Verkäufer Insolvent 3 Monate nach VK, Insolvenzverwalter verweigert Freigabe
Fragestellung
Sachverhalt:
Wir haben uns im letzten Jahr in Rastatt nach einer Immobilie umgesehen und sind auf dieses Haus gestossen.
Es wurde über eine Maklerin angeboten. Nach der ersten Besichtigung haben wir uns für das Haus entschieden.
(bis dahin mit einem von der Maklerin vorgegebenen Kaufpreis von xxx.000 €)
Diese Haus war vorher im Besitz eines geschiedenen Ehepaares. Diese waren (sind noch) im Grundbuch als Eigentümer je zur Häfte eingetragen.
Bei der zweiten Besichtigung war der geschiedene Ehemann anwesend und machte und den Vorschlag, das Haus für einenPreis von xxx.000 € zu verkaufen, wenn wir xx.000€ in BAR zusätzlich direkt an ihn zahlen würden.
Dies haben wir abgelehnt und den Kaufpreis auf xxx.000 € heruntergehandelt.
Mitte September wurde dann beim Notar der Kaufvertrag unterschrieben, bei der auch die Ex-Frau anwesend war. Auch Sie war mit dem Kaufpreis einverstanden. Unsere Erwerbsvormerkung ist im Grundbuch eingetragen.
Anfang Oktober wurde dann der Kaufpreis fällig. Unsere Bank wurde angewiesen, die Gläubigerbank der Verkäufer sowie den Restbetrag an die Ex-Eheleute auszuzahlen.
Von der Kontoführenden Bank des Ex-Mannes wurde das Geld (über 44.000€) wieder zurücküberwiesen. Seitdem hat sich der Ex-Mann darum bemüht, dieses Summe in Bar zur erhalten (von unserem Finanzmakler und unserer Maklerin, an uns hat er sich nie gewendet.)
Mitte Oktober bekamen wir einen Pfändungsbescheid vom Finanzamt Rastatt. Der Anteil des Ex-Mannes wurde zu 100% gepfändet. Der Eingang auf das Konto vom Ex-Mann wurde vom Finanzamt gesperrt.
Wir haben uns von einem Anwalt beraten lassen. Dieser hatte dann auch den Vorgang überprüft. Seiner "Meinung" nach ist diese Pfändung berechtigt. Gemäss der Gebührensatzung, basierend auf xx.000€ hat er uns für diesen Dienst 1.700€ in Rechnung gestellt.
Wie haben daraufhin den Anteil des Ex-Mannes an das Finanzamt überwiesen. Dies wurde auch vom Finanzamt bestätigt.
Wir haben diese Bestätigung dann an den Notar weitergeleitet, in der Hoffnung, das jetzt das Haus auf uns übertragen wird.
Aber:
Kurz vor Weihnachten bekamen wir eine Scheiben mit einem Beschluss des Amtsgerichts Baden-Baden.
Er stellte sich als vorläufiger Insolvenzverwalter vor und fordert die noch offenstehende Summe aus dem Kaufvertrag ein.
Bei der ersten Kontaktaufnahme (telefonisch) wurde uns mitgeteilt, das dieser Brief nur zur unserer Information wäre.
Im Januar bekamen wir einen zweiten Brief, da wir uns ja nicht gemeldet haben, mit der Aufforderung zur bezahlen, zzgl. Miete und Nebenkosten September/ Oktober.
Der zusätzlichen Forderung haben wir telefonisch widersprochen und dies wurde anscheinend auch, mangels an Verträgen, angenommen.
Das wir die Zahlung an das Finanzamt geleistet haben, haben wir anhand der Bestätigung dann per Mail als PDF nachgewiesen.
Der zuständige Sachbearbeiter des Insolvenzverwalters sagte uns darauf telefonisch zu, das einer Freigabe jetzt nichts mehr im Wege stehe. Der Notar würde sie umgehend erhalten.
Als nach 3 Wochen immer noch keine Bestätigung beim Notar eingegangen war, haben wir erneut vormittags telefonisch vorgesprochen.
Die jetzige Ausrede des Sachbearbeiters war, das es leider auf Grund von Krankheit zu Verzögerungen gekommen sei.
Die Freigabe wird sofort an den Notar geleitet.
Es wurde vom Sachbearbeiter, einem Anwalt f. Insolvenzrecht, an den Notaer eine Email mit dem folgenden Inhalt gesendet:
Zitat: „In Betracht kommt möglicherweise, dass der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis zu niedrig ist, so dass nun durch einen Übergang des Eigentums die Insolvenzmasse geschmälert würde.
Für den - hoffentlich nicht bestehenden - Fall, dass der Kaufpreis zu niedrig ist, käme eine Anfechtung des Vertrages in Betracht. Eine Zustimmung zur Eigentumsumschreibung ist daher bis zur Klärung der Sachlage leider nicht möglich.
Ich habe die Beteiligten Käufer und Käuferin in dieser Mail in cc und Herrn Ex-Mann bc gesetzt, so dass diese mir zeitnahe eine belastbare Werteinschätzung der Immobilie (Wertgutachten oder dergleichen) zukommen lassen.“
Wir haben dann eine Marktwertanalyse erstellen lassen, in der festgestellt wurde, das wir (eigentlich) sogar zu viel bezahlt haben.
Wir haben daraufhin den Sachbearbeiter telefonisch informiert, das wir eine Marktwertanalyse haben.
Seine direkte Aussage dazu war nur, das dies nicht akzeptiert wird. Er wird auch keinen eigenen Gutachter beauftragen.
Er verlangt zusätzlich 180.000€, da er persönlich das Haus auf 600.000 € einschätzt. Dem haben wir telefonisch widersprochen. (er hat das Haus noch nie gesehen)
Wir fühlen uns erpresst! Bezahle erst, dann bekommst Du da Haus!
Wir haben ihm daraufhin die Marktwerermittlung (in CC an den Notar) per Email zugesendet und die Freigabe mit einer Frist bis zum 22.02.2019 eingefordert. Dies ist wiederum nicht erfolgt.
Wir haben auch mittlerweile die Ex-Frau kontaktiert. Sie wusste nichts vom Insolvenzverfahrens ihre Ex-Mannes, obwohl Sie gerade mit ihm wegen eines Unterhaltsstreits für die Tochter vor Gericht zieht.
Sie hat uns auch zugesichert, das Sie eine Anfechtung des Kaufvertrages nicht zustimmen wird.
Wir würden uns gerne anwaltlich vor Ort vertreten lassen, würden es aber auch gerne hinsichtlich der Kosten (bei einem Streitwert von 420.000 € ca. 17.000 € plus Gutachterkosten) auch ohne durchführen wollen.
Jetzt haben wir die folgenden Fragen:
1) Darf der vorläufige Insolvenzverwalter die Freigabe mit dem blossen Verdacht auf einen zu geringen Kaufpreises verweigern? Wir haben schliesslich dei Erwerbsvormerkung bereits mehr als 3 Monate vor Eröffnung des Insolvenzfeststellungsverfahrens durchführen lassen.
2) Müssen wir der Aufforderung (in CC einer Email an den Notar) des Insolvenzverwalters Folge leisten und einen Gutachter auf unsere eigenen Kosten beauftragen?
3) Wie müssen wir vorgehen, um die horrenden Kosten durch einen ihrer Kollegen vor Ort einzusparen?
4) Sind wir vielleicht sogar Absonderungsberechtigte Gläubiger?
5) Können wir die Vorgehensweise dieses Insolvenzverwalters beim Amtsgericht Baden Baden anzeigen und/oder sogar eine Ablösung beantragen?
6) Gehört die Ex-Frau auf Grund des offenstehenden Unterhalts nicht auch zu den Gläubigern und hätte vom Insolvenzverwalter informiert werden müssen?
7) Kann der Insolvenzverwalter den Kaufvertrag ohne die Zustimmung der Ex-Frau anfechten?
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrter Ratsuchender,
grundsätzlich ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, möglichst viel Masse zu „erwirtschaften“, um möglichst alle oder alle Gläubiger möglichst umfangreich zu bedienen. Ergeben sich begründete Zweifel daran, dass der vereinbarte Kaufpreis DEUTLICH unter dem marktüblichen Kaufpreis liegt, wäre eine Anfechtungsmöglichkeit und auch eine Pflicht zur Anfechtung für den Insolvenzverwalter gegeben.
Allerdings darf dieses deutliche Unterschreiten nicht „ins Blaue hinein“ behauptet werden, sondern muss anhand objektiver Kriterien festgemacht werden.
Für eine Anfechtung komm es in Ihrem Fall nicht auf die 3-Monatsfrist an. Diese 3 Monate gelten nur, wenn eine sog. „inkongruente Deckung bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO“ vorliegt. Dieser Fall trifft bei Ihnen nicht zu. Sollte tatsächlich ein Verkauf unter Wert erfolgt sein, so wäre hier der Anfechtungsgrund der (teil)unentgeltlichen Leistung gem. § 134 InsO gegeben. Hier wären Geschäfte anfechtbar, die bis zu 4 Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigt wurden.
Es besteht keine Pflicht für Sie, ein Gutachten erstellen zu lassen, um den Insolvenzverwalter zu überzeugen, dass keine (teil)unentgeltliche Leistung erfolgt ist. Ggf. würde ein solches Gutachten einen längeren Streitfall vermeiden und wäre zumindest eine Überlegung wert und letztlich vermutlich auch die kostengünstigere Variante. Sollten Sie dieses dann in Erwägung ziehen, wäre es sehr sinnvoll, das weitere Vorgehen mit dem Insolvenzverwalter abzusprechen, vor allem welcher Gutachter gewählt werden soll.
Die Anfechtung kann grundsätzlich ohne Zustimmung der Ehefrau erfolgen, denn sie bezieht sich ja nur auf den Grundstücksanteil des insolventen Mannes. Zwar gibt es natürlich keine Garantie, aber da nur der Anteil des Mannes betroffen ist, wird eine Anfechtung vermutlich auch nicht erfolgen. Denn angenommen, die Anfechtung wäre erfolgreich, würde der Insolvenzverwalter den Anteil, den er durch die Anfechtung zurückbekommt, zwangsversteigern lassen müssen, was natürlich praktisch unmöglich ist, denn es gibt sicher kaum Interessenten, die eine „halbe Immobilie“ erwerben wollen.
Sollte gleichwohl eine Anfechtung erfolgen, müssen Sie natürlich hiergegen vorgehen. Sie selber könnten das Gespräch mit dem Insolvenzverwalter suchen und diesen versuchen zu überzeugen, dass die Anfechtung „ins Leere“ geht. Sollte dies allerdings nicht erfolgreich sein, müsste prozessiert werden, was natürlich deutliche Kosten auf Ihrer Seite auslöst. Diese Kosten müssten Ihnen zwar bei Obsiegen erstattet werden. Erstattungsschuldner wäre aber der insolvente Mann und somit könnten Sie Ihre Forderung „nur“ zur Insolvenztabelle anmelden. Ob natürlich dann eine Erstattung erfolgt bzw. in welchem Umfang ist fraglich. Letztlich werden Sie leider schon wegen des Streitwertes dann nicht umhin kommen, einen Rechtsanwalt einzuschalten.
Sie könnten auch auf Erklärung der Auflassung klagen, um die Eigentumsumschreibung durchzusetzen, was natürlich die selben Kosten auslöst. Dies wird Ihnen aber ggf. nicht erspart bleiben, wenn der Insolvenzverwalter nicht einlenkt. Denn selbst wenn eine Anfechtung nicht erfolgt, ist ja noch lange keine Auflassung erklärt, die Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung ist.
Auch möglich wäre natürlich die Kontaktaufnahme zum Insolvenzgericht. Gem. § 58 InsO steht der Insolvenzverwalter unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. In der Regel ist es dem Insolvenzgericht aber nicht möglich, bei einzelnen Handlungen des Insolvenzverwalters einzuschreiten. Damit wäre auch hier fraglich, welchen Erfolg dieses Vorgehen bringt.
Leider sind Sie auch keine absonderungsberechtigte Gläubiger, da Sie keine Sicherungsrechte an dem Gegenstand haben. Aber selbst wenn Sie dies wären, bestünde kein Anspruch auf Herausgabe, sondern nur auf eine bevorzugte Befriedigung. Eine Eigentumsumschreibung ließe sich auf diesem Wege leider nicht erzielen.
§ 47 InsO greift bei Ihnen nicht, da Sie ja eben noch kein Eigentum erworben und somit kein Aussonderungsrecht haben.
Wenn gegenüber des Ex-Frau Schulden bestehen, dann ist diese natürlich auch Gläubigerin. Sie sollte die Forderung gegenüber der Insolvenztabelle anmelden. Wenn die ExFrau als Gläubigerin bekannt ist, wird auch diese vom Insolvenzverwalter z.B. zu einer Gläubigerversammlung eingeladen.
Ich hoffe, all Ihre Fragen konnten beantwortet werden. Falls noch Verständnis- oder Nachfragen bestehen, nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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