Erbrecht Schenkung
Fragestellung
Hallo Herr Rechtsanwalt,
es geht um eine Erbschaftsangelegenheit. Gemäß beigefügten Unterlagen (Testament) habe ich von meiner Großmutter ein Geld-Vermächtnis von 4/12 des Nachlasses erhalten. Im Jahre 2005 habe ich von der Großmutter eine Schenkung von 15.000,00 Euro erhalten. Mein Bruder, der Pflichtteilserbe ist, will jetzt einen Anteil an dieser Schenkung erhalten. Steht dieser Anteil ihm überhaupt zu – oder - wenn ja, in welchem Umfang ? Wer hat noch Anspruch daran, evtl. meine Schwester als Pflichtteilserbe und mein Onkel als Alleinerbe ?
Die Erbmasse beträgt per Todestag der Großmutter 2.362,77.
Wir glauben, dass in den letzten Jahren die Großmutter an meinen Onkel und an dessen Kinder und Enkel Schenkungen vorgenommen hat. Können wir über diese Schenkungen und Verfügungen eine Auflistung über den Zeitraum der letzten 10 oder mehr Jahre verlangen, um somit eine korrekte Aufstellung der tatsächlichen Erbmasse zu erhalten ?
Wenn der Fall vor Gericht kommt, muss ich mich dann von einem Rechtsanwalt vertreten lassen ? Wo ist dann der Gerichtsstand ? M.E. in Itzehoe, wo meine Oma lebte und das Testament erstellt hat. Da ich in Hamburg wohne, kann mich ein Hamburger Anwalt vertreten oder brauche ich einen Anwalt in Itzehoe ?
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Frage und das damit entgegengebrachte Vertrauen.
Sofern der Pflichtteilsberechtigte vom Vermächtnisnehmer einen Anteil fordert, ist er auf § 2325 Abs. 1 BGB zu verweisen, dem Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser kommt immer dann zum tragen, wenn der Erbteil aufgrund des Vermächtnisses den Pflichtteil unterschreitet. Danach gilt, dass der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag vom Vermächtnisnehmer verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
Allerdings schränkt § 2325 Abs. 3 BGB dies wie folgt ein:
Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.
Wenn die Schenkung also 2005 vorgenommen worden ist, so müsste für jedes Jahr vor dem Erbfall 1/10 der Schenkungssumme in Abzug gebracht werden, d.h. diese fällt dann nicht in die Berechnung.
Im Ergebnis steht dem Pflichtteilsberechtigten somit nicht die gesamte Summe zu, sondern nur der Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöhen würde unter Abzug der einzelnen Jahre, je nachdem, wann die Großmutter verstorben ist.
Zu beachten ist auch, dass mit einem Vermächtnis kein Pflichtteilsrecht außer Kraft gesetzt werden kann. Wenn im Beispiel das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Erbgegenstand besteht, greift das Vermächtnis nicht.
Zu Ihren weiteren Fragen:
Alle Pflichtteilsberechtigten hätten Anspruch auf einen solchen Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn die o.g. Voraussetzungen vorliegen, insbesondere, wenn der Erbteil aufgrund des Vermächtnisses den Pflichtteil unterschreitet. Der Alleinerbe dürfte hier zunächst keinen Anfechtungsanspruch haben, es sei denn, der Erblasser hat in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, § 2287 BGB.
Ansonsten gilt auch hier, dass ein Vermächtnis dann nicht greift, wenn das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Erbgegenstand. Besteht.
Spezielle Vorschriften über Auskunftsansprüche des Vermächtnisnehmers hat das bürgerliche Gesetzbuch nicht. Es ist daher zurückzugreifen auf andere Vorschriften, die im Rahmen eines rechtlichen Interesses Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftslegung begründen können. In Ausgestaltung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB haben die Rechtsprechungen und auch das Schrifttum mangels der Existenz spezieller Vorschriften zugunsten des Vermächtnisnehmers diesem darüber hinaus weitere Ansprüche zugedacht, wobei sie jedoch sehr differenziert auf die konkrete Interessenlage und die speziellen Einzelfallumstände abstellt. Prinzipiell sollen ihm immer dann Auskunftsansprüche eingeräumt werden, wenn er sie benötigt, um seine Ansprüche gegen den Erben geltend zu machen.
Gerichtsstand ist Ihr Wohnsitz. Sie müssen sich in einem Erbrechtsverfahren nicht von einem RA vertreten lassen, solange die Sache nicht vor einem Landgericht oder einem höheren Gericht anhängig ist. Im Übrigen können Sie sich von jedem zugelassenen RA in Deutschland vertreten lassen.
Gerne stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung und hoffe, Ihnen zunächst hilfreich geantwortet zu haben.
Viele Grüße
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wir sind nur Laien: den Satz im Abs. 2 - " Dieser Pflichtteilergänznspruch kommt immer dann zum Tragen, wenn der Erbteil aufgrund des Vermächtnisses den Pflichtteil unterschreitet"- verstehen wir nicht...Auch Abs. 7 " zu beachten ist...verstehen wir nicht vollständig. Was ist ein Vermächtnis und inwieweit greift der Pflichteilergänz.anspruch ins Vermächtnis ein ??? Den Satz in Abs. 8 " Alle Pflichtteilsberecht. hätten Anspruch auf einen solchen Pflichtteilsergänz.anspruch, wenn der Erbteil aufgrund des Vermächtnisses den Pflichtteil unterschreitet" - verstehen wir auch nicht.
Meine Frage, wieviel Geld exakt mein Bruder als Enterbter und mein Onkel als Alleinerbe aus der Schenkung von 15.000,00 erhalten, haben Sie auch nicht konkret beantwortet- und auch nicht ob mein Onkel überhaupt von meiner Schenkung etwas beanspruchen kann und wieviel überhaupt, das ist mir nicht konkret genug...
Bitte in einfachem Deutsch für Nichtjuristen diese Sentenzen erklären und erläutern, damit ich dies auch begreifen kann, ohne Jura bis zum Staatsexamen studiert zu haben. Vielen Dank im voraus !
mfg
Die Regelung des § 2325 bedeutet, dass die Schenkung berücksichtigt wird, wenn das Erbe nicht groß genug ist, um einen Pflichtteil zu erfüllen und durch das Vermächtnis weiter geschmälert werden würde, bzw. sich nach dem Gesetzeswortlaut der Pflichtteil unter Hinzurechnung der Schenkung erhöhen würde. Dies dürfte hier der Fall sein, da durch die Schenkung die Erbmasse extrem geschmolzen ist.
Dann entsteht ein sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch, der beinhaltet, dass Schenkungen angefochten werden können und daraus entsprechende Beträge gezahlt werden müssten, hier immer 1/10 der Schenkung für die vergangenen 10 Jahre ab dem Erbfall je noch zu berücksichtigendem Jahr.
Ein Vermächtnis (Legaldefinition in § 1939 BGB) ist eine Zuwendung eines Vermögensvorteils ohne Erbe zu sein, so wie dies auch in dem von Ihnen übersandten Testament ausgedrückt. Dies bedeutet, dass der Vermächtnisnehmer nur den im Testamen dargestellten Gegenstand, hier 4/12 erhalten kann, dafür aber auch nicht gegenüber der Erbmasse haftet, also Verbindlichkeiten zu tragen hat.
Sofern auch noch andere Personen einen Pflichtteil aus der Erbmasse fordern können, Pflichtteil ist immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, auch wenn ein Testament vorliegt, könnten diese ebenfalls an der Schenkung und der entsprechenden Ergänzung partizipieren, wie zB. beide Enkel.
Einen Onkel kann ich im Testament nicht erkennen, ggf. weil die Seite 2 des Testaments nicht übersandt worden ist. Ist er (Allein)Erbe, dann besteht kein Anfechtungsrecht, s. meine vorherige Antwort.
Eine konkrete Frage, nach der Höhe einer Zahlung konnte ich Ihrer Frage leider nicht entnehmen. Eine Berechnung ist hier im Rahmen der Beratung allerdings leider auch nicht möglich. Bitte berücksichtigen Sie, dass es sich hier um eine überblickartige Erstberatung handelt. Eine konkrete Berechnung der Erbanteile kann aufgrund Ihrer Informationen leider nicht vorgenommen werden. Hier ist ein Nachlassverzeichnis, eine Übersicht über gesetzliche Erben, Zeitpunkt des Todes des Erblasssers, Vorlage des gesamten Testaments etc. notwendig. Es würde sich auch die Frage stellen, ob Sie selbst pflichtteilsberechtigt wären, woraus sich zB. auch andere Ergebnisse ergeben können.
Berücksichtigen Sie bitte dabei auch die Angemessenheit des von Ihnen ausgelobten Einsatzes.
Gerne stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung sollte weiterer Erläuterungsbedarf bestehen.