Schenkung zu Lebzeiten von Tante an Neffe
Fragestellung
Meine Tante musste aufgrund Ihres Umzuges in ein Pflegeheim ihr Haus verkaufen. Damals hat Sie mit Ihrem Ehemann ein Berliner Testament aufgesetzt und sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Nach dem zuletzt Verstorbenen wurde als Nacherbin die Stieftochter des Ehemannes meiner Tante eingesetzt. Dies wurde auch im Grundbuch festgehalten.
Jetzt wurde das Haus verkauft (Kaufpreis 720.000). Die Stieftochter hat dem Kaufvertrag zugestimmt und eine Zahlung in Höhe von 150.000 Euro erhalten.
Da meine Frau, ich und unser 7 Jahre alter Sohn jedoch als "alleinige" Familie uns stets um die Tante gekümmert haben, möchte Sie uns gerne etwas "zurückgeben" bzw. schenken.
Inwiefern kann meine Tante selbst über das Geld aus dem Hausverkauf von 570.000 Euro verfügen, und einen Geld Betrag x noch zu Lebzeiten verschenken?
Kann die Stieftochter diese Schenkungen, weil diese vom eigentlichen Erbe abgehen anfechten?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Sehr geehrter Ratsuchender,
ich gehe davon aus, dass das Berliner Testament im Sinne der sog. Einheitslösung verfasst wurde. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird und der Schlusserbe das Vermögen des letztversterbenden Ehegatten - als einheitlichen Nachlass beider Ehegatten - erbt. Dagegen würde die Trennungslösung bedeuten, dass der überlebende Ehegatte Vorerbe wird und bei dessen Ableben Nacherbschaft bezüglich des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten und Schlusserbschaft bezüglich des Vermögens des letztversterbenden Ehegatten eintritt - in diesem Fall werden zwei getrennte Vermögen vererbt. Im Zweifel gilt die Einheitslösung als vereinbart (vgl. § 2269 Abs. 1 BGB).
Grundsätzlich kann Ihre Tante über das Gesamtvermnögen frei verfügen. In Hinblick auf Schenkungen des überlebenden Erblassers wird allerdings § 2287 Abs. 1 BGB analog angewandt. Das bedeutet, dass der Schlusserbe (Stieftochter) später von dem Beschenkten (Sie und Ihre Familie) die Herausgabe eines Geschenks (Geldbetrag) verlangen kann, wenn die Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht erfolgt ist. Es genügt dabei nach der Rechtsprechung, dass der Erblasser (Ihre Tante) weiß, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe schmälert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings durch eine Gesamtabwägung der Interessen nach objektiven Kriterien eine Abgrenzung zwischen einem Missbrauch der freien Verfügungsmacht des Erblassers zu seinen Lebzeiten und solchen Fallgestaltungen vorzunehmen, in denen der Erblasser ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung hat. Ein lebzeitiges Eigeninteresse wird angenommen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Zuwendung in Anbetracht der gegebenen Umstände unter Berücksichtigung der Bindung des Erblassers als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Dafür ist entscheidend, ob die Gründe des Erblassers für die Schenkung ihrer Art nach so sind, dass der durch das gemeinschaftliche Testament Bedachte sie anerkennen und deshalb hinnehmen muss. Bejaht wird ein lebzeitiges Eigeninteresse etwa bei der Erfüllung einer sittlichen Pflicht des Erblassers aufgrund besonderer Leistungen, Opfern oder Versorgungszusagen, die der Beschenkte für den Erblasser erbracht hat. Insbesondere kann ein lebzeitiges Eigeninteresse anzunehmen sein, wenn die Schenkung dem Bemühen des Erblassers entspringt, seine Altersvorsorge und Pflege zu sichern. Geboten ist jedoch stets eine umfassende Abwägung der Interessen im Einzelfall. Schenkungen, die jedes vernünftige Maß überschreiten, sind nicht gerechtfertigt. Die Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses scheidet ebenfalls aus, wenn der Erblasser die Zuwendungen wesentlicher Vermögenswerte in erster Linie auf Grund eines auf Korrektur der Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels vornimmt.
Es kommt also darauf an, ob Sie und Ihre Familie insoweit wesentliche Pflegeleistungen erbracht haben, die eine belohnende Schenkung - außerhalb einer ohnehin zulässigen Pflicht- und Anstandsschenkung - als sittlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Von maßgeblicher Bedeutung wird dabei auch die Höhe des zugewandten Geldbetrages sein - das Erbe darf nicht wirtschaftlich wesentlich entwertet werden. Zur Beantwortung dieser Frage kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an.
Nachfragen beantworte ich gerne.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt
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