Nachforderungen Krankenkasse
Fragestellung
Hallo, mein Vater bekam vor 2 Wochen Post von der Krankenkasse mit einer Nachforderung für additive Krankenkassenbeiträge ab dem Jahr 2016. Als Grundlage für die Forderung hat die Krankenkasse die Steuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 verwendet. Mein Vater ist Rentner und hat nebenher einen kleines Bekleidungsgeschäft. Aufgrund seiner kleinen Rente zahlt er lediglich den Mindestbeitrag zur KV und PV. Das Bekleidungsgeschäft hat aufgrund hoher Verluste in den Vorjahren und daraus einem hohen Verlustvortrag die in den Jahren 2016 bis 2018 gegen die positiven Einnahmen aufgerechnet wurden steuerlich keine Einnahmen erzielt. Aus meiner Sicht ist dies ein horizontaler Verlustausgleich gem §15 SGB da Einnahmen aus dem Bekleidungsgeschäft gegen die Verlustvorträge des selbigen Bekleidungsgeschäfts aus den Vorjahren aufgerechnet wird.Nu zu meiner Frage: Die KKH stellt sich auf den Standpunkt dass die Verlustvorträge bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden muss. Mein Standpunkt (ich vertrete hier meinen 78jährigen Vater per Vollmacht) ist, dass der Verlustvortrag sehr wohl abgezogen werden muss, bis 2018 gar keine Nachforderungen gestellt werden dürfen und zuletzt noch die KV auch wirtschaftlich leistbar sein muss. Da mein Vater lediglich ca 900€ mtl. Rente bezieht, die Verluste aus seinem Bekleidungsgeschäft abzahlen musste mit den Einnahmen und sonst über keine EInnahmen oder Besitz verfügt, entspricht die Beitragsbemessung nicht der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit meines Vaters (§ 2 Abs. 1 S. 2 der Grundsätze zur Beitragsbemessung). Sie sehen ich hab mich auch schon ein bisschen eingelesen. Für Ihre Expertose als auch Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise bedanke ich mich bereits im Voraus.
Grüße
T. H.
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Antwort von Rechtsanwalt Matthias Schömann
Sehr geehrte/r T.H,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gern beantworte. Vorausschicken möchte ich, dass meine Bewertung auf Basis des von Ihnen dargestellten Sachverhalts erfolgt und bereits kleine Änderungen im Sachverhalt auch eine andere Bewertung nach sich ziehen können.
Bei freiwillig Versicherten in der GKV richtet sich die Bemessung der Beiträge nach dem von Ihnen zitierten Grundsätzen zur Beitragsbemessung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Anders als bei Pflichtversicherten werden dabei nicht nur die Einkommen aus der Tätigkeit als Arbeitnehmer sondern auch weitere Einkunftsarten herangezogen (Kapitalvermögen, Gewerbe, Vermietung & Verpachtung etc.). Verluste aus einer dieser Einkünfte können nicht mit Gewinnen aus einer anderen Einkunftsart verrechnet werden (kein vertikaler Ausgleich) lediglich innerhalb einer Einkunftsart können Gewinne und Verluste saldiert werden (horizontaler Verlustausgleich).
Auch ein Verlustvortrag (§ 10d SGB V) ist grundsätzlich nicht möglich. Hintergrund ist die Vergleichbarkeit mit den pflichtversicherten Angestellten. Ein Selbständiger der bspw. in einem Jahr einen Verlust eingefahren hat, wird in der Regel nur zum Mindestbeitrag veranlagt. Erwirtschaftet er einen Gewinn im Folgejahr und könnte dann den Verlustvortrag auch beitragsrechtlich geltend machen, so würde er vermutlich wieder nur zu einem geringen Beitrag herangezogen werden. Arbeitnehmer hingegen können keine Verlustvorträge geltend machen, um so ihre Beitragsbemessunggrundlage zu senken.
Das Landessozialgericht BadenWürttemberg hat dies erst kürzlich noch mal in seiner Entscheidung vom 9. April 2019 (vgl. Anlage) klargestellt. In dieser Entscheidung hat es gleichzeitig aber auch einen Verlustvortrag innerhalb der Einkunftsart "Kapitalvermögen" erlaubt, aber auch begründet, warum bei speziell dieser Einkunftsart etwas anderes gilt. Die Entscheidung ist nach meiner Ansicht somit nicht auf andere Einkunftsarten, wie hier bei Ihrem Vater aus Gewerbetrieb, übertragbar.
Meines Erachtens erlaubt auch der Verweis auf die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" in den Grundsätzen des Spitzenverbandes keine andere Bewertung. Dieser Begriff zielt eher in die andere Richtung, nämlich die aktuelle tatsächliche Einnahmesituation zu berücksichtigen.
Zum weiteren Vorgehen: Aufgrund der aus meiner Sicht recht klaren Rechtslage kann ich Ihnen nicht empfehlen, den Klageweg zu bestreiten. Ich empfehle Ihnen aber, sofern Ihr Vater die Beiträge nicht sofort zahlen kann, bei der KKH eine Ratenzahlung zu beantragen.
Ich bedaure, Ihnen keine günstigere Auskunft geben zu können, wünsche Ihnen und Ihrem Vater dennoch alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Schömann
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Falls Sie einen aussichtsreicheren Weg sehen würde ich sie auch gerne generell mit der Sache beauftragen.
Grüße
T. H.
Bis zum Jahr 2018 galt noch eine andere Rechtslage, die Beiträge wurden nicht für das Kalenderjahr festgestellt, sondern ab dem Monat der festgestellten geänderten Einkommenssituation galt der neue Betrag. Dies ergibt sich auch aus den vorliegenden Unterlagen: Der Steuerbescheid für 2014 wurde am 18.12.2015 erstellt, also galt ab dem 1.1.2016 der neue Beitrag. Gleiches gilt auch für die darauffolgenden Jahre. Erst ab 2018 wird dann der Beitrag jahresgenau anhand der konkreten Einnahmen in diesem Jahr festgestellt.
Aufgrund der 4jährigen Verjährungsfrist können seitens der Kasse keine älteren Forderungen geltend gemacht werden.
Sie können den Nachforderungsbescheid nun gerichtlich überprüfen lassen, hierzu haben Sie ein Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchs Zeit.
Alternativ besteht auch die Möglichkeit die aufsichtführende Behörde um eine Überprüfung des Bescheides zu bitte. Hier der Link zum Bundesamt für soziale Sicherung
www.bundesamtsozialesicherung.de/
Weder für die Klage noch für die aufsichtsrechtliche bedarf es eines Anwalts.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Schömann