Unfall Mietwagen Sixt
Fragestellung
Guten Tag!
Ich hatte mir Anfang Oktober 2014 eine PKW der Firma Sixt gemietet. Anmietung in Frankfurt am Main, Abgabe in Kassel und mit 0% Selbstbeteiligung.
Bevor ich den Wagen in Kassel zurück gegeben habe war ich bei Ikea Kassel.
Dort habe ich den Wagen im Ikea Parkhaus abgestellt und habe das Fahrzeug verlassen. Nachdem ich 10-20 Meter entfernt war habe ich festgestellt, dass das Fahrzeug ins Rollen gekommen ist. Der Wagen in eine leere gegenüber liegende Parkbucht gerollt und rammte dort frontal einen Stahlpfeiler. Der Wagen war danach noch fahrtüchtig.
Als ich das Fahrzeug verließ, stand der Wage still. Ich war der Meinung ich habe die elektronische Handbremse "gezogen" / aktiviert als ich das Fahrzeug verließ. Ein Gang war nicht eingelegt. Es war für mich nicht ersichtlich und auch nicht spürbar, das das Parkdeck ein Gefälle hat.
Ich habe den Schaden sofort bei Sixt, Ikea und anschließend bei der Polizei zur Kenntnis gebracht.
Nun wirft mir Sixt grobe Fahrlässigkeit vor und will von mir den Schaden von fast 4.000€ ersetzt haben.
Laut Sixt ist meine Handlungsweise nicht von der 0% Selbstbeteiligung abgedeckt.
Dem Ansinnen von Sixt habe ich grundsätzlich widersprochen und nach einigem E-Mailwechsel hat mir die Firma eine Zahlungsverlängerung bis zum 20.02.2015 ( ohne Nachfrage durch mich) gewährt.
Gibt es eine Möglichkeit den Betrag zu verringern? Mir wurde gesagt es könnte sein das es sich vielleicht nur um Fahrlässigkeit oder einfache Fahrlässigkeit handeln könnte und damit evtl eine Teilzahlung von 25-75% möglich sein könnte. Ist das korrekt bzw möglich?
Sollte ich es auf ein Mahnverfahren ankommen lassen und Widerspruch gegen den Bescheid einlegen?
Ich habe zwischenzeitlich eine Arbeitsstelle im Irland angenommen. Noch bin in Kassel gemeldet, aber das wollte ich wahrscheinlich im Juni andern.
Wie sieht es dann mit der Frist für einen Widerspruch oder eine evtl Vertretung durch Sie aus?
Ich freue mich sehr, wenn Sie mir so schnell wie möglich in der Angelegenheit helfen können.
Mit freundlichen Grüßen
S.Humburg
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt und Notar Matthias Reckels
Sehr geehrter Herr Humburg,
zu der Frage, ob sie tatsächlich von der Firma Sixt in Regress genommen werden können, benötige ich zusätzlich den Mietvertrag in Kopie. Hier bedarf es insbesondere der Prüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma Sixt. In Anlehnung an die Kasko Rechtsprechung besteht allerdings die Gefahr, dass Ihr Verhalten tatsächlich als grob fahrlässig eingestuft wird. Beispielhaft sei auf die nachfolgende Rechtsprechung hingewiesen:
"Zwar kann aus objektiv grob fahrlässigem Fehlverhalten nicht regelhaft auch auf eine subjektive Unentschuldbarkeit geschlossen werden, jedoch erlaubt das Ausmaß des objektiven Verstoßes jedenfalls grundsätzlich Rückschlüsse auf innere Vorgänge (BGH VersR 2003, 364; BGHZ 119, 147). Vorliegend ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger der Sicherung seines Fahrzeuges nicht die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt und sich nicht vergewissert hatte, auch den ersten Gang eingelegt zu haben, obwohl ihm infolge des starken Gefälles eine nicht unerhebliche Gefahr bewusst gewesen sein musste. Je größer die Gefährlichkeit der gegebenen Situation ist, desto höhere Anforderungen sind an das Verhalten des Versicherungsnehmers zu stellen. Deshalb entlastet es den Kläger nicht, dass er das Einlegen des Ganges möglicherweise „aus Versehen“ vergessen hatte. Allein die Berufung auf ein Versehen oder „Augenblicksversagen“ genügt nicht, das Verhalten des Versicherungsnehmers als entschuldbar zu qualifizieren. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger mit der Behauptung eines so genannte Augenblicksversagens in zweiter Instanz überhaupt noch gehört werden kann, nachdem er schon ein objektives Versäumnis in erster Instanz ausdrücklich bestritten hatte. Anhaltspunkte, die das objektiv grob fahrlässige Verhalten des Klägers ausnahmsweise entschuldigen könnten, sind nämlich weder vorgebracht noch ersichtlich.
Im vorliegenden Fall entlastet den Kläger insbesondere nicht, dass es sich bei der Sicherung eines Fahrzeugs gegen Wegrollen (durch Gang und Handbremse) um einen mehraktigen Routinevorgang handelt. Das Vergessen eines von verschiedenen Handgriffen in einem zur Routine gewordenen Handlungsablauf, das auch einem üblicherweise mit seinem Eigentum sorgfältig umgehenden Versicherungsnehmer passieren kann, ist nur dann der typische Fall eines Augenblicksversagens, der das „Verdikt der groben Fahrlässigkeit“ nicht verdient, wenn der Versicherungsnehmer einen der Routinehandgriffe ausnahmsweise - durch äußere Umstände abgelenkt - vergisst (BGH VersR 1989, 582; BGH NJW 1986, 2838). Solche besonderen Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Grundsätzlich hat zwar nicht der Kläger den Entlastungsbeweis zu führen, sondern die Beklagte die Voraussetzungen der subjektiven Vorwerfbarkeit darzulegen und zu beweisen. Dennoch wäre es zunächst Sache des Klägers gewesen, ihn entlastende Tatsachen vorzutragen, da die Beklagte außerhalb des zu beweisenden Geschehensablaufes steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie dem Kläger bekannt sind und ihm ergänzende Angaben deshalb zuzumuten sind (BGH VersR 2003, 364 m.N.). Dieser Substantiierungslast hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht genügt, obwohl bereits das landgerichtliche Urteil zutreffend auf dieses Erfordernis hingewiesen hat (UA 6, 1. Absatz a.E.)."
Wie Sie sehen, ist es immer eine Einzelfallentscheidung, ob tatsächlich grobe Fahrlässigkeit vorlag, was wiederum davon abhängt, wie stark das Gefälle im Parkhaus war, wie die Funktionsweise der Handbremse ist und ob nicht gegebenenfalls ein Augenblicksversagen vorlag. All diese Dinge sollten aus Ihrer Sicht entsprechend dargestellt werden. Wenn dies möglich ist, bestehen durchaus Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Sie sollten ferner prüfen ob eine Verkehrsrechtsschutzversicherung besteht, die gleichfalls eingeschaltet werden sollte. Da ich auf dieser Plattform nicht direkt auf unser Büro hinweisen darf, darf ich Sie bitten meinen Namen zu googeln. Sie werden dann sofort auf unsere Büro Homepage treffen. Eine Beauftragung sollte sodann direkt gegebenenfalls auch telefonisch erfolgen.
MfG
Matthias Reckels
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
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