ERBRECHT/Testament trotz Erbvertrag?
Beantwortet
Fragestellung
Sehr geehrte Experten,
im Jahre 1988 habe ich mit meiner heutigen Frau einen Erbvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag traf Regelungen für unser damaliges Haus und die zu diesem Zeitpunkt minderjährige Tochter meiner Frau.
Das Haus ist in der Zwischenzeit verkauft, der Erlös unter uns Ehepartnern aufgeteilt.Jeder hat auf sich eingetragene Immobilien. Die Tochter ist längst volljährig. Die Vertragsgegenstände sind somit hinfällig.
Mit meinen 84 Jahren möchte ich nun dringend meinen Nachlass regeln.
Hierzu meine Fragen:
1. Obwohl der Erbvertrag inhaltlich hinfällig ist, möchte meine Ehefrau den bestehenden Vertrag nicht gemeinsam mit mir auflösen.Dies ist mir zwar unverständlich aber Fakt.
Ist es für mich möglich, trotz dem bestehenden Vertrag meinen Nachlass in einem Testament fest zu legen. Kann ich hier genau definieren, was ich meiner Ehefrau und was ich meinen Kindern vererben möchte?
2.Falls dies möglich, reicht es, wenn ich meinen letzten Wille handschriftlich hinterlege oder muss dieser notariell beglaubigt sein.
Vielen Dank für Ihre Auskunft.
G.
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Antwort des Experten
Sehr geehrter Herr G.,
in dem Erbvertrag ist in § 5 die Bindungswirkung geregelt. Im Sinne des § 2270 BGB wird man davon ausgehen müssen, dass die Zuwendung des Wohnrechts die "Wechselseitigkeit" hergestellt hat und insofern die Bindungswirkung beabsichtigt war. Nun ist diese hier offenbar in der Tat nach Verkauf der Immobilie vom Sinn und Zwecks des Erbvertrages her weggefallen und man kann uU einen "konkludenten Verzicht" auf die Wechselseitigkeit der Verfügungen sehen bzw. einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Letzteres müsste man unter konkreter Schilderung des Sachverhalts der Frau gegenüber z.B. per Einwurfeinschreiben oder per Boten unter Kenntnis des Inhalts des Schreibens äußern und den Rücktritt vom Erbvertrag erklären sowie neu testieren. Zu bedenken ist dabei auch, dass ihr auch bei Enterbung stets ein Pflichtteil bleiben wird.
Es müsste an sich ein gemeinsamer Verzicht mit der Ehefrau erfolgen nach § 2271 Absatz 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 2296 Absatz 2 BGB.
Denn sonst ist im Grundsatz nur nach dem Tod der Ehefrau als Überlebender eine freie Verfügung nach § 3 des Vertrages wieder möglich.
Ich will nicht ausschließen, dass Richter nach § 313 BGB auch ein einseitiges handschriftliches Testament wegen des Sonderfalls des Wegfalls des Hauses als einschlägig erachten. Hinzu kommt, dass jeweils die eigenen Kinder bedacht werden sollten, was auch dafür spricht, dass man eher wieder frei verfügen darf, wenn die Aspekte hinsichtlich des Hauses weggefallen sind.
Auf jeden Fall muss aber neben dem Testament dann auch vorher gegenüber der Frau nach § 313 BGB wie oben beschrieben vorgegangen werden. Restrisiken, dass ein Richter zu anderen Auslegungsergebnissen gelangt und formal auf der Bindungswirkung des Vertrages beharrt bestehen leider in nicht unerheblichem Maße.
Vertieft hierzu BGB § 313 Störung der Geschäftsgrundlage, Martens beck-online.GROSSKOMMENTAR, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Lorenz
Stand: 01.10.2017 Rn. 87-90:
"Beim Erbvertrag wird der Erblasser von den Risiken falscher Erwartungen und Vorstellungen durch spezielle erbrechtliche Vorschriften weitgehend entlastet. So stehen dem Erblasser die großzügigen Anfechtungsrechte nach §§ 2078, 2079 gem. § 2281 Abs. 1 zur Verfügung, und §§ 2294, 2295 sehen besondere Rücktrittsrechte bei Verfehlungen des Bedachten bzw. bei Aufhebung einer Gegenverpflichtung vor. Diese Bestimmungen sind leges speciales zu § 313 und haben in ihrem Regelungsbereich Vorrang (→ Rn. 165). Für § 313 verbleibt daher hinsichtlich erbrechtlicher Verfügungen in Erbverträgen allenfalls ein geringfügiger Anwendungsbereich (→ Rn. 87.1). Soweit im Erbvertrag auch schuldrechtliche Verpflichtungen begründet werden, findet § 313 allerdings uneingeschränkt Anwendung.343 Wenn der Erblasser durch Verfügungen unter Lebenden (§ 2286) sein Vermögen aushöhlt, entfällt die Geschäftsgrundlage des Erbvertrags, sodass dem Vertragserben die Rechte aus § 313 zustehen.344 Auf den Erbverzicht soll § 313 nach hM nicht anwendbar sein (→ Rn. 40.1)."
Wie Sie erkennen: § 313 BGB wird sehr restriktiv gehandhabt und viele Richter neigen eher zu konservativen Wertungen.
Zumal ich als Richter den Erbvertragsnachtrag auch gut so deuten kann, dass der Fall eines Verkaufes ja beabsichtigt war und deswegen die geänderte zeitliche Abfolge nichts an der Bindungswirkung ändern darf.
Man könnte als "Hammer" auch an eine Scheidung denken. Dabei ist aber auch ein etwaiger Zugewinnausgleich in die Kalkulation einzubeziehen. Vertieft zu einem ähnlichen Fall:
http://www.iww.de/ee/archiv/familienrecht-erbvertrag-gilt-bei-scheidung-nicht-automatisch-fort-f9080
Fazit: rechtssicher erscheint alleine der Weg mit ihrer Frau zusammen vorzugehen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Saeger
- Rechtsanwalt -
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Sie haben leider nur den "Erbvertragsnachtrag" vorgelegt. Insofern fehlt noch der Erbvertrag vom 12. Juli 1988.
MfG
D. Saeger
- RA -
hiermit sende ich Ihnen den Erbvertrag vom 12.Juli 1988
MfG
G.