Verpflichtung Schwerbehinderung anzugeben bei neuem Job?
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Hesterberg,
ich besitze einen Schwerbehindertenausweis (Gültigkeit 5 Jahre, 50 % Schwerbehinderung).
Ab 01.08.2016 trete ich einen neuen Job an. Bin ich verpflichtet, dies meinem neuen Arbeitgeber mitzuteilen?
Ich möchte unvoreingenommen behandelt werden und verzichte lieber auf den Schutz und die zusätzlichen Rechte durch diesen, da ich mein berufliches Fortkommen durch Offenbarung gefährdet sehe und ich aktuell sehr stabil bin.
Der neue Arbeitgeber hat die Frage nicht direkt formuliert gestellt, ich bekam allerdings einen Personalfragebogen, in dem die Möglichkeit bestand, in einem Kasten die Schwerbehinderung auszufüllen. Es war keine Anweisung wie „optional auszufüllen“, „Angabe freiwillig“ o. ä. gegeben.
Ob der Job sich auf die Schwerbehinderung auswirkt oder umgekehrt, ist nicht eindeutig zu sagen/messbar oder voraussagbar, da der Job als einziges Risiko zur negativen Krankheitsentwicklung nur Stress, der sich auf die Krankheit auswirken könnte, bergen könnte. Jedoch ist es Auslegungssache, wie stressbehaftet der Job ist und wie belastbar ich bin.
Können Sie mir sagen, ob ich unter diesen Umständen zur Angabe der Schwerbehinderung verpflichtet bin und wenn ja, wann (ob ich es direkt melden muss oder nur auf Nachfrage wahrheitsgemäß antworten) oder ob ich dies verschweigen kann und bei Nachfragen lügen darf?
Wäre dies ein Kündigungsgrund?
Herzlichen Dank und beste Grüße
J. S.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Es kommt darauf an, was von Ihnen laut dem Arbeitsvertrag gearbeitet werden soll - ein Beispiel:
"An der bisherigen Rechtsprechung des BAG zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei wahrheitswidriger Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft ist jedenfalls in den Fällen weiter festzuhalten, in denen die Schwerbehinderungserkrankung für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung ist."
Aus BAG, Urteil vom 11-11-1993 - 2 AZR 467/93
Für den Bereich der Schwerbehinderten besteht sowohl in der Literatur als auch der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass der Schwerbehinderte von sich aus nicht über die bestehende Behinderung aufklären muss, soweit ihm die Tätigkeit dadurch nicht unmöglich gemacht wird.
Dieses findet sich sehr ähnlich in der neueren - höchstrichterlichen - Rechtsprechung wieder - BAG, Urt. v. 7. 7. 2011 − 2 AZR 396/10.
Der Arbeitgeber darf also jedenfalls bei der Einstellung (konkret) danach fragen, ob der Bewerber an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leidet, durch die er zur Verrichtung der beabsichtigten vertraglichen Tätigkeit ungeeignet ist.
Aber die (rein abstrakte) Frage nach der Schwerbehinderung oder Gleichstellung im Bewerbungsverfahren ist dagegen unzulässig, da die Eigenschaft als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter kein zulässiges Einstellungskriterium ist und dieses gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen würde.
Solange nur allgemeiner Arbeitsstress droht, aber ansonsten keine körperlichen/seelischen Einschränkungen vorhanden sind, die die Tätigkeit unmöglich machen, dürfen Sie die Auskunft verweigern.
Klärt der Arbeitnehmer nicht von sich aus über eine etwaige Schwerbehinderung auf, können sich für ihn daraus somit nach diesen Grundsätzen zukünftig keine Nachteile ergeben, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen können. Insbesondere ist der Arbeitgeber daran gehindert, das Arbeitsverhältnis nach dessen Begründung wegen arglistiger Täuschung oder wegen Irrtums über die nichtbestehende Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers anzufechten. Auch ein Kündigungsrecht ergibt sich daraus nicht.
Wird die Frage dennoch gestellt, muss sie nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden („Recht zur Lüge“) nach der mehrheitlichen Rechtsprechung.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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