Verkehrsunfall Schmerzensgeld
Beantwortet von Rechtsanwältin und Mediatorin Nicole Koch, LL.M. in unter 1 Stunde
Fragestellung
Guten Tag,
ich möchte höflichst um Rechtsrat bitten.
Im März wurde ich unverschuldet in einen schweren Verkehrsunfalls verwickelt. Ich war mit meinem Kollegen und Freund aus dem Auto ausgestiegen, als ein anderer Fahrer auf unser Auto fuhr und diese mit einer großen Wucht wegschleuderte. Ich selbst wurde nur leicht gestreift, mein Kollege hingegen wurde sehr schwer verletzt (70 % Behinderung). Seitdem geht es mir mehr als schlecht. Ich kann nicht mehr arbeiten, bin niedergeschlagen und depressiv, habe Todesangst, selbst wenn ich nur zum Briefkasten gehe. Zwischenzeitlich wurde mir von mehreren Fachärzten ein Trauma bestätigt (medizinisch genauer bezeichnet als posttraumatische Belastungsstörung) sowie eine mittelschwere Depression, die defintiv nach den Gutachten auf den alleine auf den Unfall zurückzuführen sind. Ich bin dementsprechend in Behandlung und nehme hochdosierte Psychopharmaka.
Ich möchte aus meinem Unfall keinen Profit schlagen, aber ich denke nun darüber nach, ob nicht ich auch Schmerzensgeld bekommen müsste. Ich war aber nicht stationär im Krankenhaus, und hatte nur eine leichte Verletzung an der Schulter, die eigentlich nicht der Rede wert ist.
Aber zählen nicht auch psychische Schmerzen und Niedergeschlagenheit? Ich habe seitdem Angst vorm Autofahren, mache kaum noch Einkäufe, die ich für unsere Familie regelmäßig erledigt hatte. Ich war zudem Läufer, bin jahrelang Marathon gelaufen, auch damit ist es vorbei. Ich habe Angst vor Fahrstühlen und Höhen, sehe in allem nur Gefahren.
Wir haben ein Grundstück mit 800 Quadratmeter, seit dem Unfall kann ich mich nicht mehr um den garten kümmern. Früher war die Arbeit draußen ein Ausgleich zu meinem Beruf.
Insofern habe ich „psychische Schmerzen“.
Stehen mir ein Schmerzensgeld oder andere Ansprüche wie etwa Schadensersatz zu?
Danke für Ihre Antwort.
Axel D.
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Antwort von Rechtsanwältin und Mediatorin Nicole Koch, LL.M.
Sehr geehrter Fragesteller,
danke für Ihre Sachverhaltsschilderung.
Unser Schadensersatzrecht ist durch den Grundsatz der sog. Naturalrestitution, dies bedeutet "reparieren und wiederherstellen" geprägt. Bei der Verletzung einer Person ist dies jedoch regelmäßig durch den Schädiger selbst nicht zu leisten. Der Geschädigte kann deshalb vom Schädiger den Betrag verlangen, der zur Heilung erforderlich ist.
Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld aber nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen verlangt werden. Diese sog. immateriellen Schäden sind der Verlust an körperlichem oder seelischem Wohlbefinden wie starke Ängste.
In einem solchen Fall kommt die Fordernung nach Schmerzensgeld in Betracht. Dieses hat zwei Ziele, zum einen den Ausgleich der Einbußen am Wohlbefinden und darüber hinaus Genugtuung des Verletzten für das erlittene Unrecht.
Bei einem durch einen Unfall verursachten psychischen Unfallschaden, der meist nur in Form der Extremvariante, einer sog. posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, posttraumatic stress disorder) bekannt ist, hat man einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Dies trifft nach Ihrer Sachverhaltsschilderung auch auf Sie zu.
Die erhebliche Bedeutung dieser Feststellung ergibt sich dabei daraus, dass bei Bestehen einer PTBS durch die psychosozialen Auswirkungen die Schadensfolgen oft im sehr hohen Schadensbereich zu finden sind. So bekam in einem Fall das Unfallopfer vom OLG Schleswig am 15. Januar 2009 (AZ: 7 U 76/07, NJW -RR 2009, 1325) 30.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes bei den Angstzuständen nach einem Verkehrsunfall sind zahlreiche Faktoren von Bedeutung, wie die diganostische Kategorie der PTBS, ob therapeutische Maßnahmen eingeleitet wurden, welcher Art und wie schwer war die körperliche Verletzung und noch einiges mehr.
Ich raten Ihnen dazu, mit Ihrem Fall einen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld spezialisierten Anwalt vor Ort aufzusuchen und mit Ihm alles Weitere zu besprechen. Fälle dieser Art sind nicht ganz einfach, da die Höhe des Schmerzensgeldes letztlich immer eine Einzelfallentscheidung ist und nicht etwa z.B. in Tabellen abzulesen ist. Sollte es mit der gegnerischen Vesicherung zu Diskussionen betreffend deren Regulierungspflicht kommen, sollten Sie auf jeden Fall durch einen spezialisierten Anwalt vertreten sein, der Ihre Interessen konsequent durchsetzt.
Ich wünsche Ihnen gute Genesung!
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zunächst beantworten. Bei Rückfragen nutzen Sie bitte die Feedbackfunktion.
Mit freundlichen Grüßen
N. Koch, LL.M.
Rechtsanwältin & Mediatorin
www.anwaeltin-mainz.de
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