Unterhaltspflicht gegenüber Eltern bei Studium
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Joachim,
seit ca. 15 Jahren habe ich zu meinen Eltern keinen Kontakt, da ich von ihnen schwerst drangsaliert wurde.
Sicherlich bin ich mir dessen bewusst, dass ich unterhaltspflichtig bin ihnen gegenüber, sobald sie pflegebedürftig werden sollten, da es hierzu ein Urteil gibt. Zudem habe ich noch eine ältere Schwester.
Nun meine Frage: Ich studiere nebenher seit 2012. Ich arbeite in einer geringfügigen Nebenbeschäftigung auf 450€ Basis monatlich (ich erhalte ca. 400€ netto, Rentenversicherung wurde abgezogen), habe Stipendium von insgesamt 970€/Monat (davon sind 300€ Büchergeld). Es stammt von der bischöflichen Förderung des kirchlich-katholischen Cusanunswerk. Schließlich erhalte ich noch einen Studentenkredit von ca. 400€ monatlich. Abzüglich von Miete, Krankenversicherung/Pflegeversicherung (muss ich selbst bezahlen, da ich über 30 bin), Strom, Telefon, Fahrkarte, Versicherung und Kreditabzahlung bleiben ca. 600 monatlich übrig. Mein dezeitiges Vermögen insgesamt liegt unter 3500€. Auto habe ich nicht.
Inwieweit bin ich unterhaltspflichtig gegenüber meinen Eltern mit meinem Verdienst und Vermögen bzw. wird mein Stipendium dafür auch angerechnet?
Vielen Dank für Ihre Hilfe,
Cathérine Decker
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrte Fragestellerin,
zunächst bedanke ich mich für Ihre Frage und das damit entgegengebrachte Vertrauen.
Richtig ist, dass Sie grundsätzlich Ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Regelungen, wonach Verwandte, die in gerader Linie voneinander abstammen, egal nach unten oder oben, für einander einstandspflichtig sind, § 1601 BGB
Voraussetzung hierfür ist allerdings stets, dass der Unterhaltsgläubiger nicht alleine in der Lage ist für sich wirtschaftlich zu sorgen und für die entsprechenden Ausgaben aufzukommen.
Dies bedeutet insofern auch, dass der Unterhaltsgläubiger zunächst sein eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen muss, um sich wirtschaftlich über Wasser halten zu können.
Erst wenn dies nicht mehr möglich ist, kommt eine mögliche Unterhaltspflicht in Betracht, wobei sodann auch oftmals zunächst auf öffentliche Leistungsträger zurückgegriffen wird, die sodann Erstattungsansprüche gegenüber den Verwandten geltend machen.
Als Unterhaltspflichtiger haben Sie entsprechende Freibeträge für Vermögen und Einkommen. Als Einkommen ist derzeit etwa ein Betrag in Höhe von 1.600 € vorgesehen, wobei hierin auch bereits Mietzahlungen enthalten sind.
In Ihrem Fall und insbesondere weil auch ein Darlehen im Einkommen mit enthalten ist, dürfte zum jetzigen Zeitpunkt eine Unterhaltspflicht nicht bestehen. Dies gilt auch für ihr Vermögen, dass hier nicht hoch genug ist, um gegebenenfalls verwertet zu werden. Das Stipendium würde aber als Einkommen angesehen werden.
Im Übrigen befinden sie sich auch selbst noch in Ausbildung könnten gegebenenfalls sogar Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern haben.
Eine Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber den Eltern könnte dann nicht bestehen, wenn zum Beispiel die Eltern grobe Verfehlungen gegenüber dem Kind wie körperliche Misshandlungen et cetera vorgenommen haben oder selbst ihren Unterhaltspflichten nicht nachgekommen sind. Unter diesen Umständen kann das Kind dann Unterhaltszahlungen, auch an öffentliche Träger, verweigern.
Dies ist in § 1611 BGB geregelt:
§ 1611
Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
Insofern bestehen zum jetzigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass Sie Unterhalt an die Eltern zahlen müssen, wobei hier selbstverständlich eine genauere Prüfung ggf. erforderlich wäre.
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