Jetzt Kreuzfahrtreise stornieren bzw. Rücktritt erklären?
Beantwortet
Fragestellung
Wir haben am 28.01.2020 eine Kreuzfahrtreise mit AIDA nach Norwegen gebucht (Tarif AIDA Premium). Reisezeitraum ist der 26.07. bis 05.08.2020. Vor wenigen Tagen wurde mit AIDA vereinbart (schriftlich), das die (derzeitigen) Stornokosten von 20% bis 30 Tage vor Reiseantritt "eingefroren" werden. Wir könnten also bis 30 Tage vor Reieseantritt noch zu Kosten von 20% des Reisepreises stornieren.
Heute ein Artikel in der "Welt" (siehe pdf-Anlage). Demnach, so ein Rechtsgutachten, könne man auch ohne Reisewarnung bei gebuchten Pauschalurlauben (Kreuzfahrt?) kostenlos zurücktreten.Hierfür, so das Rechtgutachten, genügt eine "erhebliche Beeinträchtigung". Das Gutachten kommt zur Empfehlung, das Verbraucher/Reisende den Vertrag kündigen sollten und die Anzahlung zurückverlangen können.
Was meinen Sie? Sollte man dies machen?
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Antwort des Experten
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
gerne beantworte ich Ihnen Ihre Fragestellung auf Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen wie folgt:
1. Der von Ihnen gelesene Artikel in der "Welt" hat für einigen Wirbel gesorgt und ist tatsächlich auch nicht völlig falsch, leider enthält dieser einige Ungereimtheiten und weist auf wichtige Dinge nicht hin, die für die Beantwortung Ihrer Frage jedoch eine wichtige Rolle spielen.
2. Zunächst einmal ist eine Kreuzfahrt eine Pauschalreise im Sinne des §§ 651a ff. BGB, da bei einer solchen eine Vielzahl verschiedener Leistungen erbracht werden. Hier ist die Rechtslage eindeutig.
3. Wenn Sie die Reise stornieren, üben sie ein vetragliches eingeräumtes Recht aus, den ursprünglichen Vertrag aus der Welt zu schaffen. Hierfür werden dann die entsprechenden Kosten fällig, auf die Sie sich vertraglich - meist einseitig per AGB vorgegeben - geeinigt haben. In Ihrem Fall wurden diese Kosten nochmals modifiziert, um sie möglichst lange als Kunden zu halten, in der Hoffnung, dass bis zum Reisetermin eine Durchführung wieder möglich ist, oder die Lage bis zum Zeitpunkt des "eingfefroreren Stornos" jedenfalls deutlich besser abschätzen lässt. Hintergrund ist folgender:
4. Sie können von einer Pauschalreise jederzeit vom Reisevetrag gemäß § 651h Abs. 1 S. BGB zurücktreten; der Reiseveranstalter verliert dann den Anspruch auf den Reisepreis und muss diesen zurückzahlen, nach aktueller Rechtslage in Geld, da die sog. "Gutschein-Lösung" noch nicht in Kraft ist und auch nicht absehbar ist, ob sich diese durchsetzt. (Erste Stufe des Rücktritts). Wichtig ist hier nur, dass das gesetzliche Rücktrittsrecht vor dem Reisebeginn durch entsprechende Erklärung gegenüber dem Reiseveranstalter ausgeübt werden muss.
Durch den Rücktritt und den Verlust auf den Anspruch des Reisepreises erwirbt der Reiseveranstalter sodann einen eigenen Anspruch auf Entschädigung, § 651h Abs. 1 S.3 BGB. Die Höhe richtet sich nach § 651h Abs. 2 BGB, regelmäßig also nach den vertraglich vereinbarten Storno-Gebühren. Durch das "Einfrieren" dieser Bedingungen haben Sie sich einen großen Vorteil verschafft, denn das Risiko bei einem Rücktritt liegt in folgendem Detail:
5. Der Entschädigungsanspruch entfällt, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, § 651h Abs. 3 BGB. Diese Regelung ist derzeit für die Reiseveranstalter das große Problem, da für hinsichtlich vieler beliebter Reiseländer solche Umstände vorliegen. Der Reiseveranstalter erhält somit keine Entschädigung, muss aber den vollen Reisepreis erstatten, obwohl er selber gegenüber seinen Vertragspartner (Hotels, Fluggesellschaften etc.) möglicherweise schon Zahlungen geleistet hat. Die Problematik für den Reisenden im Hinblick auf diese Regelung ist jedoch: Wie weit im Voraus kann man eine solche Einschätzung treffen? Genau hier setzen der Artikel der "Welt" und das Gutachten der Verbraucherzentrale an. Allerdings sind mir diese Ausführungen zu einseitig und zu generell. Eine Reisewarnung stellt wie in dem Artikel richtig dargestellt, kein Verbot dar, es ist nicht mehr als eine Art Empfehlung. Ein Gutachten einer Verbraucherzentrale wird immer parteiisch sein. Das Gesetz hingegen stellt auf konrete Umstände am Zielort ab, beantwortet die Frage nach dem Zeitraum jedoch nicht. Ebenso verhält es sich mit Rechtsprechung und Schrifttum zu dieser Frage (etwa Führich / Staudinger, Reiserecht, 8. Auflage, München 2019).
6. Jedoch halte ich die in dem Artikel getroffene Abwägung und die aufgezählten Aspekte für durchaus relevant. Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ergibt sich, dass jedenfalls momentan § 651h Abs. 3 BGB bezüglich Ihrer Reise greift. Bei Betrachtung der zukünftigen Entwicklung wird wohl eine Entspannung der Situation eintreten, wann genau, kann jedoch niemand abschätzen. Daher wird es in Anbetracht aller Umstände und Indizen (Feststellungen des Auswärtigen Amtes zum Zielland, Reisewarnung, Äußerungen des RKI, usw.) wohl bei einer erheblichen Beeinträchtigung Ihrer Reise bleiben. Somit wäre ein enntschädigungsfreier Rücktritt (die "Welt" spricht hier von einer "Kündigung" - das ist ein anderes Recht aus § 651l BGB und damit nicht einschlägig) in Ihrem Fall anzunehmen.
7. Da Sie die Höhe der Entschädigungsleistung ("übergeleitete Stornokosten) durch das "Einfrieren" begrenzt haben, ist in Ihrem Fall ein Zuwarten mit der Rücktrittserklärung unschädlich. Denn wenn sie nach den gesetzlichen Vorschriften von der Reise zurücktreten und die außergewöhnlichen Umstände vorliegen, schulden Sie keine Entschädigung, also auch nicht die 20%. Liegen die Umstände nicht mehr vor, und erklären Sie den Rücktritt vor Anbruch der 30 Tage vor Reisebeginn, wäre die Entschädigungsleistung auf die 20% begrenzt.
Insofern können müssen Sie nicht direkt den Rücktritt erklären, sondern können noch abwarten, um so mehr Sicherheit bzgl. der Reisesituation zu erlangen. Falls Sie Ihre Rechte jedoch bereits jetzt ausüben möchten - auch um der Verabschiedung einer möglichen "Gutschein-Lösung" zuvorzukommen, dürfte dies nach den Gesamtumständen vollkommen vertretbar sein.
Sollten Sie noch weitere Zahlungen im Voraus zu erbringen haben, aber noch nicht vom Vertrag zurücktreten wollen, können Sie bezüglich dieser Zahlungen die sog. Unsicherheitseinrede gemäß §321 Abs. 1 BGB erheben. Mit dieser suspendieren Sie Ihre Pflicht zur Vorausleistung, treten aber nicht vom Vertrag zurück.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen eine Orientierung geben konnte, welche Möglichkeiten Sie haben. Wie Sie die Rechtsausübung gestalten, sollten Sie nach Ihrer persönlichen Situation abwägen. Vetretbar sind, wie erläutert, sowohl das Zuwarten, als auch die direkte Ausübung.
Mit freundlichen Grüßen
Felix Prochnow
Rechtsanwalt
Hamburg, 04.05.2020
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diese Meinung teile ich natürlich ebenfalls. Gerade in der telefonischen Beratung kam auch häufig das Problem zur Sprache, dass bestimmte Häfen nicht mehr angelaufen werden können, Landgänge ausfallen, die Route verschoben werden musste usw.
Gerade bei Kreuzfahrten ist die Situation daher noch einmal deutlich schlechter als bei "normalen" Urlauben.
Unter all diesen Umständen erscheint ein Rücktritt daher sinnvoll.