Lange Kündigungsfrist Arbeitsvertrag
Fragestellung
Hallo,
in meinem Arbeitsvertrag ist eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende festgeschrieben. Diese gilt auch für den Arbeitgeber. Da eine derartig lange Kündigungsfrist beim Jobwechsel durchaus Probleme bereiten kann (nicht jeder AG wartet 6 Monate auf den neuen Mitarbeiter), wollte ich fragen, ob es rechtlich eine Möglichkei gibt diese zu verkürzen?
Vielen Dank für die Antwort.
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Antwort von Rechtsanwalt und Notar Matthias Reckels
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
wenn die Kündigungsfrist ausdrücklich für beide Vertragsparteien schriftlich vereinbart wurde, ist dies auch für beide Seiten bindend. Wenn Sie nun unter Mißachtung dieser Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, machen Sie sich dem Grunde nach Schadensersatzpflichtig. Dieser Schadensersatz ist nach der Rechtsprechung jedoch begrenzt und in der Praxis überschaubar, wenn keine Tätigkeit beim Mitbewerber aufgenommen wird und keine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung im Arbeitsvertrag steht.Bei einer Tätigkeit beim Mitbewerber kann der derzeitige Arbeitgeber diese mittels einer einstweiligen Verfügung bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist verhindern. Soweit eine wirksame Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag vereinbart ist, droht daraus ein pauschaler Schadenersatz.
Zum sonstigen Schadenersatz:
"Auszugehen ist von der Begrenzung der Schadenspflicht durch den Schutzzweck der verletzten Vertragsnorm. Schäden, die auch bei einem normgerechten Verhalten entstanden wären, fallen nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm und scheiden als Schadensposition stets aus (ArbG Hagen 22.7.1980 DB 1980, 2294). Tritt ein Arbeitnehmer die Arbeit nicht an oder beendet er das Vertragsverhältnis überstürzt, so verletzt er die Vorschriften über die Kündigungsfristen. Der Schutzzweck dieser Normen reicht aber nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist; denn der Normzweck der im Arbeitsvertrag vereinbarten Kündigungsfristen erstreckt sich lediglich darauf, den Arbeitgeber vor einer vorzeitigen Arbeitsaufgabe des Arbeitnehmers zu schützen (LAG Düsseld. 29.4.1981 ARSt 1981, 172; nach LAG Hamm 17.12.1980 DB 1981, 1243 [LAG Hamm 17.02.1981 - 6 Sa 1360/80] sind Inseratskosten nicht zu ersetzen, wenn bei dem Zeitpunkt der Veröffentlichung nach aller Lebenserfahrung der Eintritt einer Ersatzkraft erst nach Ablauf der Kündigungsfrist in Betracht kommen konnte). Ersatzpflichtig ist der Arbeitnehmer nur für den Schaden, der durch die überstürzte Vertragsbeendigung entstanden ist. Dafür kommen zunächst in Betracht alle Kosten, die dem Arbeitgeber durch das Fehlen der Arbeitskraft des vertragsbrüchigen Arbeitnehmers entstehen (zB Differenzbetrag zu den Kosten für eine Ersatzkraft bzw. Überstundenzuschläge). Weiterhin stehen die Kosten für die Suche eines Nachfolgers im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Vertragsbruch, wenn sie bei vertragsgerechtem Verhalten vermeidbar gewesen wären. Nach der Entscheidung des BAG vom 26.3.1981 (EzA § 249 BGB Nr. 14) ist das zB dann anzunehmen, wenn die Kündigungsfrist für eine innerbetriebliche Ausschreibung, Erfolg versprechende Umfragen in Fachkreisen oder ähnliche Kosten sparende Maßnahmen ausgereicht hätte. Das BAG zitiert für diesen Sachverhalt den Begriff des »Verfrühungsschadens« (Medicus Anm. AP Nr. 5 zu § 276 BGB Vertragsbruch). Für die Vorstellungskosten eines Nachfolgers eines vertragsbrüchigen Arbeitnehmers ist ein »Verfrühungsschaden« zu verneinen (BAG 26.3.1981 EzA § 249 BGB Nr. 14; Berkowsky DB 1982, 1772). Dagegen ist der Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die vertraglich vereinbarte Arbeit nicht antreten kann oder will und vor Antritt der Arbeit auch erkennen muss, dass der Arbeitgeber im Vertrauen auf die zugesagte Arbeitsaufnahme erhebliche Aufwendungen macht (BAG 14.9.1984 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 38: Anschaffung von Fahrzeugen).
Diese Rechtsprechung (BAG 26.3.1981 EzA § 249 BGB Nr. 14) tritt dem Prinzip der »zivilrechtlichen Prävention« entgegen, wonach im Interesse der Vertragstreue die Berufung auf das rechtmäßige Alternativverhalten abgelehnt wurde (BAG 18.12.1969 EzA § 249 BGB Nr. 5; so im Ergebnis noch einmal LAG Frankf. 23.1.1980 ARSt 1980, 169; krit. dazu Kittner DB 1970, 487 f.; Beitzke SAE 1970, 257 und SAE 1976, 195; Herschel AuR 1971, 160; Medicus Anm. AP Nr. 5 zu § 276 BGB Vertragsbruch). Bedenken gegen den Grundsatz der »zivilrechtlichen Prävention« äußerte schon das BAG vom 14.11.1975 (EzA § 249 BGB Nr. 6). Es billigte dem Arbeitgeber die Inseratskosten zu, weil nicht festgestanden habe, ob der vertragsbrüchige Arbeitnehmer wirklich bei vertragstreuem Verhalten alsbald wieder ausgeschieden wäre. Diese »Chance der Willensbeeinflussung« ist als rechtlich nicht geschützt bereits durch das BAG (22.5.1980 EzA § 249 BGB Nr. 13) - hinsichtlich des Nichtantritts eines Schulungsvertrages - als unzureichend für einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Kosten für die Suche eines anderen Bewerbers angesehen worden; denn die Pflicht zur Einhaltung der Kündigungsfrist dient nicht dem Zweck, die beiden Vertragspartner für werbende Gespräche zusammenzuführen (BAG 26.3.1981 EzA § 249 BGB Nr. 14).
Der Arbeitgeber kann Schadensersatz für entgangenen Gewinn verlangen (BAG 5.10.1962 AP Nr. 2 zu § 628 BGB; 27.1.1972 EzA § 628 BGB Nr. 5; ArbRBGB-Corts § 628 BGB Rn 46; HWK-Sandmann § 628 BGB Rn 66), wenn sich durch das Ausscheiden des Arbeitnehmers Verdiensteinbußen ergeben. In dem vom BAG entschiedenen Fall (BAG 27.1.1972 EzA § 628 BGB Nr. 5) hatte der Arbeitgeber den offenen Posten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers notwendigerweise vorübergehend mit einem Arbeitnehmer aus einer anderen Betriebsabteilung besetzt, in der daraufhin angeblich Mindereinnahmen eintraten. Soweit sich der Gewinnausfall nicht einfach durch Vorlage der Geschäftsbücher ermitteln lässt (BAG 27.1.1972 EzA § 628 BGB Nr. 5), gilt das Gesetz wegen der hier oft schwierig zu führenden Nachweise für die Gewinnminderung mit den §§ 252 BGB und 287 ZPO Beweiserleichterungen sowohl für den Eintritt des Schadens (dh für die Annahme der sog. haftungsausfüllenden Kausalität) als auch für die Höhe des Schadens (zur Geltung des § 287 ZPO vgl. MünchKomm-Henssler § 628 Rn 67, 74; Staudinger/Preis § 628 BGB Rn 66). Danach reichen aus erstens Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit des Verdienstausfalls und zweitens Angaben des Arbeitgebers zur Schätzung der behaupteten Höhe der Verdienstminderung (Berechnung, die die Besonderheiten des Betriebes berücksichtigt: zB wenn in einer Reparaturwerkstatt, die in der fraglichen Zeit mit Aufträgen voll ausgelastet war, durch das Ausscheiden des Arbeitnehmers zahlreiche Aufträge abgelehnt werden müssen). Dies ergibt sich aus der Bedeutung der §§ 252 BGB und 287 ZPO für den Umfang der Darlegungslast; denn nach den genannten Vorschriften mindern die Beweiserleichterungen auch die Darlegungslast derjenigen Partei, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, weil Darlegungs- und Beweislast einander entsprechen (BAG 27.1.1972 EzA § 628 BGB Nr. 5; Wieczorek § 287 Anm. D). Es bedarf nicht der Prüfung, ob schon allein der Ausfall der Arbeitskraft des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Betrieb des Arbeitgebers ein messbarer Vermögensschaden ist (BAG 24.4.1970 EzA § 60 HGB Nr. 3), sondern nach der abstrakten Schadensberechnung geht es nicht um die Ermittlung des unmittelbaren Wertes der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sondern um deren weitere Vorteile, deren Wert nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist (BAG 27.1.1972 EzA § 628 BGB Nr. 5).
Verrichtet der Arbeitgeber die Arbeit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers selbst, weil er keine Ersatzkraft gefunden hat und Geschäftseinbußen verhindern will (BAG 24.8.1967 EzA § 249 BGB Nr. 2; vgl. dazu auch C. Becker BB 1976, 746), kann der Arbeitgeber den potentiellen Schaden, den er aber nur aufgrund eigener überobligatorischer Anstrengungen nicht erlitten hat, ersetzt verlangen. Der Anspruch ist allerdings auf die Differenz zwischen der Entgelthöhe des ersatzpflichtigen Arbeitnehmers und dem Wert der Eigenleistung des Arbeitgebers zu beschränken (Staudinger/Preis § 628 BGB Rn 51; Erman/Belling § 628 Rn 33). Abzulehnen ist dagegen der Schadensersatzanspruch, wenn der Arbeitgeber im Fall des im Auflösungsverschulden begründeten Ausscheidens des Arbeitnehmers keine neue Ersatzkraft einstellt (so auch LAG SchlH 13.4.1972 BB 1972, 1229; Baumbach/Duden § 59 Anm. 6 D c; Beuthien BB 1973, 92; ArbRBGB-Corts § 628 BGB Rn 44; krit. C. Becker BB 1976, 746; aA LAG Frankf. 5.7.1966 DB 1967, 212, [LAG Hessen 08.06.1966 - 5 Sa 468/65] das die Grundsätze, die der BGH für den Ersatz der fiktiven Mietwagenkosten bei einem Verkehrsunfall aufgestellt hat, hier entsprechend anwendet; abl. Anm. zum LAG Frankf. von Henschel AR-Blattei, Vertragsbruch Entsch. 9 sowie von Trinkner DB 1967, 162: dagegen sieht Hadding SAE 1976, 219die Nichteinstellung einer Ersatzkraft lediglich als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht, § 254 Abs. 2 BGB an). Grds. können auch die Reisekosten für eine Ersatzkraft, die zu der Baustelle geschickt werden muss, als Schadensersatz geltend gemacht werden (ArbG Wilhelmshaven 13.2.1981 ARSt 1981, 111).
Dem Arbeitgeber steht kein Anspruch in Bezug auf Schadensersatz wegen Nichtleistung der Arbeit auf Erstattung des entgangenen Gewinns gem. § 252 BGB zu, wenn die Arbeitsleistung sowohl wegen Arbeitsverweigerung - was ein Auflösungsverschulden darstellen kann - als auch wegen gleichzeitiger Krankheit unterbleibt; denn solange ein Arbeitnehmer krank ist, besteht keine Arbeitspflicht, mithin macht er sich für diese Zeit nicht schadensersatzpflichtig (BAG 5.10.1962 AP Nr. 2 zu § 628 BGB verneint hier die hypothetische Kausalität; krit. dazu Anm. Brecher ebenda)." (aus Etzel/Bader/Fischermeyer 10. Auflage 2012 zu § 628 BGB)
Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben. Gegebenenfalls bedarf es wegen der weiteren Vertragsformulierungen ( Vertragsstrafe pp) noch einer Einzelfallprüfung.
Mit Freundlichen Grüßen
Matthias Reckels
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Matthias Reckels
Rechtsanwalt