Täuschung in Prüfung
Fragestellung
Hallo,
ich habe vor meiner Recht Klausur an der Uni meine Gesetzestexte nicht mehr kontrolliert und hatte noch Kommentare darin stehen.
Jetzt wurde mir ein "Täuschungsversuch" vorgeworfen und die Klausur mit 5,0 gewertet.
Ich weiß nicht mal wo was im Gesetz gestanden ist und auch nicht ob das für den Sachverhalt relevant gewesen ist. Kann man forden, dass genau geprüft werden soll ob die Kommentare im Gesetz überhaupt bei der Prüfung des Sachverhalts geholfen hätten? Oder gilt hier einfach, dass lt. Prüfungsordnung nur Paragrafen im Gesetz stehen dürfen und alles andere per se eine Täuschung ist und ich für meine eigene Nachlässigkeit verantwortlich bin. Und was schreibt man da am Besten in der von der Uni geforderten Stellungnahme, damit ich mich nicht noch weiter "hineinreite"?
Viele Grüße
SH
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Antwort von Rechtsanwalt Andreas Fischer
Sehr geehrter/r Ratssuchende/r,
Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:
Frage: Kann man forden, dass genau geprüft werden soll ob die Kommentare im Gesetz überhaupt bei der Prüfung des Sachverhalts geholfen hätten?
Antwort Rechtsanwalt:
Ja. Im Rahmen des hier laufenden Verfahrens gegen Sie muss das auf jeden Fall mit berücksichtigt werden. Die von Ihnen eingewendete fehlende Kausalität müsste zumindest beim Vorwurf eines Täuschungsversuchs helfen.
Ein Täuschungsversuch ist ein Verstoss gegen die Prüfungsordnung Ihrer Universität und kann daneben auch im Landeshochschulrecht definierte Ordnungswidrigkeit sein. Als Teil des sogenannten Nebenstrafrechts gelten hierbei allgemeine Definitionen, z.B. enthalten als ein Merkmal des objektiven Tatbestands in § 263 StGB (Betrug).
Die Universität bzw. das zuständige Prüfungsgremium der Universität als Selbstverwaltungskörperschaft entscheidet dabei eigenständig über die universitären Voraussetzungen des Tatbestands der Täuschungshandlung und über die sich nach der Prüfungsordnung ergebenden Konsequenzen, bis hin zum Verlust des Prüfungsrechts. Daneben kommt ein Bussgeldverfahren in Betracht. Den Bereich der universitären Selbstverwaltung respektieren u.U. sogar die Gerichte, indem Prüfungsentscheidungen nur eingeschränkt auf rechtsstaatlich nicht vertretbare Verstösse hin überprüft werden. Die Rechtsprechung hat hierzu genau bestimmte Fallgruppen entwickelt, die im Zusammenhang stehen mit der Verkennung des der Prüfbehörde zustehenden Ermessens. Anerkannte Beurteilungsfehler sind die Verkennung des Beurteilungsspielraums (Beurteilungsausfall), die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts (Fehlgebrauch), die Nichtbeachtung anerkannter Bewertungsmaßstäbe (Fehlgebrauch) und die sachfremde Erwägungen (Fehlgebrauch).
Eine prüfungsrechtlich relevante Täuschungshandlung wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgericht so definiert, daß der Prüfling eine eigenständige und reguläre Prüfungsleistung vorspiegelt, bei deren Erbringung er sich in Wahrheit unerlaubter Hilfe bedient, vgl. Urteil des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24.07.2013, 14 A 880/11.
Dazu gehört also nach allgemeinen Regeln objektiv die Vorspiegelung falscher Tatsachen, und subjektiv auch der Vorsatz im Sinne von billigendem Inkaufnehmen des Erfolgs, also der Täuschung. Ein Versuch muss zudem von einer reinen, erst einmal noch nicht erfassten Vorbereitungshandlung zur Tat umgesetzt worden sein.
Häufig unterscheiden die Prüfungsordnungen darüber hinaus noch besonders schwere Fälle, die zum sofortigen Verlust des Prüfungsrechts führen, z.B. bei Strohmännern, die anstelle von anderen die Arbeiten schreiben, Fall Guttenberg bei Plagiaten in einer Promotion, etc., und weniger schweren Situationen. Vorliegend befinden wir uns wohl noch nicht im Bereich solch eines besonders schwerwiegenden Verstosses.
Insgesamt wäre es wohl ein auch gerichtlich überprüfbarer schwerer Ermessensfehler, Ihnen eine Täuschungshandlung vorzuwerfen, wenn es nicht dazu gekommen ist, schon weil die fraglichen Anmerkungen nicht geeignet sind, eine nicht erbrachte Prüfungsleistung vorzuspiegeln.
Tipp: Sie sollten erst einmal die fraglichen Kommentare in den Gesetzestexten genau dokumentieren (Akteneinsicht nehmen, Kopien machen lassen) und analysieren. Entscheidende wird dabei u.a. sein, wer die Kommentare angefertigt hat, ob sie von Ihnen selbst stammen oder von dritten Personen.
Frage: Oder gilt hier einfach, dass lt. Prüfungsordnung nur Paragrafen im Gesetz stehen dürfen und alles andere per se eine Täuschung ist und ich für meine eigene Nachlässigkeit verantwortlich bin.
Antwort Rechtsanwalt:
Nein, so einfach geht das nicht. Richtig ist, daß die Prüfungsordnungen häufig genau vorschreiben (können), wie die Arbeitsmittel beschaffen sein müssen, die in den Prüfungen verwendet werden dürfen. Wenn kommentierte Gesetzestexte nicht zugelassen waren, dann könnte Ihnen das zum Verhängnis werden. Der Schwerpunkt des Vorwurfs müsste dann allerdings auf dem Verstoss gegen derartige Vorschriften liegen, sofern überhaupt vorhanden. Zumindestens eine Täuschung kann Ihnen damit alleine so einfach nicht vorgeworfen werden.
Frage: Und was schreibt man da am Besten in der von der Uni geforderten Stellungnahme, damit ich mich nicht noch weiter "hineinreite"?
Antwort Rechtsanwalt:
Sie können als ersten Einwand durchaus schreiben, - sofern das der Wahrheit entspricht, versteht sich - daß Sie keine Kenntnis von den fraglichen Kommentaren hatten und dass diese nicht von Ihnen stammen, daß Sie lediglich versäumt hatten, die Gesetzestexte nochmal vollständig durchzusehen. Sie können auch darauf hinweisen, daß der Inhalt der Kommentare nicht den Gegenstand der Prüfung zum Thema hatten.
Hilfreich zur Entlastung könnten auch Angaben darüber sein, wie die Gesetzestexte in Ihre Hände gekommen waren und wieso Sie keine Kenntnis davon hatten, z.B. durch Vorlage von Kaufbelegen, Angaben von Zeugen etc.
Hinweis: Wichtig ist allerdings, daß Sie sich an dieser Stelle niemals in Widersprüche irgend einer Art verwickeln dürfen. Das lässt sich später dann nämlich kaum noch korrigieren. Das was Sie hier schreiben, muss unanfechtbar richtig sein. Ansonsten würde man als Rechtsanwalt es später vorziehen, wenn an dieser Stelle keinerlei Einlassung vorliegt.
Weitere rechtliche Erwägungen:
Sie befinden sich gerade im Anhörungsverfahren (letztendlich gehört das zum rechtlichen Gehör, Art. 103 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) als Vorstufe im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens und eventuell gegen Sie zu verhängender unversitärer Sanktionen bzw. auch eines Bussgeldverfahren .
Im Prüfungsrecht muss Ihnen der Verstoss erst einmal nachgewiesen werden, dafür hat die Universität die sogenannte primäre Beweislast.
Es gibt jedoch Beweislasterleichterungen für die Universität, z.B. durch den sogenannten Beweis des ersten Anscheins. So spricht der erste Anschein dafür, daß dann, wenn Sie in Verstoss gegen die Prüfungsregeln Gesetzestexte mit Kommentierungen verwenden, Ihre Absicht auch dahingehend bestand, diese zu einem Täuschungsversuch einzusetzen. Hier müssten Sie also außergewöhnliche Umstände darlegen, weshalb das bei Ihnen gerade nicht so gewesen ist.
Auch wenn generell die anwaltliche Empfehlung dahin geht, ohne vorherige anwaltliche Beratung so wenig wie möglich zu sagen, so würde in dieser Situation das reine Schweigen wohl dazu führen, daß die noch offenen Fragen zu Ihren Lasten erst einmal zu Ihrem Nachteil unterstellt werden und Sie entsprechende Sanktionen befürchten müssen. Daher ist meine Empfehlung, sich zurückhaltend zu den Vorwürfen zu äußern, und zu den wichtigsten Punkten die zentralen Punkte der beabsichtigten Verteidigung mitzuteilen.
Folgende rechtliche Erwägungen sind dabei anzustellen:
Sie wurden wohl unbestreitbar mit manipulierten Unterlagen in den Gesetzestexten „erwischt“. Daraus wird die Universität versuchen, einen Beweis des ersten Anscheins für einen Täuschungsversuch zu konstruieren. Sie müssen also gerade so viel Information liefern, um diesen Beweis des ersten Anscheins zu vereiteln, ohne sich dabei aber irgendwie gerade erst recht zu belasten.
Solange Sie sich dadurch nicht weiter belasten würden, wäre es in diesem Zusammenhang sicherlich auch hilfreich, glaubwürdige Anhaltspunkte dafür anzugeben, weshalb Sie ausnahmsweise keine Möglichkeit hatten, die Gesetzestexte durchzusehen bzw. weshalb Sie damit nicht gerechnet haben/ rechnen konnten. Der Ihnen vorgeworfene (vorsätzliche) Täuschungsversuch müsste dann allenfalls auf fahrlässiges Verhalten herabgestuft werden, wofür die Konsequenzen in der Regel nicht so einschneidend sind.
Tipp: Abschließend wird noch der Rat erteilt, für die eigenen Unterlagen ein umfassendes Gedächtnisprotokoll anfertigen mit allen kleinsten Angaben zum Sachverhalt. Davon sollten Sie später unter keinen Umständen mehr abweichen. Das sollten Sie allerdings nicht vorlegen und allenfalls Ihrem Anwalt zuarbeiten, sofern das erforderlich würde.
B. – Baden, den 14.08.2017
A. Fischer, Rechtsanwalt
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Mit freundlichen Grüßen
Sophie Hefele
Ihre Rückfragen beantworte ich wie folgt:
1. Kann man fordern, dass genau geprüft werden soll ob die Kommentare im Gesetz überhaupt bei der Prüfung des Sachverhalts geholfen hätten?
Antwort Rechtsanwalt:
Leider kann man das so nicht fordern, vgl. dazu Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) München, vom 22. Januar 2008 · Az. M 4 K 07.5074. Darin wird aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der anderen Prüflinge alleine auf den Besitz unerlaubter Hilfsmittel abgestellt und weder auf den Vorsatz (bei dem, wie ich in der ursprünglichen Antwort bereits ausgeführt hatte) noch auf die Frage der Kausalität der Hilfsmittel mit dem Inhalt der Prüfung. Der dort zum Nachteil des Prüflings entschiedene Fall scheint durchaus vergleichbar zu sein mit Ihrem.
Fundstelle der Entscheidung:
https://openjur.de/u/465647.html
Frage: Oder gilt hier einfach, dass lt. Prüfungsordnung nur Paragrafen im Gesetz stehen dürfen und alles andere per se eine Täuschung ist und ich für meine eigene Nachlässigkeit verantwortlich bin. Und was schreibt man da am Besten in der von der Uni geforderten Stellungnahme, damit ich mich nicht noch weiter "hineinreite"?
Antwort Rechtsanwalt: Wenn Sie nicht den von mir skizzierten Versuch unternehmen möchten bzw. unternommen haben, einen "Entlastungsbeweis" anzutreten, ist hier eigentlich Schweigen das sinnvollste. Sie müssen keine Stellung nehmen, und daraus darf auch niemand nachteilige Schlüsse ziehen. Normaler Weise haben Sie ja eigentlich noch einen weiteren Klausurversuch, so daß die hier lediglich vorgenommene Benotung einer Klausur mit der Note ungenügend nicht weiter tragisch zu sein scheint.