Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Grass,
ich schreibe Ihnen, da ich mir eine fachliche Meinung zu meinem Fall wünsche. Ich bin deutsche Staatsbürgerin mein Partner kommt aus Indonesien. Derzeit befindet er sich mit einem Schengen Visa bei mir in Deutschland. Wir möchten gerne auch weiterhin zusammenleben. Bei Recherchen habe ich die Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG gefunden und bin mir sicher, das diese auf meinen Fall zutrifft. Deshalb habe ich bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltskarte für meinen Partner beantragt. Diese wurde bisher weder erteilt noch abgelehnt, die Behörde scheint sich damit nicht auszukennen. Da uns aber die Zeit davon läuft ( Das Visum ist noch bis zum 06.06.2019 gültig), erhoffe ich mir durch eine schriftliche Einschätzung Ihrerseits, insofern sie meine Ansicht teilen, eine schnelle Bearbeitung von seiten der Ausländerbehörde.
Nachfolgend habe ich alle Informationen zusammengestellt.
Die sogenannte „Freizügigkeitsrichtline“ bezeichnet das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
Nachfolgend werde ich meinen Anspruch auf die Anwendung des Gesetzes erläutern und mit den entsprechenden Zitaten aus der „MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT“ belegen. Diese wurde 2009 als Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG herausgegeben (siehe Anhang).
Für wen gilt die Richtlinie?
EU – Bürger:
„Die Richtlinie gilt nur für EU-Bürger, die sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich dort aufhalten, sowie für ihre Familienangehörigen, die sie begleiten oder ihnen nachziehen. EU-Bürger, die in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, können die gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsbestimmungen normalerweise nicht in Anspruch nehmen; ihre Familienangehörigen aus Drittstaaten unterliegen weiterhin dem einzelstaatlichen Einwanderungsrecht. Dies gilt jedoch nicht für EU-Bürger, die in ihren Heimatmitgliedstaat zurückkehren, nachdem sie eine Zeitlang in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt haben, sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch für EU-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben, ohne sich dort länger aufzuhalten (beispielsweise durch Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, ohne dort Aufenthalt genommen zu haben).“
Ich habe mehr als zwei Jahre in Norwegen gelebt und gearbeitet, einem EWR - Staat, der hier mit einbegriffen ist. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Beziehung schon.
Des Weiteren erbringe ich Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat ohne dort Aufenthalt zu nehmen, ich bin seit zwei Jahren freiberuflich tätig in Luxemburg.
Im Anhang finden Sie die entsprechenden Belege.
Lebenspartner:
"Die Richtlinie gilt gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b für einen Lebenspartner, mit dem ein Unionsbürger eine ordnungsgemäß bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist. Von Personen, die ihre Rechte aus der Richtlinie von einer dauerhaften Beziehung zu einem EU-Bürger ableiten, kann ein schriftlicher Nachweis verlangt werden, dass sie Lebenspartner eines EU-Bürgers sind und dass es sich um eine dauerhafte Beziehung handelt. Der Nachweis kann in jeder geeigneten Form erfolgen.“
Mein Lebenspartner und ich führen eine dauerhafte Beziehung, die seit fünf Jahren besteht. Dies können wir durch Reisepassstempel und gemeinsame Flugtickets belegen, siehe Anhang.
Ich hoffe sehr, dass sie mir mit einer positiven Evaluation und eventuellen Ratschlägen zu unserem Fall weiterhelfen können.
Vielen Dank im Vorraus!
Mit freundlichen Grüßen
Lisa Groß
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Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrte Ratsuchende,
danke für Ihre Anfrage, die ich nachfolgend gern beantworte.
Die Vorschriften zur Freizügigkeit gelten für EU-Bürger und deren ausländische Familienangehörigen. Die von Ihnen zitierte Richtlinie ist allerdings nur auf EU-Bürger anwendbar, die sich in einem anderen als den Mitgliedstaat aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie). Also nochmals konkret an einem Beispiel: Wenn Sie als deutsche Staatsangehörige in Luxemburg leben würden, würde die Richtlinie gelten. Da Sie aber als deutsche Staatsangehörige in Deutschland leben können die gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsbestimmungen nicht in Anspruch genommen werden, sondern der Familienangehörigen aus einem Drittstaaten unterliegt dann dem einzelstaatlichen Einwanderungsrecht, also konkret dem deutschen Recht.
Nach dem deutschen Ausländerrecht muss Ihr Partner einen Einreise-, vor allem aber einen Grund für einen Daueraufenthalt haben. Dies könnte in Ihrem Fall eine Heirat oder die Geburt eines Kindes sein. Möglich wäre aber ggf. auch ein anderer Grund, wie Studium oder Arbeit.
Ihr Partner wird also leider vor Ablauf des Visums wieder ausreisen müssen. Besuchsweise könnte er, sofern er die maximale Dauer von 90 Tagen ausgeschöpft hat, nach Ablauf von 90 Tagen wieder ein Visum beantragen und einreisen. Für einen Daueraufenthalt müsste eines der genannten Gründe vorliegen und über die Deutsche Botschaft in Jakarta ein Antrag auf Familienzusammenzug oder Arbeits- bzw. Studienaufenthalt gestellt werden.
Möglich wäre natürlich auch, dass Sie in ein anderes EU-Land ziehen und Ihren Partner dorthin nachzuholen. Welche Voraussetzungen im Konkreten dann erfüllt sein müssen, außer der Ehe oder Partnerschaft, entzieht sich leider meiner Kenntnis, weil dann immer das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates gilt.
Ich hoffe, Ihnen verständlich einen Überblick gegeben zu haben. Falls es weitere Fragen oder Unklarheiten geben sollte, teilen Sie dies bitte mit.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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Vielen Dank für die schnelle Antwort.
Ich verstehe, dass dieses Recht für EU- Bürger gilt, die in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen, als dessen Staatsbürgerschaft sie besitzen.
Aber in dieser Richtlinie wird das Recht doch ganz klar auch bei Rückkehrern und Grenzgängern gültig.
".....Dies gilt jedoch nicht für EU-Bürger, die in ihren Heimatmitgliedstaat zurückkehren, nachdem sie eine Zeitlang in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt haben, sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch für EU-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt haben, ohne sich dort länger aufzuhalten (beispielsweise durch Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, ohne dort Aufenthalt genommen zu haben).“
Hier ein zweites Zitat aus dem "Leitfaden für Unionsbürger", ebenfalls im Anhang.
"Die Richtlinie greift nur dann, wenn Sie in ein Land der Union ziehen oder in einem Land der Union wohnhaft sind, dessen Staatsangehörigkeit Sie nicht besitzen; in einem solchen Fall gilt die Freizügigkeit auch für die Sie begleitenden oder Ihnen nachziehenden Familienangehörigen. Die Ihnen durch die Richtlinie verliehenen Rechte stehen Ihnen auch bei Ihrer Rückkehr aus einem andern EU-Land in Ihren Heimatstaat zu. Unter bestimmten Umständen trifft die Richtlinie auch auf Sie zu, ohne dass Sie in einem anderen EU-Land wohnhaft sind, zum Beispiel dann, wenn Sie Dienstleistungen in einem anderen EU-Land erbringen, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben.
Könnten Sie dies bitte erneut prüfen und auf diese Möglichkeiten der Umsetzung eingehen?
Vielen Dank und freundliche Grüße
Lisa Groß
das mit den Rückkehrern verstehen Sie falsch. Wenn Sie als Deutsche mit Ihrem Partner aufgrund der Freizügigkeit in einem anderen EU- Land gelebt haben und nach Deutschland zurückkehren kann Ihr Mann natürlich mitkommen. Aber dies ist ja nach Ihren Schilderungen nicht gegeben.
Ich stelle Ihnen hier noch einen Link zur Verfügung. Der gibt nochmals ziemlich klar wieder, was ich ausgeführt habe. So wie die Voraussetzungen derzeit sind, würde Ihr Partner illegal in Deutschland sein, wenn er nicht rechtzeitig vor Ablauf des Visum ausreist. (http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_03022016_MI12100972.htm).
Ihre Angaben ändern also an der Rechtslage leider nichts ! Ihr Partner kann sich unter den gegebenen Umständen NICHT auf eine Freizügigkeit berufen.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass