Rechtliche Beratung (Insolvenzrecht)
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin Grass,
da ich die Seite YourXpert im Internet mit sehr guten Bewertungen gefunden habe, versuche ich mir Hilfe von Ihnen im Bereich Recht zu holen. Da ich mir nicht sicher bin, ob mein Problem zu Erbrecht, Insolvenzrecht oder Familienrecht gehört, wende ich mich an Sie, da Sie wohl zu allen Bereichen kopetente Antworten geben können.
Ich versuche kurz meine Situation zu beschreiben.
Ich bin momentan in einer sehr schwierigen privaten Lage, die mir schlaflose Nächte und Depressionen bereitet.
Als meine erste Tochter geboren wurde und mein Mann der Hauptverdiener war, hat er im Jahr 2002 eine Risikolebensversicherung für mich abgeschlossen.
Fast 14 Jahre haben wir Monat für Monat einen Beitrag an Cosmos-Direkt bezahlt, mit der Hoffnung, dass mein Mann immer gesund bleibt.
2013 erkrankte er an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Im November 2016 ist er verstorben.
Da ich als einzige begünstigte Person eingetragen war, habe ich sehr schnell nach dem Tod meines Mannes die versicherte Summe von Cosmos-Direkt ohne Problem erhalten.
Leider hat mein Mann jedoch Schulden überlassen.
Also brauchte ich nun rechtliche Hilfe und habe einen Rechtsanwalt vor Ort aufgesucht.
Der Anwalt hat mich aufgeklärt: Da ich das Geld von der Risikolebensversicherung bereits erhalten habe, sollte ich nun nur mein Erbe rechtzeitig ausschlagen und das Geld ohne Probleme behalten. So habe ich es auch gemacht und das Geld in eine für uns geeignete Immobilie investiert.
Vor einem Jahr habe ich ein Schreiben von einem Insolvenzverwalter bekommen und seit einem Jahr versucht mein Anwalt mit diesem zu verhandeln.
Der Insolvenzverwalter verlangt von mir, dass ich das komplette Geld sofort zurückzahlen muss, weil mein Mann den Vertrag für die Risikoversicherung zwar auf mich persönlich ausgestellt hat, aber wiederruftlich.
Bis jetzt konnte der Insolvenzverwalter aber nur eine telefonische Auskunft von der Versicherung erhalten und keinen schriftlichen (Original-) Nachweis, ob der Vertrag wirklich widerruflich oder unwiderruflich war.
Mein Mann wollte nur mich und meine zwei Tochter absichern und hat die 14 Jahre lang nichts am Vertrag geändert.
Ist das jetzt wirklich entscheidend, ob er den Vertrag als widerruflich oder unwiderruflich abgeschlossen hat?
Ich bin davon überzeugt, dass er unwiderrutlich angekreuzt hat oder es wenigstens so wollte.
Wenn er den Vertrag aber als widerruflich unterschrieben hat, dann nur wegen falscher Beratung, was ich wirklich nicht glaube.
Ich habe grundsetzlich zwei wichtige Fragen:
1. Kann der Insolvenzverwalter das Geld wirklich von mir verlangen?
2. Da ich von Anfang an als einzige begünstigte Person eingetragen war und mein Mann selbst das Geld sozusagen nie erhalten hätte, ist dann das Geld der Versicherung überhaupt „Erbe“ oder gehört es nicht direkt ab dem Zeitpunkt des Todes mir, egal ob der Vertrag widerruflich war oder nicht? Mein Mann hat zu Lebzeiten nie etwas an dem Vertrag geändert, er hat nie eine andere begünstigte Person eingetragen und wird dies nach seinem Tode auch niemals machen können. Warum sollte es also eine Rolle spielen, ob der Vertrag widerruflich war?
Wenn ich das Geld tatsächlich zurückzahlen muss, dann fühle ich mich von meinem Anwalt falsch beraten. Woher sollte ich wissen, dass es entscheidend ist, wie mein Mann den Vertrag abgeschlossen hat. Ich habe gar keine Ahnung gehabt, dass man den Vertrag überhaupt als widerruflich abschließen konnte.
Darum war ich bei einem Anwalt. Darum habe ich ihn gefragt, ob ich die Schulden ausschlagen und trotzdem das Geld der Versicherung erhalten kann, oder nicht. Er sollte mich aufklären, dass er erst prüfen muss, ob mein Mann den Vertrag als widerruflich oder unwiderruflich mit Cosmos-Direkt abgeschlossen hat. Leider hat mein Anwalt dies nicht gemacht...
Aus diesem Grund brauche ich noch eine andere neutraule rechtliche Beratung.
Für eine schnelle Antwort wäre ich mehr als dankbar, da ich meinem Anwalt bis Freitag, den 22.05.20, schon eine Rückmeldung zum Fall geben soll.
Schöne Grüße:
K. Owczarek
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Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrte Ratsuchende,
die Besonderheit einer Lebensversicherung mit Bezugsrecht ist, dass beim Ableben des Versicherungsnehmers der Bezugsberechtigte einen direkten Anspruch gegenüber der Versicherung auf Auszahlung der Versicherungssumme erwirbt bzw. hat.
Der Unterschied zwischen einen unwiderrufliches und einem widerruflichen Bezugsrecht liegt darin, dass das unwiderrufliche zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers nicht mehr geändert werden kann.
Aber auf bei Ablehnen des Versicherungsnehmers kann eine unwiderrufliche Einsetzung des Bezugsberechtigte von den Erben nicht geändert werden. Ein widerrufliches Bezugsrecht hingegen kann unter Umständen auch noch von den Erben des Versicherungsnehmers geändert werden. Dies nämlich dann, wenn das widerrufliche Bezugsrecht dem Bezugsberechtigten noch nicht bekannt ist. In diesem Fall können die Erben widerrufen.
Wie ich Ihre Angaben verstanden habe, war Ihnen von vornherein bekannt, dass Ihr Mann als Versicherungsnehmer Sie als Bezugsberechtigte angegeben hat. Damit war das Bezugsrecht nicht mehr von den Erben abänderbar.
ABER: Hier haben wir die Problematik mit einer Nachlassinsolvenz. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens sind manche Rechtshandlungen anfechtbar. Dies gilt vor allem für unentgeltliche Zuwendungen. Die Zuwendung einer Lebensversicherungssumme auf den Todesfall stellt rechtlich eine solche unentgeltliche Zuwendung (Schenkung) dar. § 134 InsO bestimmt, dass unentgeltliche Leistungen dann NICHT anfechtbar sind, wenn „sie … früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden“. Im Umkehrschluss bedeutet dies, ist die Schenkung in den letzten 4 Jahren vor der Eröffnung erfolgt, kann der Insolvenzverwalter anfechten und die empfangene Leistung muss an diesen zurückgezahlt werden.
Hier kommt wieder die Widerruflichkeit ins Spiel. Bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung erwirbt der Bezugsberechtigte mit Bestimmung der Unwiderruflichkeit sofort einen Anspruch auf Auszahlung auf den Todesfall. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht werden die Rechte erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers erlangt, d.h. in einem solchen Falle wird die Schenkung zum Zeitpunkt des Todes bewirkt und ist somit, weil noch keine 4 Jahre her, gem. § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. (vgl. auch Urteil des BGH vom 27.09.2012, AZ: IX ZR 15/12).
Zusammenfassend ergibt sich, dass bei einer nur widerruflichen Bezugsberechtigung die Leistung zwar nicht ins Erbe fällt, sondern direkt an den Bezugsberechtigten geht. Rechtlich stellt dies aber eine Schenkung dar, die anfechtbar ist und der Insolvenzverwalter demnach tatsächlich einen Anspruch auf Rückzahlung hat.
Die Problematik mit der Anfechtbarleit wegen der widerruflichen Bezugsberechtigung hätte der Anwalt natürlich erkennen müssen, wenn ihm bekannt war, dass ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde oder sicher eingeleitet werden wird. Grundsätzlich wäre hier natürlich eine Falschberatung gegeben, die zu einem Schadensersatzanspruch führen könnte. Voraussetzung ist jedoch, dass Ihnen überhaupt ein Schaden entstanden ist. Denn hätte der Anwalt Sie richtig beraten, hätten Sie das Geld der Versicherung nicht annehmen sollen. Jetzt muss es zurückgezahlt werden. In beiden Fällen stehen Sie letztlich ohne die Versicherungssumme da. Auf den ersten Blick wären ggf. lediglich eventuelle Anwaltskosten bei richtiger Beratung vermeidbar gewesen und müssten als Schaden erstattet werden.
Ich hoffe, Ihnen einen Überblick über die Rechtslage und die Möglichkeiten gegeben zu haben. Fragen Sie bitte nach, wenn es Unklarheiten oder Nachfragen geben sollte.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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Was ich jedoch nicht verstehe: Wenn das Geld der Risiko-Lebensversicherung von Anfang an für mich bestimmt war und auch kein Erbe ist, wieso ist es dann anfechtbar? Muss ich nun das komplette von der Versicherung erhaltene Geld zurückzahlen, oder kann ich auch nur die Schulden zurückzahlen?
Weiterhin: Es steht nirgends, dass mein Mann den Vertrag als widerruflich unterschrieben hat. Ist ein solcher Vertrag also automatisch widerruflich, wenn man nicht explizit erwähnt hat, dass er unwiderruflich gemacht werden soll? Und warum hat die Versicherung mir dann direkt das Geld ausgezahlt, wenn ich anscheinend doch keinen Anspruch darauf habe?
Was ist dann der Sinn einer Risiko-Lebensversicherung, wenn man mir das Geld innerhalb von 4 Jahren einfach wegnehmen kann, zumal Sie doch geschrieben haben, dass das Geld ab dem Tod theoretisch mir gehört...
Viele Grüße und lieben Dank,
K. Owczarek
juristisch ist diese Bestimmen eine Schenkung. Und Schenkungen sind im Insolvenzverfahren anfechtbar, weil der Schuldner ohne Gegenleistung sein vermögen reduziert und damit die Gläubiger benachteiligt.
Die Anfechtung führt dazu, dass die vollständige Summe an den IV auszuzahlen ist.
Der Anspruch gegenüber der Versicherung bestand, sodass diese völlig korrekt gehandelt hat. Sie haben das Geld erst mit der Anfechtung "verloren".
Letztlich muss die Versicherung Auskunft darüber erteilen, ob die Bezugsberechtigung widerruflich oder unwiderruflich war.
Das Problem ist die Überschuldung des Mannes und die Einleitung des Insolvenzverfahrens. Ohne die Schulden und damit ohne Insolvenz wäre die Absicherung erfolgt.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
Mit freundlichen Grüßen,
K. Owczarek
gerne !
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass