Urlaubssperre
Fragestellung
Ich arbeite seit 9 Jahren in einer Apotheke in Biberach/Riss als PTA.
Wir hatten schon immer von Oktober bis Dezember Urlaubssperre, da wir in dieser Zeit zusätzlich ein Behindertenheim beliefern und dadurch sehr viel Mehrarbeit anfällt.
Jedes Jahr wiederkehrend.
Ab diesem Jahr haben wir den September noch dazubekommen.
Daher erlaubt uns der Chef generell nur bis max. 2 Wochen Urlaub vom Zeitraum 1.9 bis 31.12.
Nun meine Fragen:
- ist dieses überhaupt gesetzlich zulässig 4 Monate Urlaubssperre (max. 2 Wochen Urlaub!)
zu verhängen?
- Ich habe für 2018 ( September/ Oktober) 3 Wochen Urlaub beantragt, welcher mir bereits heute
abgelehnt wurde. Muss ich das akzeptieren?
Mit freundlichen Grüßen
Olivia Müller
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Ruben Meyer
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf yourxpert. Gern werde ich Ihre Anfrage beantworten.
Sie sind seit 9 Jahren in einer Apotheke als PTA angestellt. Ihr Chef erlaubt generell nur bis max. 2 Wochen Urlaub vom Zeitraum 1.9 bis
Für 2018 (September/Oktober) haben Sie 3 Wochen Urlaub beantragt, welcher Ihnen abgelehnt wurde.
Leider gibt es leider kein zwingendes Recht des Arbeitnehmers auf Urlaub in der von Ihnen gewünschten Zeit.
Gemäß § 7 Abs.1 BUrlG sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs allerdings "zu berücksichtigen", es sei denn, dass dem dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen und diese Wünsche unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen.
Der Wortlaut des Gesetzes, klingt so, als ob die Wünsche des Arbeitnehmers eine nachrangige Rolle bei der Urlaubsfestlegung spielen. Das ist aber nach der Rechtsprechung nicht so: Im Allgemeinen sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers vorrangig gegenüber den betrieblichen Interessen zu berücksichtigen.
Nur dann, wenn dringende betriebliche Belange entgegenstehen, kann sich der Arbeitgeber dem zeitlichen Wunsch des Arbeitnehmers ausnahmsweise verweigern.
Die Festlegung des Urlaubs erfolgt ausschließlich durch Ihren Arbeitgeber und nicht etwa durch Sie. Der Grundsatz, dass Ihre Wünsche in Bezug auf die Lage des Urlaubs vorrangig sind, ändert daran nichts.
Wenn es zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber zu einem Streit über die Gewährung von Urlaub kommt, den Sie bereits geplant haben und antreten wollen, dann können Sie beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Arbeitgeber zur Urlaubsgewährung verpflichtet werden soll.
Dringende betriebliche Belange liegen nicht bereits dann vor, wenn personelle Engpässe oder sonstige Störungen des Betriebsablaufs zu besorgen sind. Dem Arbeitgeber ist zuzumuten, die regelmäßig durch Urlaub zu erwartenden Engpässe einzukalkulieren und dementsprechend Personal vorzuhalten. Dringend sind daher betriebliche Belange nur dann, wenn nicht vorhersehbare Umstände (z.B. Krankheit) zu Personalmangel führen und dem Arbeitgeber eine zusätzliche Belastung durch urlaubsbedingte Ausfälle nicht zugemutet werden kann.
Leider gibt es keine gesetzliche Definition des Begriffs „dringende betriebliche Belange“. Ob diese vorliegen, wird immer im Einzelfall durch die Rechtsprechung entschieden.
Anzuerkennen sind auch besondere Gegebenheiten beim Arbeitgeber (z.B. Saisonarbeit), die einer Urlaubserteilung zu Zeiten besonderer Personalknappheit entgegenstehen. Auch sonstige Eigenarten der Branche (z.B. besonders verkaufsstarke Zeiten im Einzelhandel, Vorlesungs- bzw. Unterrichtszeiten in Bildungseinrichtungen, Zeiten besonders starker Inanspruchnahme im Gesundheitswesen – Grippeepidemie) können ein Leistungsverweigerungsrecht für den Urlaub begründen.
Als dringende betriebliche Gründe sind daher bisher durch die Rechtsprechung anerkannt:
- die Unterbesetzung in Betrieb oder Abteilung wegen eines besonders hohen Krankenstands oder wegen der Kündigung anderer AN
- eine unerwartet große Menge an Arbeit durch einen zusätzlichen Auftrag
- eine besonders arbeitsintensive Zeit wegen der Eigenart einer Branche (Schlussverkauf, Weihnachten im Einzelhandel, Grippewelle bei Krankenhäusern und Apotheken),
- ein notwendiger Betriebsurlaub z.B. wegen der Abhängigkeit der AN von der Anwesenheit des AG (Arzthelfer) oder
- Abhängigkeit eines Vertriebsunternehmens von der Produktionszeit eines Herstellers anerkannt worden
Alle diese Fallgruppen, passen nicht auf den von Ihnen geschilderten Fall. Es handelt sich auch nicht um eine besonders arbeitsintensive Zeit wegen der Eigenart der Branche, sondern wegen der Vertragsgestaltung mit dem Behindertenheim.
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ungeteilten Urlaub des laufenden Urlaubsjahrs in voller Höhe. Dieser Grundsatz kann wiederum nur bei dringenden betrieblichen Belangen durch den Arbeitgeber durchbrochen werden.
Das Leistungsverweigerungsrecht steht dem Arbeitgeber nur soweit zu, wie die Teilung des Urlaubs aus den in der Norm genannten Gründen (dringende betriebliche Gründe) erforderlich ist. Der Arbeitgeber darf daher nicht bei Gelegenheit eines dringenden betrieblichen Grundes, der der zusammenhängenden Urlaubsgewährung entgegensteht, den Urlaub gegen den Willen des Arbeitnehmers in mehr oder kleinere Bruchteile aufspalten, als durch den dringenden betriebl. Grund gerechtfertigt ist.
Macht der Arbeitgeber zu Recht von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch und erteilt er den Urlaub in zwei oder mehr Teilen, so muss einer dieser Urlaubsteile mindestens zwölf Werktage (= zwei Wochen) umfassen, Abs. 2 S. 2.
Auszug aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf Urteil v. 25.07.2016 – 9 Sa 31/16:
„Dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG liegen vor, wenn die Interessen des Arbeitgebers an einer Gewährung von Urlaub im Übertragungszeitraum anstelle des im Urlaubsjahr zu gewährenden Urlaubs das Interesse des Arbeitnehmers an der fristgerechten Inanspruchnahme des Urlaubs noch innerhalb des Kalenderjahres überwiegen. Das ist z. B. dann gegeben, wenn die Auftragslage zum Jahresende die Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordert, eine besonders arbeitsintensive Zeit bevorsteht oder bereits anderen Arbeitnehmern Urlaub gewährt worden ist usw.. Von der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, insbesondere ein Urlaubswunsch des Arbeitnehmers zum Jahresende ablehnt.“
Hier wird von einer Auftragslage zum Jahresende bzw. von einer besonders arbeitsintensiven Zeit gesprochen, allerdings nicht von mehreren Monaten, wie bei Ihnen.
Leider existiert keine Rechtsprechung bekannt, die auf Ihren Fall genau passt. Ich kann Ihnen daher keine wirklich verbindliche Auskunft geben.
Die vergleichbaren Entscheidungen (siehe oben) sprechen jedoch sehr dafür, dass die Urlaubssperre nicht durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt ist.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Urlaubssperre sprechen vor allem folgende Argumente:
- keine Unterbesetzungssituation durch Krankheit oder Kündigung
- kein branchenspezifischer Grund für den Mehraufwand
- der Mehraufwand ist nicht unerwartet
- es handelt sich nicht um eine vergleichsweise kurze Zeitspanne, sondern um mehr als ¼ Jahr
Aus meiner Sicht sprechen daher sehr viele Argumente gegen die Rechtmäßigkeit der Urlaubssperre durch den Arbeitgeber.
Gern können Sie weitere kostenfreie Nachfragen per E-Mail stellen.
Freundliche Grüße
Ruben Meyer
Rechtsanwalt f. Arbeitsrecht
Personalfachkaufmann
Langenweißbach
kontakt@arbeitsvertragspruefung.de
Sie haben eine Frage im Bereich Arbeitsrecht?
Raten Sie nicht weiter!
Unsere Rechtsanwält*innen geben Ihnen gerne eine kostenlose
Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung einholen