Unterhalt Verpflichtung Suizidversuch
Fragestellung
Sehr geehrte Herr Joachim
Ich bitte um eine Rechtsberatung zu nachstehendem Sachverhalt:
Mein Schwager hat vor wenigen Wochen einen Selbstmordversuch begangen und liegt seit dem im Wach-Koma. Auch wenn er inzwischen ohne medizinische Apparaturen lebt muss nach ärztlicher Feststellung von seinem Gehirntod ausgegangen werden. Eine gesundheitliche Wiederherstellung ist nicht zu erwarten. Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht gibt es genauso wenig wie ein Testament. Wenige Monate vor seinem Suizidversuch hat mein Schwager zum 2. Mal geheiratet. Aus der ersten Ehe ist ein inzwischen volljähriges aber noch in Ausbildung befindliches Kind hervorgegangen für das noch eine Unterhaltsverpflichtung meines Schwagers besteht. Aus einer weiteren unehelichen Beziehung gibt es ein weiteres minderjähriges Kind für das ebenfalls eine Unterhaltsverpflichtung besteht. Wie sich nun nach dem Suizidversuch mehr und mehr herausstellt hat sich mein Schwager über die Jahre hinweg hochverschuldet und ein finanzielles Chaos hinterlassen.
Nach anfänglicher Behandlung auf der Intensivstation ist mein Schwager inzwischen in ein Pflegeheim verlegt worden. Als Komapatient ist er auf unbestimmte, unvorhersehbare Zeit vollpflegebedürftig. Neben dem Schuldenberg, der sich aus seiner Lebensführung ergeben hat fallen nun in erheblichem Umfang Kosten für Pflegeleistungen und die Unterbringung im Pflegeheim an.
Meine Frage:
Wie lange und in welchem Umfang kommt die Sozialversicherung respektive gesetzlicher Pflegeversicherung für die nun entstehenden erheblichen Kosten auf und inwieweit kann seine Familie ( Ehefrau, die Mutter - der Vater ist bereits verstorben - und mehrere Geschwister nebst Ehepartnern, sowie die Exfrau nebst volljährigem in Ausbildung befindlichem Kind und die Mutter des unehelichen minderjährigen Kindes) differenziert nach Familienmitglied / Verwandschaftsgrad ab wann und von wem zu Zahlungsverpflichtungen (Schuldenabbau, Unterhaltszahlungen für Pflege etc.) gesetzlich herangezogen werden? Welche Zahlungsverpflichtungen können sich für die Familie im Todesfall ergeben und inwieweit besteht trotz des Suizidversuchs für vorhandene Lebensversicherungen meines Schwagers in diesem Fall Leistungspflicht?.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Beteiligung wird damit entgegengebracht Vertrauen.
Bitte haben Sie Verständnis, bereits in vorweg, für die informatorische Beantwortung Ihrer Fragen, auch aufgrund des dargebotenen Einsatzes und der hier vorhandenen Beratungsplattform, die für eine erste Orientierung in rechtlichen Dingen vorgesehen ist.
Für weitere detaillierte Fragen stehe ich gerne im Rahmen einer direkten Beratung zur Verfügung.
Zunächst ist davon auszugehen, dass die Pflegeversicherung im Fall eines Suizidversuches eintrittspflichtig sind. Dabei ist davon auszugehen, dass der Suizidversuch aufgrund einer psychischen Erkrankung vorgenommen worden ist, die sodann sowohl in den Bereich der Krankenversicherung als auch in die Pflegeversicherung fällt. Dabei ist jedoch stets auf den Einzelfall abzustellen, so dass gegebenenfalls, wenn sich aus den Gegebenheiten des Selbstmordversuchs ergibt, das hier keine psychische Erkrankung, sondern eine vorsätzliche und eigenwillige Herbeiführung des jetzigen Zustandes vorliegt, möglicherweise eine Leistungsfreiheit resultiert. Allerdings geht die Rechtsprechung in fast allen Fällen davon aus, dass hier eine psychische Erkrankung vorliegt und entsprechende Leistungsverpflichtungen der Versicherungen bestehen.
So ist es zum Sozialrecht zum Beispiel so, AlG-II-Leistungen nach einem gescheiterten Suizidversuch dergestalt zu gewähren sind, dass neue Einrichtungsgegenstände zu gewähren sind, wenn die alten Möbel vor dem Suizidversuch entsorgt wurden oder auch im Rahmen von Krankengeldzahlungen eine entsprechende Verpflichtungen gegen die Krankenkasse grundsätzlich bestehen. Dies gilt grds. sodann auch für die Grundleistungsversorgung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung.
Bei den Lebensversicherungen gibt es oftmals eine so genannte Selbsttötungsklausel. In dieser wird eine Karenzzeit ab Vertragsabschluss festgelegt. Wenn der Versicherte innerhalb der Karenzzeit Suizid begeht, wird nur der Rückkaufswert der Versicherung ausgezahlt, also im Wesentlichen die bis dato eingezahlten Prämien abzüglich der Vertriebs- und Verwaltungskosten. Erst nach Ablauf der Karenzzeit wird die volle Versicherungssumme ausgezahlt. Allerdings kommt es auch hierauf den Grund des Suizides an, in der gegebenenfalls nachträglich durch die Lebensversicherung geprüft wird. Gesetzlich ist hinsichtlich der Lebensversicherung diese Regelung in § 161 VVG festgehalten:
§ 161
Selbsttötung
(1) Bei einer Versicherung für den Todesfall ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich selbst getötet hat. Dies gilt nicht, wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist.
(2) Die Frist nach Absatz 1 Satz 1 kann durch Einzelvereinbarung erhöht werden.
(3) Ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, hat er den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen.
Zu den Unterhaltspflichten:
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen den Unterhaltspflichten desjenigen, der den Selbstmordversuch begangen hat und denjenigen, die Unterhaltspflichten ihm gegenüber haben.
Derzeit dürfte keine Leistungsunfähigkeit bei Ihrem Schwager vorliegen, so dass keine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau oder Kindern bestehen.
Anders herum bestehen auch hier grundsätzlich Unterhaltspflichten, die jedoch lediglich im Rahmen der Leistungen der Sozialträger zum tragen kommen und die direkt an den Schwager gerichtet sind.
Sozialträger könnten dann, wenn Pflegeleistungen nicht durch die Pflegeversicherung übernommen werden, sondern von der öffentlichen Hand finanziert werden, z.B. vom Sozialamt (die Ihr wohl zunächst nicht vorliegen) an die Unterhaltsverpflichteten herantreten. Diese haben jedoch relativ hohe Freibeträge, insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die leiblichen Kinder herangezogen werden, da er diese entweder minderjährig sind oder sich in Ausbildung befinden. Von daher wird auch aufgrund der Leistungsunfähigkeit der Kinder hier eine Unterhaltspflicht ausscheiden. Ähnlich dürfte es sich mit der Ehefrau verhalten, hier besteht auch ein relativ hoher Selbstbehalt sowie auch ein Vermögensschutz z.B. für ein Eigenheim oder auch höheres Vermögen, wobei derzeit aus ihrem Sachverhalt auch nicht ersichtlich ist, ob entsprechende Ansprüche von Trägern der öffentlichen Hand im Bereich des Sozialrechts bestehen. Die Pflegeversicherung sowie die Krankenversicherung würden hier zunächst keinen Regress beziehungsweise eine Erstattung von Leistungen verlangen, da sie zur Erbringung der Versicherungsleistungen nach o.g. grundsätzlich verpflichtet sind.
Zu den Freibeträgen:
Nach Abzug der anrechnungsfähigen Belastungen vom Nettolohn wird ein Selbstbehalt abgezogen. Dieser beträgt bei verheirateten 2880 Euro (1600 Euro Unterhaltspflichtiger [inkl. Warmmiete] und 1280 Euro Ehegatte [inkl. Warmmiete]) monatlich. Bei Familien werden 10% Haushaltsersparnis hinzugerechnet.
Die Ex-Frau oder nicht verwandte Kinder sind nicht unterhaltsverpflichtet.
Bzgl. privatrechtlicher Schulden besteht nur dann ein entsprechender Anspruch gegen andere Beteiligte, wenn diese den Vertrag auch mit abgeschlossen haben oder hierfür gebürgt haben. Hierzu fehlen entsprechende Informationen aus ihrem Sachverhalt. Für sämtliche Verträge, die die der Schwager alleine abgeschlossen hat, haftet er auch alleine, es sei denn sie sind im Rahmen der Ehe, zB. Geschäft des täglichen Bedarfs geschlossen worden, z.B. Kauf von Lebensmitteln oder gemeinsamen Einrichtungsgegenständen. Dann könnte auch die jetzige Ehefrau haften. Auch für gemeinsame Konten oder Versicherungsverträge würde eine gemeinsame Haftung der jetzigen Ehefrau bestehen.
Gerne stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung und hoffe, dass ich Ihnen zunächst weiterhelfen konnte.
Über eine positive Bewertung wurde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße
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