dargestellt kein Liquiditätszufl uss gegeben ist. Insbesondere bei
ertragsschwachen Gesellschaften mit hohen stillen Reserven kann die Wegzugsbesteuerung folglich dazu führen, dass der Inhaber gezwungen sein wird, die Anteile zu veräußern.
Wie verhält es sich mit EU-Recht:
Im Falle des Wegzugs in einen EU- oder EWR-Staat besteht die Möglichkeit der zinslosen Stundung der Steuer bis zur tatsächlichen Veräußerung des Anteils. Diese Stundungsmöglichkeit wurde wegen der drohenden EU-Rechtswidrigkeit der Wegzugsbesteuerung eingeführt. Sie kann nur von Staatsangehörigen der EU- oder EWR-Staaten in Anspruch genommen werden. Die Stundung ist an folgende
Voraussetzungen geknüpft:
- Amtshilfe zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat;
- Vorliegen einer solchen Ausgestaltung der Steuerpflicht im Zuzugsstaat, die mit der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht vergleichbar ist.
Da zwischen Deutschland und Spanien eine Amtshilfe besteht, kann von Ihnen die Stundung in Anspruch genommen werden.
Da bei einem innerstaatlichen Wohnsitzwechsel die stillen Reserven in Kapitalgesellschaftsanteilen nicht besteuert werden, lag die EU-Rechtswidrigkeit bei Wohnsitzverlagerungen innerhalb der EU auf der Hand. Nachdem der EuGH u.a. im Urteil „de Lasteyrie du Saillant“ (EuGH 11.3.04, C-9/02, DB 04, 686) die Regelungen zur französischen Wegzugsbesteuerung als nicht mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar erklärt hatte, wurde von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Darauf hat das BMF reagiert (BMF 8.6.05, IV B 5 - S 1348 - 35/05, BStBl I 05, 714) und beim Wegzug eines unbeschränkt steuerpflichtigen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der EU oder des EWR in einen dieser Staaten eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistungen bis zum Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile oder der Aufgabe des Wohnsitzes in der EU/des EWR gewährt. Das BMF-Schreiben war auf alle zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht bestandskräftig festgesetzten Steuern anwendbar.
Durch das SEStEG ist § 6 AStG in wesentlichen Teilen verändert und ergänzt worden. In § 6 Abs. 5 AStG ist nunmehr für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats der EU oder eines anderen Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, die Erlassregelung vom 8.6.05 gesetzlich übernommen worden. Die Vorschrift regelt, dass bei Zuzug in einen dieser Staaten die nach Abs. 1 geschuldete Steuer zinslos und ohne Sicherheitsleistungen zu stunden ist. Voraussetzung der Erleichterung ist aber, dass der Zuzugsstaat Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung der in Deutschland geschuldeten Steuer leistet (zu Einzelheiten vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., 257; Endres/Brink, in: PricewaterhouseCoopers, Reform des Umwandlungssteuerrechts, Stuttgart 2007, 57 ff.).
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen, bei Fragen stehe ich Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.
Beste Grüße
Michael Mertens
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