Doppelte Haushaltsführung Bauleuter ohne erste Tätigkeitsstätte
Beantwortet von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel in unter 2 Stunden
Fragestellung
Hallo,
im Rahmen meines Arbeitsvertrages bin ich deutschlandweit auf Grossbaustellen im Einsatz.
Diese haben meist Dauern von 6-12 Monaten.
Aktuelle Baustelle ist Berlin, der Arbeitgeber ( Stuttgart) stellt mir eine Wohnung in Berlin.
Nun die Frage: Kann ich die Fahrten von der beruflich veranlassten Unterbringung in Berlin zur Baustelle über die Entfernungspauschale, Penlerpauschale oder Reisekosten ansetzen? Ich fahre mit der Bahn ca 10 km / Tag, der Arbeitgeber erstattet die Tickets.
Es steht mit frei wöchentlich nach Hause zu fliegen, der Arbeitsgeber erstattet die Tickets für Flug oder Bahn.
Ist es zusätzlich gestattet, die KM über die Entfernungspauschale in Ansatz zu bringen?
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Antwort von Steuerberater, vBP Ingo Kneisel
Sehr geehrter Fragesteller,
im Rahmen einer Erstberatung, Ihres Einsatzes und den von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben, möchte ich Ihre Fragen gerne im Nachstehenden wie folgt beantworten:
Ihre Fragen drehen sich prinzipiel um die doppelte Haushaltsführung. Der Hauptwohnsitz/Haushalt befindet sich in Stuttgart Ihr vorübergehende Tätigkeit findet derzeit in Berlin statt. (Keine 1. Tätigkeitsstätte)
Allgemeines:
Wenn Sie aus beruflichen Gründen einen zweiten Haushalt am Beschäftigungsort führen, können Sie Ihre Aufwendungen als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Voraussetzung ist, dass Sie, dass Sie einen eigenen Haushalt haben, an dem Ihr Lebensmittelpunkt, Freunde, Interessen, etc. sind.
Bis zu 1.000 Euro der monatlichen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort können Sie als Werbungskosten absetzen. Das Finanzgericht Düsseldorf ist – anders als viele Finanzämter – der Meinung, dass zusätzlich die nachweisbaren Aufwendungen für Möbel, Gardinen, Lampen und Haushaltsartikel absetzbar sind. Diese wären dann auch absetzbar, wenn Sie die monatliche 1.000-Euro-Grenze schon mit den Mietkosten ausgeschöpft hätten. Das müssen Sie sich mit dem FA erstreiten. Inzwischen gibt es allerdings Rechtsprechung des BFH, die das FG Düsseldorf stützt.
Das Finanzamt berücksichtigt dann die Kosten der Zweitwohnung, Fahrtkosten, innerhalb der ersten drei Monate Zusatzkosten für die Verpflegung (Verpflegungsmehraufwendungen) und Umzugskosten. Ihre Mehraufwendungen können Sie als Werbungskosten abziehen, soweit Ihr Arbeitgeber sie Ihnen nicht steuerfrei erstattet hat. Eine anerkannte doppelte Haushaltsführung gilt unbefristet, das heißt über den gesamten Zeitraum der Beschäftigung (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes).
Die doppelte Haushaltsführung muss beruflich veranlasst sein. Wegen des Wechsel des Beschäftigungsorts, weil Sie versetzt wurden, ein Wechsel des Arbeitsplatzes,
die Aufnahme eines Beschäftigungs- oder Dienstverhältnisses außerhalb Ihres bisherigen Wohnorts und dessen Umgebung, etc. Es gibt zahlreiche Gründe.
Immer geht es aber darum, dass von der Zweitwohnung aus die Tätigkeitsstätte schneller zu erreichen ist als vom 1. Wohnsitz aus. Das Ganze funktioniert auch umgekehrt: Eine doppelte Haushaltsführung ist ebenfalls beruflich begründet, wenn Sie Ihre Hauptwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegen – und anschließend am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt gründen, um von dort aus weiter Ihrem bisherigen Job nachzugehen (sogenannte Wegverlegungsfälle). Dies ist aber auf Grund Ihrer Schilderung ja nicht der Fall.
Fahrtkosten: Zu den abziehbaren Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gehören auch die Fahrtkosten aus Anlass des Wohnungswechsels zu Beginn und am Ende der doppelten Haushaltsführung sowie für wöchentliche Heimfahrten zum Haupthaushalt. Für die erste und letzte Fahrt dürfen Sie die tatsächlichen Kosten abrechnen oder pro gefahrenen Kilometer 30 Cent.
Für Familienheimfahrten gilt hingegen die Entfernungspauschale: Pro Entfernungskilometer werden 0,30 Euro anerkannt, wenn Sie mit Ihrem eigenen Auto gefahren sind (kein Dienst- oder Firmenwagen). Weil es sich um eine Pauschale handelt, müssen Sie hierfür keine Belege abgeben. Allerdings kann das Finanzamt Sie trotzdem dazu auffordern, insbesondere dann, wenn Sie für jede Woche Fahrtkosten geltend machen. Denn die Entfernungspauschale ist nur für tatsächlich durchgeführte Familienheimfahrten anwendbar. Die Erstattungen des AG sind gegenzurechnen.
Soweit das Allgemeine.
Zur Ihren speziellen weiteren Frage:
- Können die Fahrten von der beruflich veranlassten Unterbringung in Berlin zur Baustelle über die Entfernungspauschale, Pendlerpauschale oder Reisekosten angesetzt werden? Sie fahren mit der Bahn ca. 10 km / Tag, der Arbeitgeber erstattet die Tickets.
Unter den Reisekostenbegriff fallen auch Arbeitnehmer, die bei ihrer individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt werden. Hierunter sind Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte zu verstehen. Sie, als Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte sind dagegen außerhalb ihrer Wohnung immer auswärts tätig. Der BFH hat bestätigt, dass Tätigkeit auf Baustellen als berufliche Auswärtstätigkeit zu werten ist. Haben Sie ausschließlich auf auswärtigen Baustellen zu tun, liegt der beschriebene Fall vor. Die Einsätze auf den verschiedenen Baustellen begründen eine berufliche Auswärtstätigkeit, da Sie insoweit nicht Ihre erste Tätigkeitsstätte ist. Sämtliche Fahrten fallen unter die lohnsteuerlichen Reisekostenvorschriften. Für die Gesamtstrecke dürfen 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer dem Werbungskostenabzug unter Berücksichtigung des steuerfreien Ersatzes durch den Arbeitgeber zugrunde gelegt werden.
2. Es steht Ihnen frei wöchentlich nach Hause zu fliegen, der Arbeitsgeber erstattet die Tickets für Flug oder Bahn.
S. Oben. Hier gelten die Grundsätze der doppelten Haushaltsführung. Für Familienheimfahrten gilt die Entfernungspauschale von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer. Die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann unabhängig vom Aufwand in Anspruch genommen werden. Für den Werbungskostenabzug der wöchentlichen Familienheimfahrt ist daher zunächst unerheblich, mit welchem Verkehrsmittel die Heimfahrten durchgeführt werden und ob Ihnen überhaupt Kosten für diese Wege entstanden sind. Steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen. Die Entfernungspauschale berechnet sich für die wöchentliche Heimfahrt wie bisher nach der Gesamtstrecke zwischen auswärtigem Beschäftigungsort und Ort des eigenen Hausstands. Die Begrenzung des Werbungskostenabzugs auf 4.500 EUR ist im Rahmen der doppelten Haushaltsführung ohne Bedeutung.
3. Ist es zusätzlich gestattet, die KM über die Entfernungspauschale in Ansatz zu bringen?
Übersteigen die tatsächlichen Kosten für öffentliche Verkehrsmittel die anzusetzende Entfernungspauschale, können die höheren Kosten als Werbungskosten geltend gemacht werden. Der Ansatz der tatsächlichen Kosten für Busse oder Bahn ist zulässig, wenn die nachgewiesenen Kosten laut Fahrschein höher sind als der sich nach der Entfernungspauschale ergebende Abzugsbetrag.
Der Ansatz der Entfernungspauschale gilt nicht für Flugstrecken. Flugkosten, die für die wöchentliche Heimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallen. Sie dürfen nach wie vor ausschließlich i. H. d. nachgewiesenen tatsächlich angefallenen Kosten angesetzt werden, sowohl für den Kostenabzug als auch für die steuerfreie Erstattung seitens des AG.
Sind Sie aus beruflichen Gründen gehindert, eine Familienheimfahrt durchzuführen, können stattdessen die Aufwendungen für eine Besuchsfahrt z. B. der Ehefrau wie Werbungskosten angesetzt werden. Das Gleiche gilt unter Umständen für den Besuch der minderjährigen Kinder. Insgesamt dürfen jedoch höchstens die Beträge abgezogen werden, die Sie als Arbeitnehmer bei einer wöchentlichen Familienheimfahrt hätte ansetzen können.
Zu der sog. umgekehrten Familienheimfahrt hat der BFH entschieden, dass Besuchsfahrten nicht ohne weitere Voraussetzung an der Stelle von Familienheimfahrten Werbungskosten sind. Abzugsfähig sind Besuchsfahrten nur dann, wenn berufliche Gründe der wöchentlichen Familienheimfahrt des auswärts beschäftigten Arbeitnehmers entgegenstehen. Abziehbar sind bei Besuchsreisen der Ehefrau und der minderjährigen Kinder nur die Fahrtkosten, nicht dagegen Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung.
Ich hoffe Ihre Anfrage richtig verstanden- und ausreichend beantwortet zu haben. Sollten Rückfragen bestehen, nutzen Sie bitte gerne die Nachfragefunktion.
Sollte meine Antwort zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen sein, würde ich mich sehr über eine Bewertung freuen.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater
vereidigter Buchprüfer
Detmolder Str. 235, 33605 Bielefeld
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Mit freundlichen Grüßen
Ingo Kneisel
Steuerberater, vBP