Parkschaden PKW = Unfallwagen?
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Jeromin,
ich hätte gerne von Ihnen Auskunft darüber, ob mein Fahrzeug nach einem Parkschaden als Unfallwagen gilt und ich es später mal als Unfallwagen veräußern muss.
Der Schaden ist beim Einparken passiert, wobei die rechte Seite eines anderen Fahrzeugs mit meiner linken Stoßstangenecke gestreift wurde.
Mein Fahrzeug, ein Passat TDI Kombi, EZ 2013, 108tsd km, hat vorne links Kratzer an Stoßstange und Scheinwerfer (Bi-Xenon). Der Kotflügel ist etwas eingedrückt, hat aber keine Kratzer und muss wahrscheinlich weder lackiert noch ausgetauscht werden.
Der Scheinwerfer muss auf jeden Fall ausgetauscht werden. Die Stoßstange kann evtl. auch nur lackiert werden.
Ist es für die Beurteilung, Unfallwagen Ja oder Nein, egal, ob die Teile ausgetauscht oder nur neu lackiert werden? Ich habe im Internet unterschiedliche Äußerungen dazu gefunden.
Sollte ich zur Absicherung für einen späteren Verkauf ein Gutachten anfertigen lassen?
Und was würden Sie mir raten?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartwig
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Antwort von Rechtsanwalt Jens Jeromin
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Informationen wie folgt beantworte.
Eine klare Trennlinie für die Beurteilung „offenbarungspflichtiger/nicht offenbarungspflichtiger Unfallschaden existiert leider nicht.
Die Rechtsprechung nähert sich der Problematik, indem sie die Frage stellt, ob im jeweiligen Einzelfall ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vorliegt. Liegt ein Sachmangel vor, muss er offenbart werden.
Zunächst einmal gilt: Unfallschäden, die ein verkauftes Gebrauchtfahrzeug vor dem Verkauf erlitten hat, stellen als solche keinen Sachmangel dar, wenn sie fachgerecht repariert und damit beseitigt wurden, und sich das Fahrzeug deshalb bei Gefahrübergang in einem altersgerechten Zustand befindet, der im übrigen auch typische Verschleißmängel einschließt (BGH NJW 2006, 434).
Dennoch kann trotz fachgerechter und vollständiger Reparatur die bloße Tatsache, dass das Fahrzeug einen Vorunfall hatte, als solche einen Sachmangel begründen.
Da die Tatsache eines Vorunfalls als solche dem Kfz den auf dem Markt preismindernden Makel eines Unfallfahrzeugs verleiht, darf nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH v. 10.10.2007 - VIII ZR 330/06, in : NJW 2008,53) ein Gebrauchtwagen keinen Vorunfall gehabt haben, der über einen bloßen Bagatellschaden hinausgeht.
Die Grenze zu diesem bloßen Bagatellschaden zieht der BGH sehr eng, indem er auf seine frühere Rechtsprechung zur Offenbarungspflicht von Vorunfällen (im Rahmen von § 463 BGB a.F.) zurückgreift: Bagatellschaden kann nur ein Schaden sein, der so geringfügig ist, dass er bei vernünftiger Betrachtungsweise den Kaufentschluss nicht beeinflussen kann. Damit bleiben für Bagatellschäden nur etwa ganz geringfügige Lackschäden, nicht aber Blechschäden übrig, mögen sie auch rückstandsfrei und ohne großen Aufwand repariert worden sein.
Sie sehen: das sind Rahmenbedingungen, aber keine starren Grenzen.
Vereinfacht gesagt muss man ins Verhältnis setzen: Fahrzeugalter-Laufleistung-Schadenhöhe.
Je neuer das Fahrzeug, je geringer die Laufleistung, je höher der Schaden, je eher ist er mitzuteilen.
Da auch das für die Praxis nur bedingt hilft, haben Gerichte sich bemüht, hinsichtlich der Grenze zum Bagatellschaden Wertgrenzen herauszuarbeiten.
Das OLG Düsseldorf ( Urt. v. 25.2.2008 – I-1 U 169/07 – ) hat die Grenze zum Bagatellschaden bei 720,00 € Reparaturkosten gezogen und zu den Voraussetzungen des BGH addiert (ganz geringfügige Lackschäden, nicht aber Blechschäden).
Sofern Sie Ihr Fahrzeug vollständig und fachgerecht reparieren lassen, gibt Ihnen die Reparaturrechnung auch Aufschluss über die Mitteilungspflicht. Liegt diese über 700,00- 1.000,00 € würde ich den Unfallschaden bis zu einer Laufleistung von 200.000 km bzw. 10 Jahren Fahrzeugalter immer mitteilen.
Reparaturkosten darüber würde ich grundsätzlich stets mitteilen.
Sofern Sie das Fahrzeug nicht vollständig und fachgerecht gegen Rechnung reparieren lassen, sollten Sie zumindest einen Kostenvoranschlag mit Lichtbildern einholen, um einen Bewertungsmaßstab zu haben.
Sie können natürlich ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Dieses ermittelt die Schadenshöhe und eine eventuelle Wertminderung (dass im Falle einer festgestellten Wertminderung= preismindernder Makel eine Offenbarungspflicht besteht, sollte anhand er obigen Grundsätze klar sein).
Allerdings kostet sie diese Gutachten wahrscheinlich mehr als die faktische Wertminderung. Diese liegt (wenn sie bejaht wird) bei ca. 15 % der Reparaturkosten.
Liegen diese bei 1.500,00 €, läge der marktgerechte Minderwert im Wiederverkaufsfall bei etwa 250,00 €- das Gutachten dürfte teurer werden, also im Ergebnis unwirtschaftlich sein.
Ich bin kein Sachverständiger, aber aufgrund der Rahmendaten zum Fahrzeug und Ihrer Beschreibung des Schadens erwarte ich bei vorsichtiger Einschätzung aus der Ferne einen Schaden, dessen Höhe bei vollständiger und fachgerechter Reparatur derzeit im offenbarungspflichtigen Bereich liegt.
Sie sollten im Reparaturfall daher die Rechnung aufbewahren, damit sie später nicht in der ungünstigen Situation sind, einen Unfallschaden offenbaren zu müssen, ohne wenigstens dessen vollständige fachgerechte Reparatur beweisen zu können.
Ich hoffe Ihnen auf diesem Weg eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jeromin
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vielen Dank für die schnelle Antwort.
Ich habe nur noch eine abschließende Verständnisfrage zu meiner Frage "Ist es für die Beurteilung, Unfallwagen Ja oder Nein, egal, ob die Teile ausgetauscht oder nur neu lackiert werden?". Ist Ihre Antwort so zu verstehen, dass Austausch oder nur neue Lackierung für die Deklaration "Unfallwagen" egal sind? Es geht mir darum, ob ich die Stoßstange nur neu lackieren oder komplett austauschen lassen soll. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartwig
entscheidend ist nicht allein, ob Sie die Stoßstange austauschen oder lackieren.
Entscheidend ist zunächst, dass Sie fachgerecht reparieren. Ob ein Lackieren hier fachgerecht ist oder nur eine „Notreparatur“, weil ein nur Austausch fachgerecht wäre, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Das kann in jedem Fall ein Sachverständiger, regelmäßig aber auch jede seriöse Fachwerkstatt.
Wenn ausgetauscht werden muss, liegt ein Ersatz von Anbauteilen nach den Richtlinien des BVSK e.V. in der niedrigsten Schadensklasse 1 und zieht nicht zwangsläufig eine Wertminderung und damit die Offenbarungspflicht nach sich, sondern es kommt dann auf das Verhältnis Wiederbeschaffungswert-wertmindernde Faktoren an (Alter, Leistung, Zustand, Vorbesitzer etc. an).
Mein Rat: reparieren Sie fachgerecht und ziehen Sie dann anhand der Reparaturrechnung Bilanz.
Mit freundlichen Grüßen
Jeromin
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hartwig