Was muss ich zur Vermeidung einer Erbschaft beachten?
Fragestellung
Mein Halbbruder ist vor 14 Tagen unerwartet verstorben. Er bezog ALG 2 und hatte gerade eine Privatinsolvenz beendet (aber es stehen noch Gerichtskosten aus). Die Bestattung übernehme ich, aber das Erbe möchte ich ausschlagen und ich möchte auch verhindern, dass meine Ehefrau oder meine Kinder damit belastet werden (weitere Verwandte gibt es nicht).
Heute kam ein Schreiben vom Jobcenter, in dem behauptet wurde, ich hätte über fälschlicherweise für den Dezember gezahlte Sozialleistungen verfügt (über eine Bankvollmacht, von der ich aber nichts weiß). Diesen Betrag müsse ich erstatten. Ich weiß nicht, woher das Jobcenter überhaupt meine Adresse hat oder woher die Information über eine angebliche Bankvollmacht kommt. Ich habe zunächst per E-Mail widersprochen.
Jetzt habe ich den Eindruck, da kommt wahrscheinlich noch weitere Forderungen auf mich zu. Ich habe mir überlegt, vorsorglich beim Nachlassgericht das Erbe auszuschlagen. Ist das überhaupt nötig? Müssen meine Frau und meine volljährigen Kinder das auch tun?
Was gilt es sonst noch zu beachten? Ich benötige eine Checkliste.
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Antwort von Rechtsanwalt Sascha Lembcke
Sehr geehrte/r Ratsuchende/r,
Ihrem Anliegen möchte ich hiermit nachkommen und entsprechende Hinweise zur Vorgehensweise in Bezug auf die Erbausschlagung geben.
Allgemein und kurz zusammengefasst gilt:
- Wer etwas erbt, erbt damit nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden des Verstorbenen.
- Die Schulden des Verstorbenen muss der Erbe auch aus seinem Privatvermögen bezahlen – und nicht nur mit dem Geld, das er geerbt hat.
- Ist der Nachlass überschuldet, kann der Erbe die Erbschaft innerhalb von sechs Wochen ausschlagen.
- Schlägt ein Erbe seinen Erbteil aus, tritt an seine Stelle die Person, die erben würde, wenn er selbst bereits gestorben wäre. Alle nachrückenden Erben können ebenfalls ausschlagen. Es erbt dann der Staat, der aber nicht für die Schulden aufkommt,
Sofern Sie damit rechnen, dass weitere Forderungen und Schulden auf Sie zukommen, sprich die Erbmasse überschuldet ist, können Sie das Erbe ausschlagen. Schlagen Sie indes nicht aus, dann haften Sie für etwaige Verbindlichkeiten des Verstorbenen mit.
Die Ausschlagungserklärung muss gegenüber dem Nachlassgericht entweder zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form (Notar) abgegeben werden (§ 1945 BGB). Ein einfacher Brief reicht nicht. Sie können persönlich zum Nachlassgericht gehen und Ihr Anliegen dort erklären. Der Rechtspfleger hält das schriftlich fest und gibt Ihnen die Aufzeichnung zur Unterschrift. Nehmen Sie zu diesem Termin die Sterbeurkunde mit, soweit diese vorhanden ist.
Zuständig ist jeweils das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte. Leben Sie in einer anderen Stadt, können Sie die Ausschlagungserklärung aber auch bei dem Nachlassgericht abgeben, dem Sie selbst zugeteilt sind (§ 344 Abs. 7 FamFG). Sprich dass an Ihrem Wohnort zuständige Amtsgericht/Nachlassgericht.
Des Weiteren sind hier relativ kurze Fristen zu beachten. Wenn Sie das Erbe nicht antreten wollen, muss die entsprechende Erklärung innerhalb von sechs Wochen beim zuständigen Nachlassgericht vorliegen (§ 1944 BGB). Sonst gilt das Erbe als angenommen. Die Frist beginnt i.d.R mit der Kenntis des Todes des Verstorbenen zu laufen. Nach Ablauf der Frist gilt das Erbe i.d.R. als angenommen.
Ist der Erbe unter 18 Jahre alt, kann er nicht selbst ablehnen. Das müssen seine gesetzlichen Vertreter tun – die Eltern. Und: Die Ausschlagung muss vom Familiengericht genehmigt werden. Allerdings wird die Bearbeitungszeit bei der Sechs-Wochen-Frist nicht eingerechnet.
Nur in einem Fall ist keine gerichtliche Genehmigung erforderlich: Wenn die minderjährigen Kinder erst durch das Ablehnen der Eltern in der Erbfolge nachgerückt sind. Dann können Sie als Mutter oder Vater beim Notar gleich einen entsprechenden Antrag für Ihren Nachwuchs stellen, ohne dass das Familiengericht zuständig wird.
Ferner gilt zu beachten, dass wenn das Erbe ausgeschlagen wird auch kein Anspruch auf einen Pflichtteil oder Pflichtteilergänzungsanspruch besteht.
Ist das Erbe überschuldet, kommt man i.d.R. recht günstig weg: Die Gebühr für die Ausschlagung beim Nachlassgericht beträgt meines Wissens pauschal 30 Euro (KV 21201 Nr. 7 GNotKG). Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie ein Erbe ablehnen, das sich für Sie lohnt, fallen Kosten nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz an. Das Verfahren wird umso teurer, je höher der Nachlasswert ist (§ 103 Abs. 1 GNotKG).
Ist die Sechs-Wochen-Frist verstrichen, können Sie die Erbannahme nur noch anfechten (§ 1956 BGB). Dazu brauchen Sie aber im Regelfall erfahrenen Rechtsbeistand.
Ferner ist zu beachten, dass sofern Sie als Hinterbliebener das Erbe ausschlagen, sämtliche weiteren Hinterbliebenen Nachrücken, sprich Ihre Kinder. Die Ausschlagung bewirkt faktisch, dass Sie salopp gesagt als nicht vorhanden betrachtet werden und das Erbe dann auf den nächsten Abkömmling überspringt. Daher sollten auch alle Ihre Kinder und Kindeskinder das Erbe in diesem Fall mit ausschlagen. Sofern Ihre Ehefrau in keinem Verwandtschaftsgrad mit dem Verstorbenen fällt, muss Sie nicht ausschlagen, da Sie kein Hinterbliebener ist. Jedoch kann vorsorglich auch ausgeschlagen werden im Termin.
Sollten Sie weitere Fragen dazu haben, bitte ich um entsprechende Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Sascha Lembcke
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1) Es gibt noch einen Onkel und Cousins und Cousinen meines Halbbruders. Ich gehe davon aus, dass diese vom Tod meines Halbbruders gar nicht erfahren haben. Werden auch diese Verwandten nachrangig zu Erben und ab wann gilt für sie die 6 Wochenfrist für eine Ausschlagung des Erbes? Sollte ich diese Verwandten darauf hinweisen? Oder können sie darauf warten, Post vom Amt zu bekommen?
2) Ich gehe davon aus, dass mein Halbbruder einige Sozialleistungen zu viel erhalten hat, unter anderem, weil ich ihn (per Überweisung) finanziell unterstützt habe und weil er nicht angemeldet hat, mit einer Partnerin zusammenzuleben. Sollte ich außer dem Ausschlagen des Erbes etwas tun, um mich gegen eventuelle Forderungen des Jobcenters zu wappnen?
I.d.R. werden die Übrigen Hinterbliebenen ermittelt und vom Nachlassgericht über den Tod in Kenntnis gesetzt, da das Gericht auch feststellt, wer ggf. als Erbe für weitere Kosten haftet.
Insoweit kann es, sofern Kontakt besteht, empfehlenswert sein, weitere Hinterbliebene über den Tod in Kenntnis zu setzen, damit diese zeitnahe reagieren können und nicht später Gefahr laufen darlegen und nachweisen zu müssen, wann diese tatsächlich Kenntnis hatten.
Gleichwohl dennoch gilt, die 6 Wochenfrist läuft erst mit tatsächlicher Kenntnis vom Erbfall/Todesfall.
Es gibt verschiedene Erbrichtungen bzw. Erbfolgen:
Nach dem Gesetz erben dann die engsten Verwandten, Kinder und Enkel (1. Ordnung). Dann Eltern und Geschwister (2. Ordnung) und schließlich Großeltern sowie Onkel und Tanten (3. Ordnung).
Schlagen jeweils alle aus, kämen noch Verwandte 4. Ordnung z.B. Cousin und Cousinen in Betracht usw.
Daher kann es sich empfehlen, dass alle in einem direkten familiären Verwandtschaftsverhältnis stehenden Hinterbliebene das Erbe ausschlagen, da ansonsten ein Erbantritt nicht ausgeschlossen ist. Hierbei ist aber eben das Verwandtschaftsverhältnis entscheidend.
Hinsichtlich der 2. Frage würde ich ggf. empfehlen einen Kollegen im bereich Sozialrecht zu kontaktieren, da ich dieses Rechtsgebiet nicht bearbeite.
Grundsätzlich sollte aber beachtet werden, dass ein Widerspruch mittels Email nicht wirksam ist. Dieser muss und sollte grds. schriftlich erfolgen.
Hinsichtlich sozialrechtlicher Ansprüche kann ich daher kaum etwas sagen, da dies leider nicht mein Fachgebiet ist.
MfG
RA Lembcke