Entfernung zwischen Hauptwohnsitz und Arbeitsstätte
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Kneisel,
seit 10 Jahren bin ich als verbeamtete Lehrerin an demselben Ort beschäftigt, an dem ich in naher Entfernung eine Mietwohnung besitze. In naher Zukunft kann ich in einer Entfernung von 77 km mein Elternhaus und somit Eigentum erwerben. Meine Fragen lauten nun:
1.
Mein Hauptwohnsitz soll mein ehemaliges Elternhaus werden. Mit Hilfe eines Versetzungsantrages werde ich versuchen, den Beschäftigungsort näher zu meinem Hauptwohnsitz zu verlegen.
Kann ich für die Zwischenzeit die Kosten für einen gemieteten Zweitwohnsitz nahe meines Beschäftigungsortes steuerlich geltend machen, obwohl die Hauptwohnsitz nur 77 km entfernt vom diesem ist? Google sagt hier, dass der Steuerpflichtige einen Zweitwohnsitz bei einer Fahrzeit von 1 Stunde Fahrzeit nicht geltend machen kann.
2.
Muss ich, um mein Elternhaus als Hauptwohnsitz deklarieren zu können, für einen gewissen Zeitraum zwischen dieser Immobilie und meinem Beschäftigungsort pendeln?
Mit freundlichem Gruß
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel
Sehr geehrte Fragestellerin,
im Rahmen einer Erstberatung, Ihres Einsatzes und den von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben, möchte ich Ihre Fragen gerne im Nachstehenden wie folgt beantworten:
Ich würde gerne Ihre Fragen etwas strukturiert zusammenfassen wollen:
Seit langer Zeit befindet sich Ihr Hauptwohnsitz in der Nähe Ihres Arbeitsplatzes. Nach Übertragung des elterlichen Hauses wird dieses Ihr neuer Lebensmittelpunkt und Sie behalten Ihre Mietwohnung nun als 2. Haushalt bei um nahe am Arbeitsplatz zu sein. Diese soll dann der sog. 2. Doppelte Haushalt werden. D. h. der bisherige Haupthaushalt (Lebensmittelpunkt, gewöhnlicher Aufenthal) wird „wegverlegt“ wie man so schön im Fachjargon sagt.
Hier erst einmal etwas Allgemeines zur doppelten Haushaltsführung:
Wenn Sie aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Beschäftigungsort führen, können Sie Ihre Aufwendungen als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Das gilt also auch bei der „Wegverlegung“. Bis zu 1.000 Euro der monatlichen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort können Sie als Werbungskosten absetzen. Das Finanzgericht Düsseldorf ist – anders als viele Finanzämter – der Meinung, dass zusätzlich die nachweisbaren Aufwendungen für Möbel, Gardinen, Lampen und Haushaltsartikel absetzbar sind. Diese wären dann auch absetzbar, wenn Sie die monatliche 1.000-Euro-Grenze schon mit den Mietkosten ausgeschöpft hätten. Inzwischen gibt es dazu auch positive BFH Rechtsprechung. Sie können insoweit die Anschaffung des zusätzlichen Mobiliars/Hausrats steuerlich geltend machen.
Ihre Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen (innerhalb der ersten drei Monate), etc. wirken sich somit wie beschrieben steuermindernd aus. Für eine doppelte Haushaltsführung müssen damit zwingend diese Punkte erfüllt sein:
Die Wohnung wird aus beruflichen Gründen bezogen/beibehalten. Sie nutzen diese Zweitwohnung am Ort der „ersten Tätigkeitsstätte“, dem Beschäftigungsort. Auf jeden Fall sollte man von dieser Wohnung aus den Arbeitsplatz schneller erreichen können als von der Hauptwohnung. Die Zeitersparniss ist hier aber der Hauptpunkt, nicht so sehr die Entfernung. Wenn Sie schreiben, dass der dann 1. Wohnsitz 77 km vom Arbeitsplatz entfernt ist, dann sparen Sie doch bestimmt mindestens 1 Std. Fahrzeit pro Weg.
Das Finanzamt berücksichtigt weiter die Kosten der Zweitwohnung Miete) , Fahrtkosten, innerhalb der ersten drei Monate Zusatzkosten für die Verpflegung (Verpflegungsmehraufwendungen) und Umzugskosten. Ihre Mehraufwendungen können Sie als Werbungskosten abziehen, soweit Ihr Arbeitgeber sie Ihnen nicht steuerfrei erstattet. Eine anerkannte doppelte Haushaltsführung gilt unbefristet, das heißt über den gesamten Zeitraum der Beschäftigung (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes).
Die doppelte Haushaltsführung muss wie beschrieben beruflich veranlasst sein. Wegen des Wechsel des Beschäftigungsorts, weil Sie versetzt wurden, ein Wechsel des Arbeitsplatzes, die Aufnahme eines Beschäftigungs- oder Dienstverhältnisses außerhalb Ihres bisherigen Wohnorts und dessen Umgebung, ein Wegzug, etc. Es gibt zahlreiche Gründe.
Immer geht es aber darum, dass von der Zweitwohnung aus die Tätigkeitsstätte schneller zu erreichen ist als vom 1. Wohnsitz aus. Das Ganze funktioniert auch umgekehrt: Eine doppelte Haushaltsführung ist ebenfalls beruflich begründet, wenn Sie Ihre Hauptwohnung am Arbeitsplatz aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegen – und anschließend am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt gründen oder beibehalten, um von dort aus weiter Ihrem bisherigen Job nachzugehen (sogenannte Wegverlegungsfälle). Dies ist genau der Grund Ihrer Schilderung.
Zum eigener Haushalt und damit zur Anerkennung einer doppelte Haushaltsführung ist es notwendig, dass Sie an Ihrem Beschäftigungsort eine Zweitwohnung haben und einen eigenen Haushalt an einem anderen Ort führen, der Ihren Lebensmittelpunkt darstellt. Der Mittelpunkt Ihres Lebensinteresses muss sich auf Dauer am Erstwohnsitz befinden.
Die Kosten der Möblierung und die nötige Ausstattung mit sonstigem Hausrat für die Zweitwohnung können Sie unbegrenzt geltend machen (zum Beispiel die zweite Waschmaschine), soweit sich diese in angemessenem Rahmen bewegen. Wenn die Anschaffungskosten für den einzelnen Gegenstand nicht die Nettogrenze von 800 Euro überschreitet, sind sie sofort und in voller Höhe abziehbar.
Zum Thema Steuerabzug von Möbel und Hausrat gaben sich die Finanzämter bislang kleinlich, s.o.. Nach seiner Auffassung sollen im Höchstbetrag für die doppelte Haushaltsführung auch die Kosten für notwendige Hausrats- und Einrichtungsgegenstände abgegolten sein – ggf. in Form der Abschreibung (BMF-Schreiben vom 24.10.2014).
Doch nun hat der BFH mit seinem Urteil vom 04.04.2019 mit dieser Zweifelsfrage aufgeräumt! Kosten für die notwendige Einrichtung der Zweitwohnung
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.....bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind zusätzlich zum Deckelungsbetrag von 1.000 Euro monatlich absetzbar (Aktenzeichen VI R 18/17). Wenn Sie also gedacht Ihre Möbel mit in Ihr neues Haus nehmen, können Sie die Kosten der Einrichtung des 2. Haushaltes nach steuerlichen Grundsätzen absetzen. Das Thema kann man herrlich googeln.
Die Finanzrichter vom BFH sehen keinen Grund für begrenzten Kostenabzug. Nach deren Auffassung sind Aufwendungen für Möbel und Hausrat keine Unterkunftskosten und damit unbeschränkt abziehbar. Die Nutzung der Einrichtungsgegenstände sei nicht mit der Nutzung der Unterkunft als solcher gleichzusetzen. Insoweit sind die Aufwendungen unbeschränkt abziehbar.
Zur Frage 2:
Wichtig ist, dass Ihr Elternhaus Ihren Lebensmittelpunkt darstellt. Wochenendheimfahrten sollten dabei obligatorisch sein. D, h. Sie müssen dort wohnen. Sie könnten also theoretisch die jetzigen Möbel mit in Ihr Elternhaus nehmen und die Mietwohnung (2. Wohnsitz) neu ausstatten und alles nach steuerlichen Grundsätzen geltend machen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung. :-)
Ich hoffe Ihre Anfrage richtig verstanden- und ausreichend beantwortet zu haben. Sollten Rückfragen bestehen, nutzen Sie bitte gerne die Nachfragefunktion.
Sollte meine Antwort zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen sein, würde ich mich sehr über eine Bewertung freuen.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater
vereidigter Buchprüfer
meine Nachfrage bezieht sich auf die Entfernung zwischen Hauptwohnsitz und Tätigkeitsort.
Ich habe das BFH-Urteil vom 19.4.2012 (VI R 59/11) so verstanden, dass der Zeitaufwand vom Hauptwohnsitz zum Tätigkeitsbereich deutlich größer als eine Stunde betragen muss, damit ein Zweitwohnsitz steuerlich anerkannt wird.
Dann existiert das BFH-Urteil vom 26.6.2014 (VI R 59/13), welches aussagt, dass maßgebend ist, dass es sich bei einer Entfernung von 83 km und einer Fahrzeit von weniger als einer Stunde um eine übliche Pendelstrecke und Pendelzeit handelt.
M.E. im Widerspruch dazu regelt ein BMF-Schreiben vom 30.9.2013 (BStBl. 2013 I S. 1279, Tz. 95; BMF-Schreiben vom 24.10.2014, Tz. 101) wie weit die Zweitwohnung vom auswärtigen Beschäftigungsort (erste Tätigkeitsstätte) entfernt sein darf. Die Zweitwohnung liegt dann noch im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes, wenn der Weg von der Zweitwohnung zur Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung zwischen Hauptwohnung und Tätigkeitsstätte beträgt.
Ich wäre dankbar, wenn Sie mir hier Aufklärung verschafften würden.
Mit freundlichem Gruß
Das BFH-Urteil vom 26.6.2014 (VI R 59/13), betrifft ebenfalls nicht Ihren Fall. Ausschlaggebend ist u. a. die Zeitersparnis im Verhältnis der Fahrten von Ihrem Elternhaus 77 km zur Arbeit oder von der Zweitwohnung zur Arbeit. Die Zeiten und Entfernungen sind in jedem Fall spezifisch zu sehen und durch Urteile nicht festgeschrieben. (Einzelfallbetrachtung)
Wenn Sie also für 77 km bei einer Durchchschnittsgeschwindigkeit von 38,5 km/h 2 Stunden pro Fahrt unterwegs wären, wäre zuprüfen, wie weit es zwischen zweitem Wohnsitz und Arbeitsstelle ist. Die Zeitersparnis wäre zu ermitteln um die Frage zu klären, liegt eine doppelte Haushaltsführung vor oder nicht.
Wann unterhält jemand seinen eigenen Hausstand außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte? Nach Auffassung des BFH liegt ein Wohnen am Beschäftigungsort dann vor, wenn der Mitarbeiter von seiner Hauptwohnung aus die Arbeitsstätte (seit 2014: erste Tätigkeitsstätte) in zumutbarer Weise täglich erreichen kann. Das scheint bei Ihnen dann ja nicht zumutbar zu sein täglich vom Elternhaus aus zu pendeln.
Die Entscheidung darüber, ob Sie von Ihrem Elternhaus aus die Arbeitsstätte in zumutbarer Weise täglich erreichen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG.
Das sagt die Rechtsprechung:
Der Ort des eigenen Hausstandes (Elternhaus) und der Beschäftigungsort müssen auseinanderfallen. Denn nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt. Liegt der Ort des eigenen Hausstandes bereits am Beschäftigungsort, scheidet ein Ansatz der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung aus. Der Fall ist bei Ihnen aber nicht gegeben.
Eine Mindestentfernung zwischen Haupt- und beruflicher Zweitwohnung bestimmt das Einkommensteuerrecht nicht. Von einer Erreichbarkeit in zumutbarer Weise geht der BFH i.d.R. bei einer Fahrtzeit je einfacher Wegstrecke von etwa einer Stunde aus.
Änderung ab 2014:
Für die Anwendung des ab dem VZ 2014 geltenden Reisekostenrechts dürfte die Diskussion mit der FinVerw über die Fahrzeitersparnis bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung nicht aufkommen. Nach dem BMF-Schreiben v. 24. Oktober 2014 ist nämlich nicht nur die Fahrtzeit allein, sondern auch die Wegstrecke für die berufliche Veranlassung entscheidend.
Die FinVerw geht aus Vereinfachungsgründen von einer beruflich veranlassten Zweitwohnung aus, wenn der Weg von der Zweitunterkunft oder -wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und der ersten Tätigkeitsstätte beträgt. Diese Vereinfachungsregelung kann auch dann herangezogen werden, wenn sich der eigene Hausstand und die Zweitwohnung innerhalb desselben Orts (derselben Stadt oder Gemeinde) befinden. Das heißt, die FinVerw grenzt den Ort der ersten Tätigkeitsstätte mittels einer mathematischen Berechnung ein.
Bevor ich jetzt auf die weiteren Dinge eingehe, wie weit ist es von Ihrem Elternhaus, welches ja der 1. Wohnsitz werden soll bis zur Arbeit und wie lange dauert die Fahrt? (77km) Wie weit ist es von der jetzigen Wohnung, die später der 2. Wohnsitz werden soll zur Arbeit und wie lange dauert diese Fahrt.
Ich melde mich dann kurzfristig wieder.
MfG
Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP
unser Ruf lebt von Ihrer Meinung. Wenn Sie insoweit mit meiner Beratung zufrieden waren, würde ich mich sehr über eine Bewertung Ihrerseits freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP